Wolfgang Bosbach im BLICK

„Die Schließung der Gastronomie war nicht notwendig“

„Die Schließung der Gastronomie war nicht notwendig“

Wolfgang Bosbach.

„Die Schließung der Gastronomie war nicht notwendig“

Hermann Krupp.

Wenn der Name Wolfgang Bosbach fällt, kommen den Bürgern vor allem zwei Assoziationen in den Sinn: Bundespolitisches Urgestein und gelegentlicher Kritiker – auch von Kanzlerin Angela Merkel. Gerade beim letzten Punkt fiel der Fraktionsvize der CDU-Bundestagsfraktion und langjährige Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags durch direkte Worte und eine klare Meinung auf. Gerade bei der Unterstützung Griechenlands während der Eurokrise stellte er sich gegen die Bundesregierung. Dass Bosbachs Verhältnis zu Merkel aber alles andere als schlecht sei, stellte er nun im Redaktionsgespräch mit Hermann Krupp, Chefredakteur von BLICK aktuell und Geschäftsführer des Krupp Verlags, klar. Jetzt ist Bosbach im politischen Ruhestand und beendete im Oktober 2017 seine Arbeit im Bundestag. Von wirklicher Ruhe kann jedoch keine Rede sein: Als genauer Beobachter des aktuellen Politgeschehens mit scharfer Zunge ist Wolfgang Bosbach ein bundesweit gern gesehener Gast. So auch im Krupp Medienzentrum in Sinzig. Dort schilderte Bosbach unter anderem seine Ansichten über die staatlichen Schutzmaßnahmen in der Corona Pandemie , die Situation der deutschen Wirtschaft und dem Rennen um den Parteivorsitz in der CDU.

Das Wichtigste zuerst: Wolfgang Bosbach geht es gut. Der 68jährige Politiker leidet an einer nicht heilbaren Krebserkrankung, mit der er in Medien recht offen umgeht. Die Krankheit bremst den vitalen Christdemokraten nicht aus, auch nicht im Ruhestand. Deshalb möchte Hermann Krupp wissen: „Womit verbringen Sie jetzt am liebsten ihre neugewonnene Freizeit?“. Wolfgang Bosbach befände sich eher im „Unruhestand“. Auch nach wie vor ist er ein gern gesehener Gast in politischen Kreisen. Jetzt habe allerdings der Corona-Virus einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Viele Veranstaltungen fielen verständlicherweise gerade aus und „jetzt habe ich eigentlich viel zu viel Zeit“, wie Bosbach mit einem Schmunzeln betont.

„Was waren ihre wichtigsten politischen Erfahrungen und größten Erfolge?“, möchte Krupp als nächstes wissen. Generell attestierte Wolfgang Bosbach seiner aktiven Zeit mehr positive als negative Aspekte. „Ich habe eine Vielzahl interessanter Menschen kennenlernen dürfen“, blickt er zurück. Als größten und zugleich berührenden Moment bezeichnet er seine erfolgreiche Arbeit in der NS-Entschädigungskommission gemeinsam mit dem FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff. Zwangsarbeiter des Naziregimes konnten durch erfolgreiche Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschlands mit Vertretern der Wirtschaft einerseits den Hauptherkunftsländern der Opfer andererseits, mit einer Summe in Milliardenhöhe entschädigt werden. Die Verhandlungen, die in Berlin, Washington und Warschau stattfanden, haben sich also mehr als gelohnt. „Die Dankbarkeit der Betroffenen war groß und rührend“, erinnert sich Bosbach. „Viele hatten ja über 55 Jahre nach Ende des Krieges erstmal eine Entschädigung erhalten“.

Beeindruckend war für ihn auch seine Begegnung mit Papst Johannes Paul II. Das ehemalige Oberhaupt der katholischen Kirche lernte Bosbach jedoch nicht im Rahmen seiner politischen Arbeit kennen – sondern bei einem Besuch im Petersdom in Rom. „Nach dem Besuch einer Papstmesse bin ich etwas länger im Petersdom geblieben und höre plötzlich hinter mir eine sonore Stimme sagen: Ich höre, Sie kommen aus Deutschland. Ich drehe mich um und hinter mir stand der Heilige Vater, Papst Johannes Paul II“, blickt Bosbach zurück.

„Seiner Meinung treu bleiben, aber nicht quer treiben“

Bosbach gilt als Mensch, der ausspricht was er denkt. Auch als Politiker und auch, wenn er damit manchmal aneckte. Ein „Quertreiber“ wollte er aber nie sein. Vielmehr habe er den Anspruch gehegt, sich und seiner Meinung stets treu zu sein. Dies sei schließlich im Sinne der Wähler. Laut Bosbach agierte aber nicht jeder seine Kollegen so. „Es ist kein schönes Gefühl, wenn man von Kolleginnen und Kollegen vor und nach einer Fraktionssitzung unterstützt wird - nur in der Sitzung selber nicht“, sagt er. Kritik um der Kritik willen habe Bosbach jedoch nie geäußert. Schließlich „falle es nicht leicht, gegen die Regierung zu sein.“ Und - „Wer immer nur „nein“ sagt – aus welchem Grund auch immer – wird irgendwann unglaubwürdig“. Dennoch war Bosbach mit seinen Kollegen nicht immer einer Meinung, dies gilt auch für die Bundeskanzlerin. Mit Angela Merkel verbindet Bosbach jedoch ein lange, entspannte und respektvolle Beziehung. Er schätze sie sehr, besonders für ihre Bodenständigkeit und ihren Fleiß.

Corona: Deutschland hat sehr viel richtig gemacht – aber nicht alles

Die Corona-Pandemie hat Deutschland im Griff. Hermann Krupp fragt: „Wie beurteilen sie die Lage in Deutschland?“. Zunächst möchte der Christdemokrat Bosbach die Zuständigkeiten klären. Wenn es um die Bewältigung der Pandemie geht, schauen die Bürger meist auf die Bundesregierung. Vielmehr seien jedoch die 16 Bundesländer und die 400 Gesundheitsämter in Deutschland in der Verantwortung. Dennoch attestierte Bosbach der Bundesregierung eine sehr gute Arbeit in der Krise. Gerade im Vergleich zu den Nachbarländern in Europa habe man viel mehr richtig gemacht.

In einem Punkt bleibt Bosbach dennoch kritisch. Bei den aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen hinterfragt Wolfgang Bosbach jedoch den reellen Nutzen. „Die Schließung der Gastronomie war nicht notwendig“, ist er sich sicher. „Es kann nicht sein, dass die Gastronomen alle Auflagen erfüllen, langfristig umsetzen und dann gesagt bekommen: Ab sofort muss der Betrieb geschlossen werden“, fasst er zusammen. Selbstverständlich sei die Enttäuschung in dieser Branche nun sehr groß, so Bosbach. „Es gibt Unternehmer, die stehen vor dem Abgrund“, mahnt er. „Völlig fehl am Platze seien Sprüche wie „ Tja, das ist halt unternehmerisches Risiko“ vor allem von denen, die in der Krise gute Geschäfte machen.

Wirtschaft: Der Dank gebührt China

„Wie ist Deutschland derzeit wirtschaftlich von der Pandemie betroffen?“, fragt Krupp. Wolfgang Bosbach betont in dieser Hinsicht die massive Bedeutung von China als wichtiger Handelspartner. „Sie können ja mal am Hamburger Hafen die Container zählen, die nach China schippern, da werden Sie nicht fertig“, so Bosbach über die Dimensionen. Denn der chinesische Markt ist gigantisch und davon habe auch Deutschland gerade immens profitiert. Auch der Online-Handel boome. Der wirtschaftliche Einbruch sei dennoch erheblich. Der habe schließlich auch einen massiven Rückgang an Steuereinnahmen zur Folge. „Die seriöse Haushaltspolitik der letzten Jahre, Stichwort „Schwarze Null“, hilft uns jetzt die notwendigen finanziellen Mittel zu mobilisieren, um die Folgen der Krise abzumildern,“ so Bosbach. Vieles würde jetzt, auch ökonomisch, davon abhängen, wann wirksame Impfstoffe auf dem Markt seien, und ob diese langfristig die erhoffte Wirkung hätten.

Sollte dies der Fall sein, könne es ab Frühjahr 2021 wieder bergauf gehen und bereits 2022 könne die deutsche Wirtschaft auf Vorkrisenniveau stehen. Und: Trotz gewaltiger staatlicher Leistungen sei die Schuldenquote des Bundes, Stand heute, niedriger als nach der Krise 2008/2009. Damals kam man auch schnell wieder zurück in den Bereich des wirtschaftlichen Wachstums. Bosbach fügt hinzu: „Viele sehen das Wort mittlerweile kritisch und übersehen dabei, dass der Sozialstaat nicht immer weiter ausgebaut werden kann, wenn wir hierfür nicht mehr die nötige Wirtschaftskraft haben“.

„Wer die Wahl gewinnen möchte, muss präsent sein“

Mit Spannung schaut Deutschland auf das Rennen um den CDU-Vorsitz. Denn im Normalfall tritt der neue Vorsitzende auch als Kanzlerkandidat an. So war es zumindest in der Vergangenheit öfters der Fall. „Automatisch läuft das aber nicht ab“ mutmaßt Bosbach. „Denn zum einen muss sich die CDU in dieser Frage immer mit der CSU einigen und zum anderen ist es immer noch möglich, dass Ministerpräsident Söder sich doch noch die Tür nach Berlin einen Spalt breit offen lässt“. Allerdings sei das eher unwahrscheinlich, da für die CSU traditionell die Landtagswahl in Bayern wichtiger sei als eine Bundestagswahl und mit Söder habe man die besten Chancen in Bayern.

Für Friedrich Merz und Armin Laschet sind seine Einschätzungen sehr unterschiedlich. „Merz hat die meisten Fans an der Basis, Laschet eher beim Parteiestablishment“, sagt Bosbach. Er persönlich würde Merz wählen, mit dem er viele Jahre gut zusammengearbeitet habe, aber auf dem Parteitag sei wohl eher Laschet der Favorit. Wahlen sind nicht nur in der Parteispitze angesetzt. Auch in Rheinland-Pfalz wird im März 2021 ein neuer Landtag gewählt. Der Kandidat der CDU heißt hier Christian Baldauf. „Welche Tipps haben Sie für den Bewerber um das Amt des Ministerpräsidenten“, möchte Hermann Krupp wissen. Bosbach stellt fest: „Aus der Ferne sollte man ungefragt keine Ratschläge geben, aber Christian Baldauf kenne ich schon lange und schätze ihn als Mensch und Politiker sehr. Wenn Christian mich bitten sollte stehe ich ihm innenpolitisch gerne mit Rat und Tat zur Seite.“

Und in puncto Wahlkampf meinte der CDU-Veteran nur trocken: „Plakate, Flyer, Onlinepräsenz - alles wichtig. Aber am wichtigsten ist der persönliche Kontakt zu den Menschen“. Er habe sich bei Rückflügen aus Berlin immer gewundert, wenn Kollegen gestöhnt hätten „Puh, am Wochenende muss ich wieder auf drei Karnevalssitzungen.“ Er sei immer gerne vor Ort gewesen, „mitten im Trubel“ wie er betont. „Wer für ein politisches Amt kandidiert, der möchte doch auch gewählt werden, oder? Und dann muss ich auch wissen, was die Menschen denken, was sie von der Politik erwarten. Also: ran an die Leut‘!“, lautet Bosbachs Ratschlag zum Schluss.

Text/Fotos: ROB