Gemeinderat Grafschaft verabschiedete den Haushalt 2020

Einer der besten Etatsseit Bestehen der Gemeinde

Einer der besten Etats
seit Bestehen der Gemeinde

Das Haribo-Verwaltungsgebäude.Foto: Archiv Volker Jost

Einer der besten Etats
seit Bestehen der Gemeinde

Wappen der Gemeinde Grafschaft.Quelle: Volker Jost

Von unserem Mitarbeiter Volker Jost

Grafschaft. Einen der besten Haushalte seit Bestehen der Gemeinde Grafschaft verabschiedete der Grafschafter Gemeinderat einstimmig in seiner jüngsten Sitzung. Bei einem Gesamtvolumen von 33,2 Millionen Euro im Ergebnishaushalt weist das Zahlenwerk einen Überschuss in Höhe von gut 1,2 Millionen Euro aus, die Freie Finanzspitze im Finanzhaushalt beträgt sogar 1,5 Millionen Euro. Und das bei einer enormen Investitionssumme von insgesamt 8,3 Millionen Euro, wofür Kredite in Höhe von 2,6 Millionen Euro aufgenommen werden müssen. Zugleich werden allerdings auch 1,1 Millionen Euro an alten Investitionskrediten getätigt, berichtete Bürgermeister Achim Juchem (CDU) dem Gremium in seiner jüngsten Sitzung.

Haushaltslage

auch für die Zukunft rosig

Auch für die Zukunft sehe die Haushaltslage rosig aus. Im vergangenen Jahr hatte die Freie Finanzspitze aufgrund eines Sondereffektes durch die Betriebsaufnahme von Haribo im Innovationspark Rheinland knapp 6,2 Millionen Euro betragen. 2019 beläuft sich dieser Betrag auf 1,3 Millionen, steigt 2020 und 2021 auf jeweils 1,5 Millionen, liegt 2022 bei knapp einer Million Euro und 2023 bei knapp 1,1 Millionen Euro. Der Schuldenstand der Kommune steigt dennoch im Jahr 2020 auf 27,39 Millionen Euro, was einer Pro-Kopf-Verschuldung von 2.460 Euro entspricht, der Landesdurchschnitt liegt bei 3.100 Euro.

Viele erfolgreiche Unternehmen im Innovationspark

Vor allem die Gewerbesteuer entwickelt sich erfreulich und wird für 2020 sehr konservativ mit 15 Millionen Euro angesetzt. Vor allem die Entwicklung im Innovationspark Rheinland habe zu Mehreinnahmen von zehn Millionen Euro gegenüber 2017 geführt, insgesamt hätten sich somit in nur zwei Jahren die Gewerbesteuereinnahmen verdreifacht. Neben dem größten Brocken Haribo haben sich dort mittlerweile noch weitere erfolgreiche Unternehmen wie Frutania, der Bike-Discount oder der Motorrad-Zulieferer Wunderlich niedergelassen. Angesichts von mehr als 16 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen in diesem Jahr soll der Ansatz ab 2021 auf 16 Millionen Euro erhöht werden.

Derzeit macht die Gewerbesteuer mit 45,5 Prozent fast die Hälfte der Grafschafter Einnahmen aus. Auf der Ausgabenseite machen der Personalaufwand etwa ein Drittel und die Kreisumlage ein weiteres knappes Drittel aus. So stieg allein Letztere von zuletzt gut fünf auf jetzt 11 bis 12 Millionen Euro. „Davon profitieren letztlich alle Kommunen im Kreis und auch der Kreis selbst“, so Juchem.

Und besonders die Kreisstadt kann sich über die Großzügigkeit der Grafschafter Kommunalpolitiker freuen, denn sie stellen für den Bau des Hallenfreizeitbades TWIN einen Zuschuss von 1,2 Millionen Euro bereit, verteilt auf mehrere Jahre. Im Gegenzug will man gemeinsam mit der Kreisstadt überregionale Maßnahme beim Hochwasserschutz vorantreiben.

Nicht im

Schaukelstuhl bequem machen

Die Haushaltsreden der Fraktionschefs fielen einmal mehr äußerst knapp aus, nachdem man im vergangenen Jahr ganz darauf verzichtet hatte. CDU-Fraktionsvorsitzender Klaus Huse etwa strich kurzerhand die Hälfte seines vierseitigen Redeentwurfs und war nach von Bürgermeister Juchem handgestoppten fünf Minuten schon fertig. Huse zitierte aus einem Interview, das Juchem Anfang Oktober gegeben hatte, wonach rund 80 Prozent der Grafschafter mit der Entwicklung ihrer Gemeinde zufrieden seien.

Dabei habe keine Kommune im Kreis eine so entscheidende Wandlung durchlebt wie die Grafschaft, die mittlerweile als „Haribo-City“, Boom-Gemeinde und Vorzeigekommune bekannt sei. „Spricht man über die Grafschaft, gerät so mancher ins Schwärmen“, wusste Huse. „Doch wer nun der Auffassung ist, wir könnten es uns im Schaukelstuhl bequem machen und den Dingen ihren Lauf lassen, der irrt sich.“ Die Gemeinde habe noch viele Maßnahmen zu stemmen, die einen hohen Finanzierungseinsatz erforderten und letztlich allen Bürgern zu Gute kämen. „Was wir vor der Wahl versprechen, halten wir nach der Wahl auch ein.“

Doch zum Nulltarif sei das nicht zu haben. Man könne nicht auf der einen Seite sagen, man wolle keine weitere Ausweisung von Gewerbegebietsflächen mehr unter dem Stichwort „Landfraß“, keine Versiegelung mehr für weitere Ansiedlungen oder den Bau von Umgehungsstraßen oder neuen Baugebieten. „Die Entwicklung von einer armen zu einer finanziell leistungsfähigen Gemeinde hat enorme Investitionsmittel verschlungen, die natürlich zu einer hohen Verschuldung geführt haben. Und sie wird durch die anstehenden Maßnahmen noch zunehmen“, sagte Huse voraus. Der „Landfraß“ von gerade einmal 90 Hektar reiner Gewerbefläche fülle das Gemeindesäckel mittlerweile mit fast 16 Millionen Euro.

Landwirtschaft und

Einkaufszentrum waren Thema

Dennoch dürfe man die Landwirtschaft nicht vergessen. „Dabei hilft es wenig, wenn die Landwirte uns immer wieder vorwerfen, wir wären durch unsere Landinanspruchnahme für die Misere in der Landwirtschaft verantwortlich.“ Anstatt sich gegenseitig Vorwürfe zu machen, solle man gemeinsam über die Entwicklungschancen der Landwirtschaft reden, die CDU biete jedenfalls den Landwirten in der Grafschaft einen Dialog an, um ihre Argumente zu hören und in die Entscheidungen einzubeziehen.

Auch zu einem anderen kontroversen Thema bezog er Position: „Wir sollten das geplante Einkaufszentrum am Innovationspark eher als Chance sehen und nicht so sehr als Entscheidung gegen die Menschen, die im Umfeld des heutigen Rewe-Marktes leben.“

„Wir müssen aufpassen,

dass wir nicht überdrehen“

SPD-Fraktionsvorsitzender Hubert Münch bedauerte, dass der Antrag seiner Fraktion, sowohl die Grundsteuer wie auch die Gewerbesteuer deutlich zu senken, von der Mehrheit des Rates abgelehnt worden war. „Wir sind erfolgreich, deshalb ist es sehr bedauerlich, dass wir nicht bereit sind, die Bürger am Erfolg zu beteiligen.“

Er halte es für eine fatale Entscheidung, dass der Rat nicht bereit sei, den Bürgern etwas zurückzugeben. „Wir haben einen guten Haushalt, so gut wie noch nie, und auch die Perspektiven für die nächsten Jahre sind sehr gut und bieten weitere Chancen“, wusste er. Dennoch könne man nicht alles machen, was man sich vielleicht wünsche, und vor allem dürfe man sich nicht auf einen Automatismus bei der Gewerbesteuer verlassen. Zumal die Gemeinde ohnehin künftig wohl alle Investitionen selbst zahlen müsse.

„Wir drehen ein großes Rad – vielleicht manchmal zu groß – und müssen aufpassen, dass wir nicht überdrehen“, war er sich nicht sicher, ob die Gemeinde sich nicht bei einigen Dingen übernehme. Die weitere Ausweisung von Gewerbegebieten sei jedenfalls keine Lösung, denn sie gehe zulasten der Lebensqualität der Bürger und der Unversehrtheit der Landschaft. Manchmal sei weniger mehr, und es sei besser, auf ungehemmtes Wachstum zu verzichten. „Wir wollen keine wirtschaftlich gesunde Gemeinde, in der keiner mehr wohnen will.“

Auf dem grünen Zweig

„Unser Haushalt ist bärenstark, und der Zweig, auf dem wir sitzen, ist nicht nur grün, sondern er führt nach oben“, freute sich Hartmut Wüst (FDP). Eine sehr spannende Zeit machte Grünen-Fraktionschef Mathias Heeb aus. „Vor einigen Jahren hätten wir viele Dinge, die wir heute um uns anfangen können, noch nicht einmal erträumt.“ Er dankte allen Fraktionen dafür, dass man gemeinsam in vielen Bereichen lösungsorientiert gearbeitet und sinnvolle Entscheidungen getroffen habe. Hinzu komme, dass mittlerweile die Grafschafter Bürger das Verlangen hätten, mitzureden und mitzugestalten, dies muss man unterstützen.

„Die Zahlen sind das eine“, wusste FWG-Fraktionschef Lothar Barth. Doch die komfortable Situation könne dazu verleiten, den Beschluss über den Haufen zu werfen, die Gemeinde maßvoll weiterzuentwickeln und auch einmal innezuhalten. Jedenfalls dürfe es keine Salamitaktik mehr geben wie in den vergangenen Jahren, sondern es müsse ein umfassendes Gemeindeentwicklungskonzept erstellt werden.