Die Flut legte unter anderem die Reste eines römischen Gutshofs und eines Kampfflugzeugs aus dem 2. Weltkrieg frei

Was die Flut zutage brachte: Außergewöhnliche Funde an der Ahr

Was die Flut zutage brachte: Außergewöhnliche Funde an der Ahr

Bergung von Holzpfählen nahe der einstigen Heppinger Brücke. Foto: Andreas Schmickler

Was die Flut zutage brachte: Außergewöhnliche Funde an der Ahr

Kenntnisreich und spannend sprach Gabriel Heeren beim Turmgespräch im Schloss. Foto: HG

Sinzig. Heftig hat im Juli 2021 die Flut im Ahrtal gewütet und Verluste an Menschenleben, Besitz und Infrastruktur nach sich gezogen. Wiederaufbau und Neugestaltung binden derzeit die Kräfte. Nachgeordnet ergeben sich aus dem Extremhochwasser auch weitere Fragestellungen. So berichtete im Schloss der Archäologe Gabriel Heeren M.A., was die Flut zutage brachte an archäologischen Funden. Es war, um es vorwegzunehmen, ein faszinierender Abend. Damit hatten, dem Andrang nach zu urteilen, offensichtlich viele Gäste gerechnet. Selbst in den angrenzenden Räumen lauschten sie bei geöffneten Saaltüren hochkonzentriert dem mit Karten und Luftaufnahmen illustrierten Vortrag in der Reihe „Turmgespräch“ des Denkmalfördervereins. Sie erfuhren durch Heeren, der seit 2014 Mitarbeiter der Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direktion Landesarchäologie, Außenstelle Koblenz, ist, von sehr unterschiedlich gearteten Funden aus der Römerzeit, Mittelalter, Neuzeit bis in die jüngere Geschichte, bei deren Bergung die Archäologen auf die Hilfe von Ehrenamtlern zählen konnten.

In Fuchshofen machte man eine ganz besondere Entdeckung. Das massive Hauptgebäude eines luxuriösen römischen Gutshofs aus dem 2. bis 3. Jahrhundert kam zum Vorschein. „Die Lage des dortigen Ahrverlaufs sowie des Gebäudes spricht dafür, dass man es in der Römerzeit unmittelbar am Wasserlauf der Ahr errichtete.“ Interessanterweise stellten die Experten fest, die Anlage sei schon damals in römischer Zeit von einer Überschwemmung betroffen gewesen. „Es ist völlig außergewöhnlich, dass man direkt an der Ahr gebaut hat,“ betonte Heeren, da die römerzeitlichen Bauten im Ahrtal typischerweise an erhöhtem Standort oder in anderweitig hochwasserfreier Lage entstanden. Die Fuchshofener Villa jedenfalls habe man, wohl wegen ihrer hochwassergefährdeten Lage, aufgegeben und zehn Meter höher wiedererrichtet.

Archäologie vor einem Rätsel

Flussabwärts „reisend“ erwähnte Heeren für Insul am Prümer Tor zwölf bis fünfzehn Meter lange Mauern in der Ahr, die in der Preußischen Landaufnahme nicht zu erkennen seien. Mit der Analyse stehe man „noch ganz am Anfang“. Für Dümpelfeld erwähnte er große Steinquader in bogenförmigem Fundament. Der Aufbau ähnele dem der Trierer Römerstraßen. Wieder stehe die Archäologie vor einem Rätsel.

Einen „wichtigen Halt“ legte der Wissenschaftler in Hönningen ein, wo von dem schon bekannten Absturz eines Militärflugzeugs am 27. Dezember 1944 zahlreiche Motorteile geborgen wurden. Heeren: „Sie sind derart spezifisch, dass man den Flugzeugtyp bestimmen lassen kann.“ So identifizierten die Experten die Überreste eines deutschen Kampfflugzeuges (Messerschmitt Bf 109) aus dem Zweiten Weltkrieg. Mehr noch, mittels Werk- und Motornummer gelang es, den Piloten Peter Hirschmann zu ermitteln: „Sehr wahrscheinlich war er in einen Luftkampf verwickelt.“ 20-jährig verstarb er beim Absturz in den Ahrwiesen. In der Lage von Absturzstelle im Überschwemmungsgebiet sieht Heeren „ein gemeinsames Mahnmal für Leid und Zerstörung durch Naturereignisse sowie durch menschliches Handeln hervorgerufene Katastrophen“. Nebenbei wies er darauf hin, dass der Kampfmittelräumdienst bei den Aufräumarbeiten nach der Flut an der Ahr über 400 Kilogramm scharfe Weltkriegsmunition geborgen hat.

Mit Blick auf einen römischen Gutshof in Dernau, deutete der Archäologe erneut auf das hochwassersichere Bauen dieser Zeit und konstatierte, „die ganze Ahr entlang ein immer erkennbares Muster: die höhere Besiedlung“. Bei Dernau, Walporzheim und Ahrweiler fand man römische Dachziegelfragmente, die auf ehemalige Siedlungen im Ahrtal verweisen, weiterhin zahlreiche mittelalterliche und neuzeitliche Keramik- und Gefäßfragmente. Sie waren vermutlich bereits bei den Fluten 1804 und 1910 aus den zerstörten Gebäuden herausgeschwemmt und im Ahrsediment abgelagert worden.

Funde frühere Brücken

Das Ahrhochwasser 2021 zerstörte nicht nur 62 Brücken und hinterließ Beschädigungen an 13 weiteren. Es wirbelte auch aus dem Untergrund fortgeschwemmtes Brückenholz vergangener Hochwasser wurde wieder frei. In Ahrweiler, Heppingen und in Sinzig legte die Flut allerhand Pfähle, häufig noch mit dem eisernen Pfahlschuh versehen, frei. Im Turmgespräch ging Heeren mit Dank an den Bauhof besonders auf die mit der höchsten Anzahl an Pfählen gekennzeichnete Sinziger Situation ein. 20 historische Pfähle von verschiedenen Brücken sind dort zwischen dem Standort des Dr. Richard Spessart-Stegs und der heutigen B9-Ahrbrücke gesichert worden.

Diese Eichen- und Fichtenholzstämme weisen teilweise noch eine Länge von bis zu fünf Metern auf. Sie haben einen Durchmesser von rund 40 Zentimetern und tragen größtenteils eiserne Pfahlschuhe, welche der Stabilität des Holzes beim Einrammen durch die Pfahlramme im Kiessediment der Ahr dienen sollten. Ein Teil der zwischen Treibholz und Schutt ausgemachten Pfähle trage identische Pfahlschuhe und lasse sich einem Brückenbauwerk zuweisen, so Heeren. Die Altersbestimmung des Holzes deute darauf hin, dass diese Pfähle im Zeitraum 1824 bis 1844 geschlagen wurden. Sie zeugten von einem bislang unbekannten Brückenbauwerk in Höhe der heutigen Kölner Straße, das zwischen dem Brückenneubau der Franzosen in Holz nach der Flutkatastrophe 1804 und dem dort 1873 errichten Steinbauwerk eine weitere Brückenkonstruktion in Holz ausgeführt wurde. Die Untersuchungen der Funde halten noch an und sollen publiziert werden.