Adelhard Kraus macht Dirk Pollerbergs Flügel wieder bespielbar

Zurück in die Welt des Klangs

Zurück in die Welt des Klangs

Sie machen Pollerbergs Flügel bereit für den Abtransport: Bernd Schricker (v. l.), Gerd Schricker, Frank Ewerhardy, Adelhard Kraus und Steven Kochhäuser. Fotos: HG

Zurück in die Welt des Klangs

er Schlitten wird angeschraubt.

Zurück in die Welt des Klangs

Im Trödellager: Adelhard Kraus mit dem Flügel

Bad Breisig. Manchmal passt einfach alles zusammen. Dann gibt es keine Reibungsverluste bei den Planungen, keine Verzögerungen, keinen Ärger bei der Abstimmung. Lag es an der prima Idee, am hinreichend guten Willen der Beteiligten oder daran, dass sie einander wertschätzen und dabei einen miteinschlossen, der nicht mehr da ist? Etwas von allem wird dazu beigetragen haben, den Flügel des im Januar 2018 verstorbenen Bad Breisigers Dirk Pollerberg aus der Stille wieder unter Menschen in die Welt des Klangs zu führen.

„Ein halbes bis ein dreiviertel Jahr nach seinem Tod“, so erinnert sich Trödelhändler Frank Ewerhardy kam das Tasteninstrument bei ihm in die Biergasse unter. Im „schönste Strößje von der Welt“, wie Pollerberg es besungen hat. Denn dort, wo seine Eltern ein paar Häuser aufwärts einen Tabak- und Süßwarenhandel betrieben, war auch der vieltalentierte promovierte Literaturwissenschaftler aufgewachsen. Dass er so musikalisch war, wurde in seiner Heimatstadt besonders beachtet. Als Pianist mit enormem Repertoire bereicherte er die Kultur in Niederbreisig und spielte auch auf der „Schäferhütte“ seines Freundes Werner Schäfer in Oberbreisig. Der Mann mit attestiertem absolutem Gehör komponierte, gab Klavierunterricht, sang im Kirchenchor St. Marien und spielte in der Pfarrkirche die Orgel. Nachdenklich konnte er sein, witzig, nicht nur als Karnevalsprinz, aber auch hitzig.

Dirk war ein Genie

Vom Verbleib des Flügels wusste Leonard Janta. Unter Freunden kam jüngst zur Sprache, wie schön es wäre, dieses Instrument, welches so viele Menschen beglückte, wieder zum Klingen zu bringen. Einer, der das professionell beherrscht, ist Adelhard Kraus aus Weibern. Mehr noch, der Klavierbaumeister im Ruhestand hat aus Liebe zum Beruf und seiner sozialen Einstellung wegen schon mehrfach Klaviere vermittelt und unentgeltlich überholt, damit sie in der Ukraine zu neuem Leben erwachen.

Als er vom Flügel im Trödellager erfuhr, wollte er zur Wiedererweckung beitragen. „Der Dirk war ein Genie mit all seinen Fähigkeiten“, so Kraus. „Aber er hat das nicht genug zur Geltung bringen können“. Denn Geschäftssinn war ihm fremd. Ein „aggressiver Spieler“ sei Pollerberg gewesen. Der Klavierbauer muss es wissen, mehrfach stimmte er ihm den Flügel. „Da waren schon mal mehrere Seiten gerissen“. Janta kennt auch die Anfänge: „1971 bekam Dirk den Flügel Marke Weiss zum Abitur. Andere Kameraden erhielten ein Auto, er aber, wegen seiner Sehschwäche und seiner musikalischen Begabung, das Instrument.“ Wohl mehr als 10.000 D-Mark blätterten die Eltern dafür hin.

50 Jahre später legen Freunde Pollerbergs und der Musik spontan zusammen um Ewerhardys Unkosten für die Unterbringung des Instruments zu begleichen. So ziehen sein Freund Leonhard Janta und Uschi Röcke, die im gleichen Studentenwohnheim wie Pollerberg wohnte, mit, ebenso der Apotheker Andreas Windscheif, die Künstlerin Irene Eigenbrodt aus Kripp, früher Musiklehrerin und ihr Sohn Florian Hertweck, Architekturprofessor in Luxembourg.

Instrument umzingelt

Vor der Restaurierung muss das Instrument - mit sechs bis sieben Zentnern kein Leichtgewicht - erst einmal aus dem prall gefüllten Lager. Umzingelt von Möbeln, darunter ein Blumenständer aus der Nierentisch-Ära, Puppenwagen und Geschirr aus vielerlei Haushalten steht es da, zudem bedeckt von Kronleuchtern. Kraus gewinnt als Helfer Bernd Schricker, Präsidiumsmitglied und Beauftragter der Auslandshilfe des DRK-Kreisverbands Ahrweiler und DRK-Mitarbeiter Gerd Schricker. Geschickt rangieren diese den Rot-Kreuz-Transporter aus der engen Biergasse durch die Toreinfahrt des einstigen Schultheißenhofes. Kraus und die Schrickers haben gemeinsam bereits etliche Musikinstrumente zugunsten von Hilfslieferungen nach Osteuropa verladen.

Für den Flügel fertigte Kraus vorab eigens einen Transport-Schlitten. Auf seine knappen Regieanweisungen hören am Tatort die Männer, zu denen noch Steven Kochhäuser, „die rechte Hand von Franky“, hinzustößt. Flügeldeckel und „Lyra“, die Pedalkonstruktion, werden demontiert, gefolgt von der Schlittenbefestigung mit zwei Dübeln an der geraden Flügelseite.

Vorab werden Flügeldeckel und „Lyra“ (Pedalkonstruktion) demontiert und danach alle drei Flügelfüße abgeschraubt. Dann aber wuchten sie mit vereinten Kräften gleichzeitig das Instrument hochkant auf den Schlitten. Einmal muss es in dieser Position noch angehoben werden, um ihm ein Rollbrett unterzuschieben. Geschafft. Aufatmen. Nach ein paar Metern geht es über die hydraulische Rampe ins Innere des Transporters.

Generalüberholung

für neues Leben

Frank Ewerhardy reicht zwei Kartons Noten „aus der Klavierbank“ hinterher. „Bank-Noten“ scherzt einer der Umstehenden. „Wenn es läuft, wie geplant“, so Bernd Schricker, „geht das Instrument in diesem Juli oder Oktober per Hilfstransport ins ukrainische Luts’k, Hauptstadt des Oblast Wolhynien“. Zwei Sattelschlepper voller zumeist medizinischer Hilfsgüter sind für das ärmste Land Europas bestimmt. Das heißt gut 1600 Kilometer Hinfahrt, Stunden Warten an der Grenze, Anfahren von Kliniken, Waisenhäusern, Schulen. Die Kreis-DRK kooperiert vor Ort mit dem Ukrainischen Roten Kreuz, das alle Waren nach Bestimmungsort registriert.

Seit 2003 unternimmt der DRK Kreisverband Ahrweiler eigenständig vorbereitete Hilfsgütertransporte nach Weißrussland, in die Ukraine, seit 2010 nach Bosnien, seit 2016 nach Albanien. In den Zielländern arbeitet er eng mit den dortigen Rotkreuzorganisationen zusammen. In Bosnien beliefert er zudem in direkter Abspreche eine gemeinnützige Tagesstätte für geistig Behinderte in Bihac und das städtische Krankenhaus Bihac. Gesammelt werden in den Zentrallagern Kempenich und Ahrbrück Hilfsgüter von Firmen, Kliniken, Arztpraxen, Vereinen, Institutionen und Privatleuten. Die Sachspenden müssen noch brauchbar und funktionstüchtig sein. Infos hat Werner Borchert, Tel: 02641 97 80 15, borchert(at)kv-ahrweiler.drk.de.

Klavierbauer Adelhard Kraus setzt zur Generalüberholung an. Er hat sich viel vorgenommen, will „den Flügel komplett reinigen, die akustische Anlage und Mechanik instand setzen, defekte und fehlende Saiten ersetzen, den Flügel einregulieren, ihn stimmen und den Korpus aufarbeiten“. Viele junge Hände könnten daran lernen richtig in die Tasten zu greifen und ungezählten Ohren vermag er dann Musikgenuss zu eröffnen. Zuletzt macht der engagierte Instrumenteversteher Pollerbergs Flügel transportfähig und wünscht ihm „Gute Fahrt“.