Interview mit Andreas Biebricher - stellvertretender Fraktions- und Parteivorsitzender der CDU Koblenz

Das Thema „Burkiniverbot“ sorgte für äußerst heftige und emotionale Diskussionen

Das Thema „Burkiniverbot“ sorgte für äußerst heftige und emotionale Diskussionen

Die Änderung der Badeordnung um das Burkiniverbot wurde mit einer knappen Mehrheit im Koblenzer Stadtrat beschlossen. Copyright: Fotolia

Das Thema „Burkiniverbot“ sorgte für äußerst heftige und emotionale Diskussionen

Andreas Biebricher.privat

Koblenz. Das Thema „Burkiniverbot“ hat in den letzten Wochen in Koblenz für äußerst heftige und emotionale Diskussionen gesorgt. Eine knappe Mehrheit des Stadtrates, bestehend aus CDU, Freie Wähler und AfD hat durch die Änderung der städtischen Badeordnung, das Tragen von Burkinis in Koblenzer Schwimmbädern untersagt. „BLICK aktuell“ hat darüber mit dem stellvertretenden Fraktions- und Parteivorsitzenden der CDU Koblenz, Andreas Biebricher, gesprochen.

BLICK aktuell: Herr Biebricher, haben Sie eine solch heftige Reaktion und wochenlange Diskussionen erwartet?

Andreas Biebricher: Eigentlich schon. Wir wissen doch, dass es hier natürlich nicht in erster Linie um fünf Frauen geht, die nach Aussage des Oberbürgermeisters im letzten Jahr mit Burkinis in Koblenzer Schwimmbädern waren. Vielmehr steht der Burkini als Symbol im Vordergrund. Die eigentliche Frage ist doch, ob wir weiterhin vor dem politischen Islam zurückweichen oder ob wir unser Wertesystem und unsere Freiheitliche Demokratische Grundordnung verteidigen. CDU und Freie Wähler haben durch ihren Antrag deutlich gemacht, dass sie hier bewusst eine Grenze ziehen wollen. Genauso war es zu erwarten, dass die Verfechter schrankenloser Toleranz laut aufschreien werden. Nur wie dann von einigen diskutiert wurde, ist schon beschämend. In unserer Demokratie ist es völlig in Ordnung, ja sogar wünschenswert, sich hart in der Sache auseinanderzusetzen. Die Mehrheit des Koblenzer Stadtrats aber als „Nazi-Dreckspack“, rassistisch und auch antisemitisch zu beschimpfen, ist nicht nur völlig absurd und unanständig, sondern auch strafrechtlich relevant. Die Fraktionen der CDU und der Freien Wähler haben den Oberbürgermeister, der als Vorsitzender den Stadtrat nach außen vertritt, aufgefordert, sich gegen diese maßlosen Diskreditierungen schützend vor das von den Bürgerinnen und Bürgern demokratisch gewählte Gremium zu stellen.

Es ging unter anderem darum, „übliche Badekleidung“ zu definieren

BLICK aktuell: Sie haben die Stichworte „Politischer Islam“, „Wertesystem“ und „Freiheitliche Demokratische Grundordnung“ als eigentliche Triebfeder ihrer Entscheidung genannt. Warum findet sich nichts davon in der Badeordnung. Warum wurde die Entscheidung von CDU und Freien Wählern in ihrem Antrag durch vorgebrachte hygienische Bedenken in Schwimmbädern – Stichwort: anstoßerregende Krankheiten, offene Wunden und Hautausschläge – begründet und damit auch der Burkini untersagt. Die mediale Diskussion, die ja bundesweit geführt wurde, fußt ja fast ausschließlich hierauf. Haben sie ihre weltanschaulichen Beweggründe nicht hinreichend deutlich gemacht?

Andreas Biebricher: Diese hygienischen Bedenken und die von ihnen genannten Beispiele stammen überhaupt nicht von uns. Sie waren bereits Teil der alten Badeordnung und sind auch Teil des von der Verwaltung vorgelegten neuen Entwurfs. Bei der Neufassung der Badeordnung ging es unter anderem darum, „übliche Badekleidung“ zu definieren. Diese Definition wurde von der Verwaltung in ihrer Beschlussvorlage nicht vorgenommen. Vielmehr sollte die Verantwortung auf das Badpersonal vor Ort übertragen werden. Dies konnten wir überhaupt nicht mittragen. Wir sind der Meinung, dass man die Verantwortung nicht einfach abschieben darf und die erlaubte Badekleidung auch nicht davon abhängen kann, wer gerade Dienst tut. Der Stadtrat muss sich hier positionieren und Verantwortung übernehmen. Daher fühlten wir uns verpflichtet, als Rat selbst festzulegen, was „üblich“ ist. Stephan Wefelscheid von den Freien Wählern hat ausführlich begründet, welche Festlegungen wir getroffen haben und warum. Mein Kollege Rudolf Kalenberg, der für unsere Fraktion im Stadtrat zu diesem Antrag gesprochen hat, hat aber auch ganz deutlich gesagt, dass es uns neben der Definition von üblicher Badekleidung auch um Wertefragen ging. Weltanschauliche Argumente kann man aber nicht in eine Badeordnung schreiben, auch wenn Sie bei der Entscheidung darüber stark mitschwingen. Zur medialen Diskussion: Leider haben Teile der in der Ratssitzung anwesenden Vertreter der Medien unsere gesellschaftspolitischen Argumente in der Berichterstattung ausgeblendet und uns auch danach keine Gelegenheit gegeben, z.B. in Leserbriefen die weltanschaulichen Argumente in die Diskussion einzubringen. Die von ihnen angesprochenen, bundesweiten Zeitungen haben dann mit nur zwei Ausnahmen diese eingeschränkte Berichterstattung einfach übernommen, ohne zu recherchieren oder bei uns nachzufragen. Manchmal hat man dann, ohne den Sachverhalt genau zu kennen, einfach mal Zwischenüberschriften wie „Rassistischer Unterton“ gesetzt. Ich halte das für sehr bedenklich.

„Es geht hierbei nicht um ein Stück Stoff“

BLICK aktuell: Was hat denn nun das Tragen eines Burkinis genau mit unserem Wertesystem zu tun?

Andreas Biebricher: Sehr viel, denn es geht hierbei nicht um ein Stück Stoff, sondern um die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft. Für mich ist das eine der Schlüsselfragen für eine gelingende Integration. Die Stellung der Frau bei Migranten aus patriarchalisch geprägten Herkunftsländern ist ein sehr wichtiger Indikator dafür, ob unsere Werte akzeptiert werden. Es geht darum, ob man wirklich ankommen will in unserer Gesellschaft. In Deutschland sind Frauen und Männer gleichberechtigt. Das ist ein Grundrecht! Sie sind gleich viel wert und sie genießen dieselben Rechte. Und diese Gleichberechtigung gilt hier für alle – egal woher man kommt. Darauf darf es weder einen kulturellen noch einen religiösen Rabatt geben. Frauen müssen selbst entscheiden können, ob sie arbeiten, wo sie arbeiten, ob sie heiraten, wen sie heiraten, wie sie leben und natürlich auch, wie sie sich kleiden. Und Männer haben diese Entscheidungen von Frauen zu akzeptieren, genauso wie Sie Frauen als Vorgesetzte und Autoritätspersonen akzeptieren müssen. Für all dies haben ganz viele Frauen sehr lange und hart gekämpft. Ich halte es für unsere Pflicht, diese Errungenschaften zu verteidigen und sie nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Auch nicht durch falsche und schrankenlose Toleranz, die gut gemeint sein mag, aber oft das Gegenteil erreicht. Daher brauchen Frauen, die in patriarchalisch geprägten Familien aufwachsen und nicht selbstbestimmt und gleichwertig ihr Leben in Deutschland leben dürfen, die sich von Männern verordneten Kleiderordnungen bis hin zur Vollverschleierung und Unkenntlichmachung beugen müssen, unsere Solidarität. Es hat überhaupt nichts mit kultureller Vielfalt zu tun, wenn Väter oder Brüder glauben, vom Kleidungsstil oder der Sexualität der Tochter oder Schwester hänge die Familienehre ab, während sie selbst mit kurzer Badehose ins Schwimmbad gehen. Dies sehen übrigens viele aufgeklärte Muslime genauso. Von dieser Seite haben wir auch Zuspruch bekommen – gerade von Frauen, die unseren freiheitlichen Lebensstil schätzen und nicht in Zeiten zurückgeworfen werden wollen, die sie hinter sich zu haben glaubten. Wir wenden uns ja auch selbstverständlich nicht gegen den Islam, sondern ausschließlich gegen einen politischen oder fundamentalistischen Islam.

BLICK aktuell: Was ist aber mit den Frauen, die aus religiöser Überzeugung einen Burkini tragen wollen und nun vom Schwimmen ausgeschlossen sind?

Andreas Biebricher: Erst einmal glaube ich nicht, dass überhaupt feststellbar ist, wie viele Muslima wirklich aus religiöser Überzeugung einen Burkini tragen. Ich bin davon überzeugt, dass die Frauen, die dies doch tun, in der Regel nicht durch die Religion, sondern durch die Prägung in ihrem sozialen Umfeld so beeinflusst wurden, dass sie Verhüllungsgebote gar nicht erst hinterfragen. Es wird aber natürlich so gut wie nie genau zu eruieren sein, ob sich eine Frau wirklich aus freien Stücken verhüllt oder ob doch von anderen Druck ausgeübt wird. Daher kann man den Frauen, die dazu gezwungen werden, nur mit einem generellen Verbot helfen. Aber selbst, wenn das Tragen eines Burkinis völlig freiwillig erfolgt, halte ich es für ein Zeichen fehlenden Integrationswillens. Eine Vorschrift, sich als Frau zu verhüllen, ist keineswegs klar aus dem Koran ableitbar und ist daher weniger als religiöse, sondern als stark weltanschaulich geprägte gesellschaftliche Auflage zu verstehen, die aber nicht mit unseren Wertvorstellungen kompatibel ist. Aus diesem Grund ist die Verschleierung in einigen, einen aufgeklärten Islam praktizierenden muslimischen Ländern, verboten.

BLICK aktuell: Neoprenanzüge sind in der Bäderverordnung für Leistungsschwimmer und Triathleten im Rahmen des Trainings zugelassen. Könnte es ähnliche, zeitlich begrenzte, Ausnahmen auch für Burkinis geben, im Schwimmunterricht zum Beispiel?

Andreas Biebricher: Dies ist ja genau so Bestandteil der geänderten Badeordnung. Da wir an die Schulordnung des Landes gebunden sind und es sich beim Schwimmunterricht um eine schulische Pflichtveranstaltung handelt, müssen Burkinis im Schulsport für Muslimas erlaubt sein.

BLICK aktuell: Noch einmal zur heftigen Kritik an ihrem Beschluss. Den Fraktionen von CDU und Freien Wählern wurde oft vorgeworfen auf ein AfD-Thema aufgesprungen zu sein. Zudem wirft man ihnen vor, gemeinsam mit der AfD gestimmt zu haben. Die Grünen haben von einer schwarz-braunen Badeordnung und einem Rechtsruck gesprochen.

Andreas Biebricher: Das Thema kam nicht von der AfD, sondern von der Verwaltung. Sie hatte eine Änderung der Badeordnung vorgelegt, in der das Tragen von Burkinis im Gegensatz zur vorherigen Fassung explizit erlaubt wurde. Danach hat sie die von mir dargelegte Version vorgelegt, in der die Verantwortung auf das Badpersonal übertragen werden sollte. Außerdem: Seit wann ist das Thema Gleichberechtigung ein AfD-Thema? Diese Partei ist doch im Frauenbild der 50er Jahre steckengeblieben. Und zur gemeinsamen Abstimmung kann ich nur sagen: Die CDU-Fraktion hat sich zu diesem Thema, wie es auch sonst bei uns üblich ist, in ausführlichen Diskussionen eine Meinung gebildet. Und dies völlig unabhängig davon, was andere politische Kräfte dazu meinen. Sollen wir unsere Entscheidungen allein nach der Meinung der AfD ausrichten und bei Übereinstimmungen aus Prinzip für das Gegenteil stimmen? Das wäre lächerlich und würde dieser Partei viel mehr Bedeutung beimessen als sie verdient. Wir haben die AfD weder aufgefordert, unserem Antrag beizutreten, noch ihm zuzustimmen. Davon abgesehen werden mehr als 85 Prozent der Ratsbeschlüsse einstimmig gefasst, also mit den Stimmen der AfD. Dazu habe ich bisher noch keine Kritik gehört. Die Vorwürfe der Grünen sind völlig absurd und unverschämt. Sie maßen sich an, alleine zu definieren, was richtig ist, was man sagen darf und was nicht, kurz: was politisch und moralisch korrekt ist. Andersdenkende werden in die Ecke gestellt und stigmatisiert. Das ist intolerant und undemokratisch.

Das Gespräch führte Alexander Paul.