Kreis hatte zum Auftakt der Inforeihe zum Gewässerwiederherstellungskonzept der Ahr eingeladen

Auch die Ahr selbst braucht ein neues Zuhause

Auch die Ahr selbst braucht ein neues Zuhause

Fast 200 Zuhörer waren zum Start der Inforeihe zum Gewässerwiederherstellungskonzept der Ahr gekommen. Foto:BL

Sinzig. Fast 200 Besucher waren in den Sinziger Helenensaal gekommen. Die Kreisverwaltung Ahrweiler hatte zum Auftakt ihrer Informationsreihe zum Gewässerwiederherstellungskonzept der Ahr eingeladen. Bei den immensen Schäden, die die Flutkatastrophen Juli 2021 im gesamten Ahrtal angerichtet hat, wird eines oft vergessen oder verdrängt: auch die Ahr selbst braucht ein neues Zuhause und ein neues Bett. Denn vom einstigen Flussverlauf ist im gesamten Tal so gut wie nichts übrig geblieben. Ufer, Böschungen, Querbauten, Strömungslenker und Wehre wurden komplett weggerissen oder zerstört. Die Ahr selbst hat sich mit dem Rekordhochwasser aber auch der gesamten Vegetation an ihren Ufern entledigt. Vom ursprünglichen und beschattenden Bewuchs aus Bäumen und Sträuchern steht so gut nichts mehr.

Doch wie soll das neue Zuhause der Ahr aussehen. Denn das Gewässerwiederherstellungskonzept ist nicht nur ein hochkomplexes Themenfeld, sondern gleicht auch etwas der Quadratur des Kreises. Denn durch den Sicherheitsbedürfnissen der Menschen im Tal soll ebenso Rechnung getragen werden, wie den Belangen des Naturschutzes und der Ökologie. Der gesamte Flussabschnitt wurde in fünf Teilbereiche gegliedert die jeweils von einem eigenen Ingenieurbüro intensiv analysiert und bewertet worden. Mit der Informationsreihe zäumte die Kreisverwaltung das Pferd sozusagen von hinten auf und begann mit dem Mündungsbereich der Ahr auf einem 6,2 km langen Flussabschnitt bei Sinzig.

Vorab hatte Landrätin Cornelia Weigand die Besucher in Sinzig im Helenensaal begrüßt und bemühte sich ebenso wie die zuständige Geschäftsbereichsleiterin Anja Toeneßen, um eine Einordnung in die Gesamtzusammenhänge. Dabei wurde schnell deutlich, dass es nicht darum gehe die Ahr wieder so wie vor der Flut aufzubauen. Um Missverständnissen vorzubeugen: das Gewässerwiederherstellungskonzept ist auch kein fertiges Hochwasserschutzkonzept. „Wir wünschen uns alle schnelle Lösungen, aber das Thema ist sehr komplex“, hatte die Landrätin noch einmal klargestellt. Und um einem weiteren Missverständnis vorzubeugen, der Kreis Ahrweiler ist nicht alleine beteiligt, denn das gesamte Einzugsgebiet der Ahr erstreckt sich über vier Landkreise und zwei Bundesländer (NRW und Rheinland-Pfalz). Eines der großen Ziele ist es auch die Ahr selbst hochwassersicherer zu gestalten. Das Gewässerwiederherstellungskonzept soll dabei auch nur als ein Teil weit umfangreichere Planungen für den Fluss und sein Tal verstanden werden.

Auf der 6,2 km langen Strecke in Sinzig gibt es dabei zwei Besonderheiten. Der allerletzte Abschnitt der Ahr liegt im Naturschutzgebiet bis zur Mündung und der direkte Abschnitt der Rheinmündung wurde von den Wasserbauern gar nicht untersucht, weil die freie Entfaltung des Flusses ja eben genau ein Teil der Naturschutzverordnung ist.

Planer vor Ort ist der Bad Bodendorfer Ingenieur Stefan Porz mit seinem Büro. Der Mann genießt an der Ahr sozusagen Heimvorteil und kennt den Fluss und sein Umfeld von Kindesbeinen an. Und Porz sah einen entscheidenden Vorteil: „Es gab bisher keine großen Baumaßnahmen und damit auch keine Sünden“, so einfach brachte er auf den Punkt, dass längst nicht alle spontanen Baggerarbeiten an der Mittelahr oder an der Oberahr wirklich produktiv und nützlich waren. Porz machte auch klar, dass die Ahr an ihren Ufern wieder Bäume und Büsche braucht auch um das Gewässer im Sommer zu beschatten und ökologische Fehlentwicklungen, bei zu hohen Wassertemperaturen zu verhindern.

Porz erläuterte wie konkret und komplex sein Büro nach einheitlichen Vorgaben für die gesamte Ahr die einzelnen Daten ermittelt habe. Im Flussverlauf Sinzig sind dabei zwei große Sicherungsmaßnahmen nötig. Zum einen muss hinter dem Ehlinger Kopf, wo die Ahr viel Raum und auch den kompletten Ahrradweg weggespült hat ein Damm gebaut werden, um das Bad Bodendorfer Kurviertel zu sichern. Gesichert werden muss auch der Steilhang gegenüber dem Schwanenteich, denn direkt oberhalb verläuft die Burggrafenstraße und existiert Bebauung. Während beim Dammbau wohl die Kiesmassen genutzt werden können die die Ahr selbst angeschwemmt hat, wird für den Steilhang am Schwanenteich wohl schweres Steinmaterial angefahren werden müssen. Die Ahr hat sich im gesamten Tal oft sehr viel mehr Raum genommen, aber auch ihr Bett oft sehr tief eingegraben oder durch Sedimentablagerungen fast schon selber Dämme gebaut, die ihre Fließgeschwindigkeit reduzieren. Direkt an der Gemarkungsgrenze zu Bad Neuenahr und auch vor den Brückenbauwerken in Sinzig werden in dieser Hinsicht in Sachen Niedrigwasser Rinnen gebaggert werden müssen. Bei der Brücke an der Kölner Straße wurde durch massive Steinschüttungen die Grundvoraussetzung für eine Sanierung der Brückenpfeiler geschaffen. Die schweren Baumaschinen für den Neubau der B9-Brücke nur wenige 100 Meter flussabwärts brauchten ebenfalls Platz und massiv Aufschüttungen. Diese Maßnahmen sollen komplett zurückgebaut werden; gleichfalls braucht es neue Strömungslenker und Fischtreppen und die Fließgeschwindigkeit reduzierende und regelnde Rampen im gesamten Flussverlauf. Auf den 6,2 km Flusslänge in Sinzig soll insgesamt 49 Maßnahmen kurzfristig bis mittelfristig umgesetzt werden. Dies reicht von massiven Sicherung und Baggerarbeiten bis hin zum abschließenden Aufräumen in einigen Bereichen.

Zwei Dinge wurden beim Start zur Inforeihe deutlich. Erstens es wird wohl noch Jahre dauern, bis alle Maßnahme des Gebieter Gewässerwiederherstellungskonzeptes überhaupt umgesetzt sind und noch viel weiter dürfte der Weg zu einem kompletten Hochwasserschutzkonzept sein. Und zweitens bei allen Maßnahmen und Arbeiten wird es letztlich wohl nur darum gehen, die Folgen einer Flutkatastrophe abzumildern und die Vorwarnzeiten zu verbessern. Ein 100-jähriges Hochwasserereignis wie im Juli 2021, bei dem die Ahr rund 491 m³ Wasser pro Sekunde zu Tal fördert, ist wohl letztlich nicht zu beherrschen und zu kontrollieren. Wer genau zuhörte, konnte diese Erkenntnis immer wieder aus dem Fachvortrag und den einleitenden Begrüßungsworten herausfiltern.