Der Remagener Bürgermeister Björn Ingendahl im Interview

„Wir dürfen jetzt nicht schludern“

„Wir dürfen jetzt nicht schludern“

Björn Ingendahl. Foto: ROB

Remagen. 2020 ist ein besonderes Jahr und die Corona-Pandemie hinterlässt Spuren. Diese machen sich nicht nur im alltäglichen Umgang miteinander bemerkbar: Der Virus hat auch in den kommunalen Kassen Löcher hinterlassen, auch die Wirtschaft – insbesondere der örtliche Einzelhandel vor Ort – hat gelitten. Während in den Anfangswochen der Pandemie die Zukunft ungewiss war, besteht heute die Möglichkeit einen Rückblick auf die bisherigen Auswirkungen zu werfen und die Frage zu stellen: Wie geht es weiter? BLICK aktuell traf sich dazu zum Interview mit dem Remagener Bürgermeister Björn Ingendahl.

BLICK aktuell: Herr Ingendahl, wie geht es Ihnen in dieser besonderen Zeit?

Björn Ingendahl: Sagen wir es so: Ich komme gerade aus dem Urlaub und bin gleich wieder urlaubsreif. (lacht) Es sind sehr herausfordernde Zeiten und es herrscht eine Art von Grundanspannung. Das gerät man ab und zu an seine Kapazitätsgrenzen.

BLICK aktuell: Die Corona-Pandemie hat viele Unternehmen aber auch Verwaltungen kalt erwischt. Wie haben sich im März die Arbeitsabläufe im Rathaus verändert?

Ingendahl: Wir haben schnell reagiert. Innerhalb von 48 Stunden wurden Heimarbeitsplätze eingerichtet. Dadurch konnte etwas ein Drittel der Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten. Bei denjenigen Mitarbeitern, bei denen sich ein Homeoffice-Konzept nicht anbot, haben wir Plexiglasscheiben an den Arbeitsplätzen installiert. Außerdem legten wir frühzeitig großen Wert auf die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln sowie das Tragen von Masken. Mit diesen Maßnahmen konnten wir funktionstüchtig bleiben, aber auch gleichzeitig für mehr Sicherheit bei den Mitarbeitern sorgen und einen Teil der Angst nehmen. Den Mitarbeitern im Rathaus muss in dieser schweren Zeit ein großes Lob ausgesprochen werden. Die vielfältigen Aufgaben wurden wunderbar umgesetzt. Auch innerhalb der kommunalen Politiklandschaft wurde eng, vertrauensvoll und konstruktiv zusammengearbeitet. So ermöglichte es der Stadtrat beispielsweise, Eilentscheidungen über das übliche Maß hinaus zu treffen. Das war in der Höchstphase der Krise enorm wichtig.

BLICK aktuell: Wie sieht es in der kommunalen Kasse aus? Wie groß waren die finanziellen Verluste der Stadt durch Corona bisher?

Ingendahl: Uns fehlen derzeit Mittel in Höhe von 2,8 Millionen Euro, davon zwei Millionen durch den Verlust der Gewerbesteuereinnahmen. Die weiteren 800.000 blieben durch fehlende Einkommenssteuern aus. Die versprochenen Hilfszahlungen sind bisher nicht eingegangen. Das gilt sowohl für Bund als auch Land, von denen jeweils eine Hälfte der ausgefallenen Gewerbesteuer kommen soll. Mittlerweile wäre es uns gar lieber, dass diese Finanzmittel erst 2021 kommen, da wir sie im laufenden Kalenderjahre ohnehin nicht mehr ausgeben können.

Mehr Flexibilität für den Einzelhandel erwünscht

BLICK aktuell: Wie sieht es beim Einzelhandel aus?

Ingendahl: Trotz der großen Herausforderungen musste bisher kein Geschäft coronabedingt aufgeben. Es gab zwar in der Stadt dauerhafte Schließungen, die aber andere strukturelle Gründe hatten. Hier war Corona nur der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Für den Einzelhandel ist es jedoch nachteilig, dass die verkaufsoffenen Sonntage wegbrachen. Denn an solchen Einkaufstagen erwirtschaften viele der Remagener Einzelhändler einen nennenswerten Gewinn, der für das Überleben bedeutsam ist. Durch die abgesagten Veranstaltungen waren auch die verkaufsoffenen Sonntag nicht durchführbar. Da würden wir uns seitens der Stadt mehr Flexibilität wünschen. Dem Einzelhandel sollte hier mehr Freiheit gelassen werden. Es geht den Gewerkschaften ja um Mitarbeiterschutz. Für Einzelunternehmer, die überhaupt keine Mitarbeiter haben, ist das absolut unnötig. Letztendlich entsteht so nur ein Umsatzausfall.

BLICK aktuell: In der Kernstadt und den Stadtteilen unmittelbar am Rhein gibt es eine vitale und vielfältige Gastronomie-Szene. Wie ist hier die Situation?

Ingendahl: Im touristischen Bereich stehen wir zur Zeit recht gut da. Wir verzeichnen ein hohes Aufkommen an Tagestouristen. So sind die Außenbereiche der gastronomischen Betriebe an der Rheinpromenade stets gut besucht. Auch die Fahrradwege unmittelbar am Rhein sind sehr stark frequentiert. Das lässt mich hoffen, dass zumindest ein Teil der coronabedingten Einnahmeausfälle kompensiert werden können.

BLICK aktuell: Manche Kommune hatte sich für das Jahr 2020 ambitionierte Projekte vorgenommen, die nun aufgrund der Corona-Krise auf Eis liegen. Wie sieht es diesbezüglich in Remagen aus?

Ingendahl: Größere und eilige Projekte mussten nicht zwingend verschoben werden. Einige Vorhaben sind aber doch den Einnahmeausfällen zum Opfer gefallen. Dazu wäre als Beispiel die Sanierung des Rathauses zu nennen. Dieses ist dringen renovierungsbedürftig, da zum Beispieldurch die alten Kupferleitungen in den Wänden eine zeitgemäße Kommunikation nicht möglich ist. Gerade in Zeiten von Homeoffice und Videokonferenzen, kann es nicht sein, dass alle sieben Minuten ein Telefonat aufgrund veralteter Technik abreißt. Ein weiteres Großprojekt ist die Idee der Fußgängerbrücke zwischen Remagen und Linz, die jedoch noch in einer frühen Planungsphase ist. Der Zuspruch der Bevölkerung – das hat eine Bürgerbefragung gezeigt – ist jedoch da und somit wird das Projekt auch weiter verfolgt. Des weiteren steht im Herbst die Konzeption neuer Mobilitätskonzepte im Vordergrund. Im Kern wird der Gedanke stehen, wie wir uns in Remagen die Mobilität der nächsten 20 – 30 Jahre vorstellen. Auch hier werden die Interessen der Bürger mit einbezogen.

Landesregierung: Kommunikation ist ausbauwürdig

BLICK aktuell: Kommen wir von der kommunalen Politik zur Landes- und Bundespolitik. Sind Sie als Bürgermeister damit zufrieden wie mit der Krise umgegangen wurde?

Ingendahl: Die Verordnungen der Landesregierung zum Umgang mit Corona waren und sind sinnvoll. Das würde ich auch niemals in Frage stellen. Gerade die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gut reagiert. Hier merkt man die Erfahrung als Krisenmanagerin. Man ging sehr sachlich an die Sache und Merkel konnte ihr Fachwissen als Naturwissenschaftlerin nutzen.

In der Landesregierung sieht das etwas anders aus. Wir hätten uns deutlich mehr und eine frühzeitige Kommunikation gewünscht. Grundsätzlich betrachtet sind wir Kommunen über das Verhalten der Landesregierung etwas „verschnupft“. Das hat die Landesregierung mittlerweile auch vernommen.

BLICK aktuell: Viele Menschen litten in der Zeit des Lockdowns unter den mangelnden Sozialkontakten. Nun öffnet sich die Region wieder für Veranstaltungen. Wie ist der Planungsstand in Remagen?

Ingendahl: In den letzten Monaten hätte in Remagen einiges an Großveranstaltungen angestanden, so zum Beispiel der Lebenskustmarkt. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber uns wurde früh bewusst, dass nur eine Absage dieser großen Events sinnvoll sein kann. Nun geht es langsam wieder los, aber wir dürfen nicht schludern. Die Einhaltung der Coronaverordnung und der AHA-Regel (Anm.: Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) ist sehr wichtig. Das wirkt sich auch auf kommende Veranstaltungen aus. Statt auf alternative Konzepte für bestehende Veranstaltungen zu setzen, möchten wir lieber etwas ganz neues bieten. So wird vom 13. bis 20. März ein Riesenrad am Rheinufer stehen. Dort können die Besucher eine Runde in der Gondel drehen, aber haben auch eine tolle Aussicht. Das gestalten wir als „Stadtführung aus der Luft“. Mittels Audioguide erfahren die Gäste die Hintergründe über markante Bauwerke, die sie unmittelbar sehen. Außerdem wird es ein kulinarischen Programm geben: Das Essen wird gleich in der Gondel serviert.

Das Interview führte Daniel Robbel