Nadine Kröll fiebert der Proklamation als Obermöhn entgegen
Transgender feiert lieber Karneval als Christopher Street Day
Neuwied. Noch gut zwei Monate sind es bis zum Sessionsbeginn. In den Karnevalshochburgen laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. In Heimbach-Weis fiebert Nadine Kröll ihrer Proklamation als Obermöhn am 16.11. entgegen. Das Außergewöhnliche daran: Nadine hieß mal Norbert und führte ein ganz anderes Leben. Einen Transgender im Karneval, in repräsentativer Funktion hat es im von Traditionalisten geprägten Heimbach-Weis noch nicht gegeben. Vermutlich auch weit darüber hinaus nicht. Wie passt das zusammen? „Sehr gut“, sagt Nadine Kröll im Brustton der Überzeugung. Als sich vor drei Jahren eine Vakanz der Obermöhn für 2019/2020 andeutete, wurde sie vom Heimbacher Möhnenvorstand gefragt. Für Nadine Kröll war dies einer der schönsten Momente im Leben.
Für sie war es der Beweis, als Frau nicht nur akzeptiert, sondern anerkannt zu sein. Nicht in Köln oder einer anderen anonymen Großstadt, sondern im Dörfje, wo jeder jeden kennt. Bekannt war Nadine Kröll natürlich schon längst. „Ich bin im Karneval schon immer gern auf Jück gegangen. Besonders gern in Frauenkleidern“, sagt sie. Doch Karneval in der Kneipe feiern oder die Fassenacht zu repräsentieren, sind zwei unterschiedliche Welten. Natürlich überlegte Nadine Kröll nicht lang und gab ihre Zusage. Kurz danach wurde sie in den Möhnenvorstand gewählt. Es folgte jede Menge Arbeit, darunter die Vorbereitungen der Möhnenbälle, Teilnahme am Dorffest und anderen Veranstaltungen und natürlich an den Umzügen. Vor allem aber hatte Nadine Kröll die Obermöhnen im Auge. Schaute genau hin, was das strenge Protokoll verlangt und wie man sich so in Amt und Würden verhält.
Für ihre eigene Regentschaft sind die Kleider bereits angefertigt und sogar der Prunkwagen ist im Wesentlichen schon fertig. Nun feilt Nadine Kröll an ihrem großen Auftritt zur Amtseinführung und verspricht eine Überraschung, die es bis dato noch nicht gegeben hat.
„Mir schlottern jetzt schon die Knie“
„Mir schlottern jetzt schon die Knie“, schmunzelt die designierte Obermöhn. Zur Proklamation wird sie natürlich einen Einblick in ihr Leben gewähren, das so ganz anders verlief als geplant. Gebürtig kommt Nadine Kröll aus Rheinbrohl und feierte hier schon als Kind den Karneval. Norbert gründete eine Familie, bekam zwei Kinder und lebte im Westerwald. Die Ehe ging in die Brüche. 1998 kam Norbert nach Heimbach-Weis und erst hier stellte er fest, dass er sich als Frau wohler fühlen würde. Die Geschlechtsumwandlung, so Nadine Kröll, sei eine der schwersten aber auch richtigsten Entscheidungen in ihrem nicht immer leichten Leben gewesen. Seitdem fühlt sie sich befreit: „Früher hatten die Leute mir nachgesagt, verklemmt zu sein“. Bis aus Norbert rechtskräftig Nadine wurde, war es ein weiter und zeitintensiver Weg. In Kurzform begann der jahrelange Prozess mit dem Aufsuchen eines Psychologen. Danach mussten zwei Gutachter ihre Stellungnahme abgeben. Im Anschluss wurde es spannend, denn das Amtsgericht stellte den Beschluss zunächst nur mit Widerspruchsfrist aus. Aber es gab keinen Widerspruch, und wenige Wochen später freute sich Nadine Kröll über den rechtskräftigen Beschluss. Erst damit konnte sie bei der Krankenkasse die geschlechtsangleichende OP beantragen. Das ist nun schon eine Weile her und Nadine Kröll fühlt sich richtig wohl in ihrer Haut. Wenn sie geschminkt, gestylt und hochhackig unterwegs ist, bemerkt sie die Blicke der Menschen natürlich. Der ein oder andere überlegt wohl. „Manchmal pfeifen die Männer mir nach“, schmunzelt Nadine Kröll. Aber auf Männer steht sie nicht. Negative Erfahrungen oder gar Diskriminierungen hat die 61-Jährige bislang keine gemacht. Eher hat sie viel Respekt für den aufgebrachten Mut geerntet. Nicht nur im Heimbach-Weiser Karneval, sondern auch auf der Arbeit. Nadine Kröll fährt LKW in der Baubranche. Steine wurden ihr in dieser Männerdomäne keine in den Weg gelegt. Nebenbei ist sie auch noch Hausmeisterin in einem Mehrfamilienhaus. Als Frau verfügt Nadine Kröll über eine außerordentlich gute handwerkliche Begabung. In ihrem früheren Leben baute sie am eigenen Häuschen mit. Heute staunen die Männer in der Heimbacher Wagenbauhalle über die erste Obermöhn, die ihren Prunkwagen mit Unterstützung der Möhneriche und Freunden selbst baut. Und zwar von der Idee, über die Statik und letztendlich bis zum Stanniol. Der Prunkwagen steht ganz unter dem Sessionsmotto „Burgfestspiele“. Ein Wortspiel, dass auf die Karnevalshochburg Heimbach-Weis abzielt. FF