Allgemeine Berichte | 04.02.2022

Ahrtal: Wie erleben traumatisierte Flüchtlinge die Flutkatastrophe?

Wenn es in Deutschland wie im Krieg aussieht

Die Flutschäden erinnern an Zerstörungen aus Kriegsgebieten.  Foto: ROB

Kreis Ahrweiler. Rund drei Viertel der in Deutschland lebenden Flüchtlinge aus den Ländern Syrien, Irak und Afghanistan sind durch Gewalterlebnisse traumatisiert. In den meisten Fällen mehrfach, so eine Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido) von 2018. Etwa 40 bis 50 Prozent der erwachsenen Flüchtlinge entwickelten eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) (Gäbel et al., 2006), welche sich dadurch kennzeichnet, dass Betroffene nach dem Erleben eines Traumas über einen langen Zeitraum gequält werden von sich aufdrängenden Bildern, Alpträumen und/oder Flashbacks. Meist werden sie unerwartet und unkontrolliert mit den Symptomen überflutet. Hinzu kommen eine überhöhte körperliche Erregung und eine Rückzugstendenz bzw. Vermeidungsverhalten. Ohne erfolgreiche Behandlung können die genannten Symptome jederzeit wiederkehren oder schlimmer werden. Ein solcher Wiederanstieg wird auch als Retraumatisierung bezeichnet. Das Furchtstrukturmodell (nach Foa und Kozak, 1986) erklärt diese anhaltend erhöhte Verletzlichkeit. Es beschreibt Furcht als eine Gedächtnisstruktur, welche nach dem Erleben eines traumatischen Ereignisses als Reaktion auf eine massive Bedrohung entsteht. In das Furchtnetzwerk sind neben dem traumatischen Ereignis verschiedene Elemente – wie Gedanken, körperliche Reaktionen (Schwitzen oder auch Herzschlag) und Gefühle (z.B. Ohnmacht und Hilflosigkeit) integriert. Das Furchtnetzwerk umfasst auch Fakten, die mit dem ursprünglichen Trauma nur leicht assoziiert sind, etwa das Parfum eines Gewalttäters. Je mehr Elemente die Furchtstruktur enthält, desto häufiger kann sie durch unterschiedliche Reize aktiviert werden. Vor diesem Hintergrund zeigt sich die extrem hohe Bedrohung der Flutkatastrophe – eine Naturkatastrophe, die für viele Menschen intensive Gefühle von Angst und Unsicherheit ausgelöst hat und von vielen als traumatisierend erlebt wurde. Menschen, die bereits unter einer posttraumatischen Belastungsstörung litten, gilt ein besonderes Augenmerk. Auch wenn die Flut zunächst eine vollkommen andere Situation als das ursprüngliche Trauma darstellt, so ist davon auszugehen, dass viele Anknüpfungspunkte mit der bereits im Gehirn entstandenen Furchtstruktur bestehen. Eine Retraumatisierung ist somit möglich. Caritas-Mitarbeiterin Hannah Knopp vom Fachdienst Migration – Psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge: „In der Psychotherapie mit geflüchteten Menschen, welche die Flutkatastrophe miterlebt haben, konnte ich dies ebenfalls beobachten. Die meisten sind noch dabei, sich von ihrer Traumatisierung zu erholen, sind dabei, sich einen sicheren Aufenthalt zu erkämpfen, ein neues Leben aufzubauen und wurden durch die Flut erneut erschüttert. Ihr Unglück hört nicht auf. Auf einmal sieht es auch hier, in Deutschland, aus wie im Krieg. Auf einmal ist es auch hier nicht mehr sicher. Die Folge - die PTBS Symptomatik spitzte sich bei vielen zu. Alte Bilder und neue Bilder vermischten sich, das Gefühl der Unsicherheit, die körperliche Alarmbereitschaft stieg an, das Rückzugsverhalten wurde wieder mehr.“ Ein Klient, der zwar selbst nicht direkt von der Flut betroffen war, aber auch in Ahrweiler wohnte, verspürte den starken Wunsch beim Aufräumen zu helfen. Doch gleichzeitig löste das alles so starke Empfindungen bei ihm aus, dass er sich aufgrund seines extremen Überforderungserleben zurückzog, statt zu helfen. Menschen, die unter den Symptomen einer PTBS leiden, schützen sich auf ihre Weise. Rückzug und Vermeidungsverhalten sind normale Schutzreaktionen. Es ist eine Art Überlebensmechanismus, um sich keiner weiteren Gefahr auszusetzen und das Trauma nicht ständig wiedererleben zu müssen. Caritasverband Rhein-Mosel-Ahre.V

Die Flutschäden erinnern an Zerstörungen aus Kriegsgebieten. Foto: ROB

Leser-Kommentar
04.02.202217:47 Uhr
Gabriele Friedrich

Also das ist überhaupt kein Vergleich mit dem Krieg. Unsere Häuser haben feste Fundamente, wir haben gute Straßen und *alles ist im Land geregelt, auch die Vesorgung, sei es in ärztlicher oder schulischer Hinsicht.
Wir haben überwiegend die Menschen von überall willkommen geheissen und es ist vielen gelungen sich etwas anzupassen. In der Regel aber kommen alleinstehende, junge und kräftige Männer hier her und sie lernen nicht genug Deutsch, sie haben eine komplett andere Wohnkultur und sie bilden recht früh Gruppen.
Den Menschen hilft auch kein ständiges Mitleid, sondern die brauchen Wissen, Bildung, Arbeit -auch damit sie sich an den Kosten beteiligen = Sozialversicherungspflchtige Arbeit.
Das wir in unserem Land nun eine Jahrhundertflut erlebt haben und die Folgen ja auch tragen, das ist eben Schicksal und sonst nichts. Während in all jenen Ländern die Religionskriege toben und sich die vielen Zweige des Islams gegenseitig alles kaputt machen. Christen machen das nicht.

Bildergalerien
Neueste Artikel-Kommentare

Trauer um Wolfgang Schlagwein

  • K. Schmidt: Wolfgang war einer dieser Grünen, denen man einerseits bei Ideen und Grundhaltung schon deutlich anmerkte zu welcher Partei sie gehören, die gleichzeitig in der Diskussion aber offen, praxisnah/realistisch,...
  • Detlev Koch: Der Tod von Wolfgang Schlagwein hat mich sehr betroffen gemacht. Ich habe ihn während der Zusammenarbeit im Rat der Stadt Bad Neuenahr -Ahrweiler als einen ausgesprochen kompetenten und unglaublich angenehmen Politiker und Menschen wahrgenommen.
  • K. Schmidt: Wenn die SPD von "Mehrheit" spricht, darf die Anmerkung sein: 83,6% haben bei der Bundestagswahl die SPD nicht gewählt. Auf Landesebene werden es nach aktuellen Umfragen ca. 77% nicht tun. Ich persönlich habe es auch schon lange nicht mehr getan.
  • Hans.E: sind eigentlich die Pflastersteine aus China mittlerweile angekommen?
Anzeigensponsoring Herbstbunt o. B.
Daueranzeige "Rund ums Haus"
Anzeigenauftrag #PR106350-2025-0453#
Stellenanzeige
Herbstbunt
Herbstbunt - Anzeige 150 Jahre Schuhhaus Rollmann
Ganze Seite Ahrweiler
Empfohlene Artikel

Kreis Ahrweiler/Brüssel. Mit einer bewegenden Eröffnung wurde am Dienstag im Europäischen Parlament in Brüssel die Ausstellung „Flut – Juli 2021. Eine Katastrophe im Herzen von Europa“ eröffnet. Vier Jahre nach der Katastrophe, die Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Ostbelgien erschütterte, präsentierte die Schau künstlerische Positionen, persönliche Zeugnisse und Erinnerungsarbeiten. Die Präsidentin...

Weiterlesen

Kreuzberg. Die L 76 in der Ortslage Kreuzberg muss vom 22. Oktober bis einschließlich 4. November 2025 für den Verkehr voll gesperrt werden. Grund hierfür sind notwendige Brückenbauarbeiten im Zuge des Aufbaus nach der Flutkatastrophe. Die Umleitung erfolgt von Altenburg kommend über die B 257 durch Brück über Lind, Plittersdorf und Binzenbach, aus der entgegengesetzten Richtung kommend entsprechend umgekehrt.

Weiterlesen

Ahrweiler. Wer an dem Mühlenteich vorbeigeht, mag sich wundern. Der einst quirlige Bach, der durchaus das Stadtbild prägte, ist seit der Flut versiegt. Wie geht es weiter mit dem Gewässer? Vor knapp zwei Jahren wurde bei BLICK aktuell über den Zustand des Mühlenteichs in Ahrweiler berichtet. Die Stadtverwaltung lieferte eine Antwort auf die damalige Anfrage: Seinerzeit hieß es, die freiliegenden Bereiche...

Weiterlesen

Weitere Artikel

Sponsorenlauf in der Bewegungskita St. Marien Kruft

Großer Einsatz für kleine Läufer

Kruft. Am 8. Oktober 2025 stand in der Bewegungskita St. Marien - wo Bewegung täglich eine zentrale Rolle spielt und fest im pädagogischen Konzept verankert ist - das gemeinsame Erleben und Bewegen besonders im Mittelpunkt. Im Rahmen des landesweiten Bewegungsaktionstages Rheinland-Pfalz veranstaltete die Kita von 15:00 bis 17:00 Uhr einen tatkräftigen Sponsorenlauf rund um das Kindergartengelände.

Weiterlesen

Meckenheimer Karneval: Spendenaktion sichert Zukunft des Straßenfests

Traditionelle Spendenaktion für den Karnevalszug

Meckenheim. Der Meckenheimer Straßenkarneval ist lebendig und wird vollständig durch Spenden finanziert. Der Festausschuss Meckenheimer Karneval e.V. (FMK) hat zur Sicherung des Karnevalszugs für die Session 2025/2026 wieder zwei Köttzüge organisiert, um Spenden zu sammeln. Der erste Köttzug beginnt am 15. November 2025 um 14 Uhr an der Wettkampfhalle des Schulzentrums Meckenheim und verläuft östlich der Giermaarstraße in Richtung Neuer Markt und Siebengebirgsring.

Weiterlesen

Bachem. Der Schriftsteller Marco Martin hat sein neues Buch „Nichts ist mehr wie es wAhr“ -Eine kurze Geschichte einer Flutkatastrophe- im Bürgertreff Bachem bei einer Lesung vorgestellt. Ein aufmerksames Publikum im „Wohnzimmer von Bachem“ war begeistert von der Vortragsweise und dem Buchinhalt des gebürtigen Bad Neuenahrers Marco Martin. Nach der Lesung wurde noch diskutiert und erzählt.“Im Juli...

Weiterlesen

Kreishandwerkerschaft
Essen auf Rädern
Dauerauftrag
Daueranzeige
Mitarbeiter für Verkauf/Büro (m/w/d)
Vorabrechnung, Nr. AF2025.000354.0, Oktober 2025
250925 Blick Aktuell MAN 290x210 quer Vallendar KW42 + 43
Anzeigenauftrag #PR106350-2025-0453#
Stellenanzeige
Stellenanzeige
Pflanzenverkauf
TItelanzeige
Ganze Seite Remagen
Anzeigenauftrag #PR106350-2025-0453#
Herbstbunt in Bad Neuenahr-Ahrweiler
Anzeige Herbstfest
Anzeige Tag der offenen Tür