Wie wahrscheinlich ist der Klimanotstand für Städte in Rheinland-Pfalz?

„Es ist fünf vor zwölf“

„Es ist fünf vor zwölf“

Kann der Klimanotstand auch Koblenz treffen? Copyright: ©Markus Volk - stock.adobe.com

Mainz/Koblenz. Das Thema „Klimaschutz“ hat unbestreitbar die Europawahl 2019 mitbestimmt. Die Sorge darum, wie wir mit unserem Handeln, die Folgen für das Klima nachhaltig zum Positiven beeinflussen können hat sich in den Wahlergebnissen auf europäischer und kommunaler Ebene niedergespiegelt. Klimabewusste Wählerinnen und Wähler haben den Grünen zum Sieg verholfen.

Welche hohe Bedeutung das Klima für uns erreicht hat, wird dadurch deutlich, dass im Mai diesen Jahres die erste deutsche Stadt (Konstanz) auf Initiative der Bewegung „Fridays for Future“ den Klimanotstand ausgerufen hat. Weitere Städte wie Münster, Telgte oder Drensteinfurt haben sich im Mai ebenso dazu entschlossen, den Klimanotstand für ihre Städte zu verhängen. Bis dato trifft dieser Umstand ausschließlich Städte aus Nachbarbundesländern von Rheinland-Pfalz. BLICK aktuell hat beim rheinland-pfälzischen Umweltministerium nachgefragt, wie kritisch die Lage hier bei uns derzeit ist.

„Beim Thema Klimaschutz ist es fünf vor zwölf. Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Rheinland-Pfalz bereits deutlich spürbar. Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen ist die Jahresdurchschnittstemperatur hier um 1,6 Grad auf 9,6 Grad Celsius gestiegen. Klar ist: Klimaschutz muss auf allen Ebenen ambitioniert und konsequent umgesetzt werden – dazu brauchen wir dringend wirksame Rahmenbedingungen der Bundesregierung statt Verhinderungspolitik sowie verstärkte Unterstützung der EU. Anstatt nun endlich tatkräftig zu handeln, bremst die Bundesregierung Klimaschutz aus, sei es beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, beim schleppenden Kohleausstieg oder bei der halbherzigen Diskussion über ein Bundesklimaschutzgesetz und eine CO2-Bepreisung“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Fakt ist, dass aktuell noch keine Stadt in Rheinland-Pfalz den Klimanotstand ausgerufen hat.

Klimanotstand - Was bedeutet das?

BLICK aktuell: Welche rechtlichen Verbindlichkeiten ergeben sich mit einer etwaigen Erklärung für die Stadt?

Umweltministerium: Grundsätzlich ergeben sich keine rechtlichen Verbindlichkeiten, da der „Klimanotstand“ kein rechtlich definierter Begriff ist, aus dem sich Rechtsfolgen für die Kommunen oder andere Ebenen ergeben würden (wie das beispielsweise auf der Grundlage eines Klimaschutzgesetzes möglich wäre oder aufgrund rechtlicher Regelungen zum Katastrophenschutz). Wenn eine Kommune den „Klimanotstand“ in kommunalen Entscheidungsgremien beschließt, so kann sie jedoch eine Selbstbindungspflicht innerhalb der Kommunalverwaltung ableiten und bestimmte Klimaschutzpflichten definieren bzw. beim Verwaltungshandeln vorgeben. So gesehen, können natürlich Verbindlichkeiten entstehen. Zum Beispiel die Aufforderung, einen Klimaschutzplan zu erarbeiten und umzusetzen.

BLICK aktuell: Wie effektiv schätzt man einen solchen Beschluss in Bezug auf die tatsächlichen Auswirkungen für das Klima vor Ort?

Umweltministerium: Tatsächliche Auswirkungen vor Ort werden dann erreicht, wenn einer solchen „Notstandserklärung“ auch kommunale Klimaschutzaktivitäten folgen. Zum Beispiel auf der Grundlage von Stadtratsbeschlüssen, die für die kommunale Verwaltung bindend sind und wenn sich zudem die Dynamik von Klimaschutzaktivitäten vor Ort erhöht. Die Ausrufung eines Klimanotstandes ist aber keine Voraussetzung dafür. Denn kommunale Klimaschutzaktivitäten können in vielfältiger Weise erfolgen. Dazu existieren bereits heute zahlreiche Möglichkeiten und Förderprogramme. Die Ausrufung eines „Klimanotstandes“ kann jedoch durchaus zur notwendigen stärkeren Verbindlichkeit und Umsetzung konkreter Maßnahmen führen – innerhalb der Kommune aber auch gegenüber darüber befindlichen politischen Ebenen, um mehr für den Klimaschutz im Sinne der Pariser Beschlüsse zu tun.

BLICK aktuell: Klimaschützer fordern seit Längerem dazu auf, den Klimanotstand für ganz Deutschland auszurufen. Wie ist die Haltung des Umweltministeriums zu einer solchen Forderung in Bezug auf das Bundesland Rheinland-Pfalz?

Umweltministerium: In Rheinland-Pfalz haben wir die Weichen zur Klimaneutralität bis 2050 bereits gestellt: Wir verfügen über ein Klimaschutzgesetz, ein Klimaschutzkonzept – welches sich aktuell in der Umsetzung und Fortschreibung befindet – sowie eine Landesenergieagentur, die auf kommunaler Ebene im Sinne des Klimaschutzes tätig ist. Zudem haben wir die Beratung durch die Verbraucherzentrale. Damit hat Rheinland-Pfalz in Verbindung mit den kommunalen Förderaktivitäten des Bundes (NKI, Kommunalrichtlinie), gute Voraussetzungen für den kommunalen und landesbezogenen Klimaschutz geschaffen. Was wir dringend brauchen, sind gute und ambitionierte Rahmenbedingungen für die Energiewende und den Klimaschutz von Seiten der Bundesregierung. Sinnvoll kann es etwa sein, den Klimaschutz und auch damit zusammenhängend die Verantwortung für den Öffentlichen Personen-Nahverkehr zur Kommunalen Pflichtaufgabe zu machen.

Wie wahrscheinlich ist eine Verhängung für Koblenz?

Die Luftmessstation in der Hohenfelder Straße in Koblenz hat im Jahr 2018 einen Jahresmittelwert von Stickdoffdioxid (NO2) von 42 µg/m3 gemessen. Die EU-Grenzwerte gelten danach als überschritten. Die Belastungen durch Schadstoffe in der Luft sind aber durchaus nur einer von vielen Indikatoren, die Rückschlüsse auf eine klimafreundliche oder -schädliche Politik zulassen. Einen Klimanotstand für die Rhein-Mosel-Stadt auszurufen ist für die Stadt keine Lösung. Auf Anfrage ließ ein Sprecher der Stadt schriftlich mitteilen: „Der „Klimanotstand“ wurde inzwischen in mehreren deutschen Städten ausgerufen. Im Minimalfall ist dieser „Klimanotstand“ einfach eine Resolution, dass alles für den Klimaschutz und für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel getan werden soll, ohne dies bislang mit Inhalten zu füttern.“ Es wird auf einen Stadtratsbeschluss vom 28. März verwiesen: „Der Stadtrat bekennt sich einstimmig zu den Pariser Klimaschutzzielen (Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad oder wenigstens deutlich unter zwei Grad). Er wird alle Anstrengungen unternehmen und Entscheidungen danach ausrichten, im eigenen Wirkbereich die Treibhausgase so zu reduzieren, dass die sich ergebenden Sektor- und Zwischenziele eingehalten werden.“

Weiter heißt es seitens der Stadt Koblenz, dass die aus dem Beschluss abzuleitenden Maßnahmen aktuell erarbeitet werden.

Ob sich eine Stadt wie Koblenz nun dazu entscheidet, den „Klimanotstand“ auszurufen oder eben nicht, muss für das politische Handeln vor Ort keineswegs zwingend ausschlaggebend sein. Wichtig ist jedoch, dass sich alle handelnden Personen einig sind, dass der Klimaschutz in Rheinland-Pfalz ein nicht zu unterschätzender Faktor ist. Selbst wenn aktuell noch keine Erkenntnisse oder Beurkundungen über die Erwägung eines zu verhängenden Klimanotstandes innerhalb des Bundeslandes vorliegen, sollte dies nicht zum Anlass genommen werden das Thema leichtfertig bei Seite zu legen. Das Umweltministerium hat es treffenderweise formuliert: „Es ist fünf vor zwölf“. CF