Ursula von der Leyen in Montabaur - Skandale in der Bundeswehr standen im Mittelpunkt

Verteidigungsministerinkündigt Befragung aller Soldaten an

Verteidigungsministerin
kündigt Befragung aller Soldaten an

Die Verteidigungsministerin, der Bundestagsabgeordnete und die Stadtbürgermeisterin (von rechts): Ursula von der Leyen, Andreas Nick und Gabi Wieland hörten aufmerksam Oberstleutnant André Wüstner zu, der die Ministerin in Montabaur begrüßte und die sicherheitspolitische Tagung des Bundeswehrverbandes eröffnete. KER

Verteidigungsministerin
kündigt Befragung aller Soldaten an

Ursula von der Leyen kündigte eine schonungslose Aufklärung der Vorgänge um rechtsextreme Strömungen und menschenunwürdige Behandlungen in der Bundeswehr an.

Montabaur. Sicherheit war in zweifacher Hinsicht das Thema bei einer Veranstaltung in der Stadthalle von Montabaur: Der Deutsche Bundeswehrverband hatte Generäle, Offiziere und Bürger zum „Sicherheitspolitischen Forum“ eingeladen. Und es musste die Sicherheit gewährleistet werden für einen der hochkarätigsten Gastteilnehmer, den die Bundesrepublik zu bieten hat, nämlich die deutsche Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen. Umgeben von ihren Sicherheitskräften betrat die Chefin der Streitkräfte durch einen Seiteneingang die Stadthalle. Unter dem Beifall von 400 Tagungsteilnehmern aus der Politik, dem Verteidigungswesen und der Öffentlichkeit wurde sie begrüßt vom heimischen Bundestagsabgeordneten Dr. Andreas Nick, der sich für die Ausrichtung der Veranstaltung in Montabaur stark gemacht hatte. Zu BLICK aktuell sagte er: „Das war eine gemeinsame Initiative des Deutschen Bundeswehrverbands und mir als Wahlkreisabgeordnetem. Es hat ein bisschen geholfen, dass der Präsident des Verbands, André Wüstner, auch hier in Montabaur wohnt. Die Ministerin fand das Konzept sehr gut, dass wir mit diesen sicherheitspolitischen Diskussionen etwas stärker in die Region gehen. Wir haben auch mehrere Schulklassen eingeladen. Wir erleben in den letzten Jahren ein gesteigertes Interesse an Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik.“ Andreas Nick ist in Berlin Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, wo über alle Auslandseinsätze der Bundeswehr im Ausland federführend beraten wird. Ebenfalls zu BLICK aktuell sagte er: „Wir sind mittlerweile in Europa umgeben von Krisenherden, angefangen bei der veränderten russischen Politik bis zum Zusammenbruch von staatlichen Ordnungen im Mittleren Osten und in Nordafrika. Auch die Türkei ist eine schwierige Baustelle. Dazu kommen eine Fülle von neuen Bedrohungen, die nicht mehr in die alten Schemata passen. Das ist eine Art und Weise der terroristischen Bedrohung, bei der äußere und innere Aspekte sehr stark zusammenfließen, also die IS-Anschläge im In- und Ausland. Zusätzlich müssen wir fast eine neue Waffengattung in der Bundeswehr aufbauen, die sich ausschließlich mit IT-Sicherheit beschäftigt. Die Cyber-Security befindet sich geraden im Aufbau. Das ist ein ständiges Thema, das uns noch lange beschäftigen wird und von uns mit hoher Intensität weiter verfolgt wird.“

Auf die Gefahren durch Hacker-Angriffe ging auch die Verteidigungsministerin ein. Mittlerweile könne kein militärisches Fahrzeug und kein Waffensystem mehr bedient werden ohne komplexe und dadurch auch für Angriffe empfindliche Computersysteme. Den Hauptteil ihrer 45-minütigen und fast ausnahmslos frei vorgetragenen Rede widmete Ursula von der Leyen aber den aktuellen Skandalen um rechtsextremistische Umtriebe in der Bundeswehr. Ihre Kritik an den unhaltbaren Zuständen in vielen Einheiten der Bundeswehr leitete sie ein mit einem Lob für die „unendlich vielen Männer und Frauen, die jeden Tag tadellos und anständig ihren Dienst und ihre Arbeit tun, von der man nicht jeden Tag hört, weil sie sie so gut tun. Diese Männer und Frauen verdienen unseren Dank und unsere Anerkennung.“ Für diese Worte bekam die Ministerin einen kräftigen Zwischenapplaus. Sie bedauerte anschließend, dieses Lob nicht ihren ersten kritischen Äußerungen über rechtsextreme Strömungen und menschenunwürdige Ausbildungsmethoden in der Bundeswehr vorangestellt zu haben. Als Beispiele für solches Fehlverhalten nannte die Ministerin Vorgänge in einem Sanitätsregiment, in dem sich Männer und Frauen ausziehen mussten und mit nicht behandschuhter Hand untersucht wurden. Davon seien Foto- und Filmaufnahmen gemacht worden. Beschwerden gegen dieses Vorgehen seien von Vorgesetzten unterdrückt und die Beschwerdeführer als „Nestbeschmutzer“ diskreditiert worden. In anderen Einheiten hätten sich Rekruten in der Ausbildung durch Alkoholgaben an Vorgesetzte von Bestrafungen „freikaufen“ müssen. Die Verteidigungsministerin ließ auch detailliert die Vorgänge um die Bundeswehr-Oberleutnants Franco A. und Maximilian T. Revue passieren, denen die Bundesanwaltschaft vorwirft, eine „schwere staatsgefährdende Gewalttat“ vorbereitet zu haben. Ihr Plan sei es gewesen, als Flüchtling getarnt einen Anschlag auf höchste Repräsentanten des deutschen Staates zu verüben, um auf diese Weise Fremdenhass zu schüren. Bereits 2013 war Franco A. laut Ursula von der Leyen durch eine rassistisch-völkisch-rechtsextreme Masterarbeit bei der Bundeswehr aufgefallen, ohne dass damals durch seine Vorgesetzten die entsprechenden Konsequenzen, nämlich Entlassung aus der Bundeswehr, gezogen worden waren. Bei den dann später verhafteten beiden Bundeswehrangehörigen seien in den Privathäusern Waffen und 1.000 Schuss Munition gefunden worden, die illegal von der Bundeswehr entwendet worden waren. Jetzt sei die Frage zu klären, wie die Innere Führung der Bundeswehr in diesen Punkten so versagen konnte und was man in Zukunft tun könne, um ähnliches zu vermeiden. Die Ministerin kündigte eine breit angelegte Befragung der Bundeswehrangehörigen an, in der diese alle Missstände offenlegen sollen. Auch werde weiter gegen bekannt werdende Vergehen ermittelt. Mit einem Bekenntnis zur NATO und den Verpflichtungen Deutschlands in diesem Bündnis, unter anderem der Notwendigkeit zur Zahlung eines NATO-Beitrags in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts, beendete Ursula von der Leyen ihren mit viel Beifall bedachten Vortrag.

Schüler zeigen großes Interesse

Die Schüler der Oberstufe des Mons-Tabor-Gymnasiums hatten aufmerksam den Worten der Ministerin zugehört. Unter ihnen Qendresa Ahmetaj und Lara Weidenfeller von einem Sozialkunde-Leistungskurs der 11. Klasse. Qendresa sagte zu BLICK aktuell: „Wir behandeln das Thema Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Unterricht und es interessiert uns auch. Wir sind hier aus Montabaur. Und wann hat man schon mal die Chance Ursula von der Leyen zu sehen. Es ist wichtig, weil es auch uns etwas angeht und weil das Thema Sicherheit mittlerweile ziemlich groß geschrieben wird, besonders in einer Zeit wie dieser, wo es viele Probleme und Krisen gibt. Und deswegen ist es auch gut, wenn man sich in unserem Alter informiert.“ Ob sie versuchen würden, ein Autogramm zu bekommen, wussten die Schülerinnen zu Beginn der Veranstaltung noch nicht. Autogramme lässt man sich doch eher von Fußballstars geben? Da denken die Mädchen anders: „Wir glauben, dass die Ministerin von der Leyen mehr leistet als ein Fußballstar!“ Sie sind überzeugt, dass die Sicherheit aktuell ein sehr wichtiges Thema ist. Lara Weidenfeller ergänzt: „Wir sind im Sozialkunde-Leistungskurs und ich finde, da gehört es einfach dazu, dass man sich für solche Themen interessiert, sich informiert und nicht alles einfach an sich vorbeiziehen lässt.“ Die Bundeswehr als Beruf kommt für beide allerdings eher nicht in Frage.