Online-Petition an das Mainzer Innenministerium geht an den Start
Gestank: Neuwieder fühlen sich von SGD im Stich gelassen
Neuwied. Neu ist der bestialische Gestank aus dem Distelfeld nicht. So schlimm wie in diesem heißen Sommer war es aber noch nie. Bürger klagen über Übelkeit und wachen vom Gestank in der Nacht auf. Auf einer Bürgerversammlung am Sonntagmorgen gab es keinen Zweifel, wer der Verursacher ist. Während kein Neuwieder an dem Abfallverwerter als Urheber zweifelt, fehlt es der SGD Nord an Beweisen. Bei Kontrollen hat die verantwortliche Behörde an lediglich drei Tagen Gerüche feststellen können. Folglich fehlt es ihr an der Handhabe. Auf die sprichwörtliche Palme bringt es die Neuwieder, dass die SGD Nord auch andere Verursacher für den Gestank nicht ausschließt. Als „Unverschämtheit“ bezeichnete es der Engerser Ortsvorsteher und Landwirt Dieter Neckenig, dass die SGD Nord in diesem Zusammenhang die Landwirtschaft ins Gespräch gebracht hat und erklärt: „Wir haben in Neuwied gar keinen Gülle produzierenden Betrieb“. Die Neuwieder fühlen sich von der Kontroll- und Aufsichtsfunktion der SGD im Stich gelassen. Schärfer formulierte es Martin Hahn mit „bewusster Unterlassung oder grober Fahrlässigkeit“. Deshalb startet in dieser Woche eine Online-Petition. Damit möchten die Neuwieder sich direkt an das der SGD vorgesetzte Mainzer Innenministerium wenden. Oberbürgermeister Jan Einig berichtete, schon Anfang 2017 mit dem damaligen Oberbürgermeister Nikolaus Roth bei Suez gewesen zu sein. Seinerzeit wurde zugesagt, dass Prozesse verändert werden, was tatsächlich Besserung mit sich brachte. Jetzt allerdings stellte Jan Einig fest, sei es schlimmer als je zuvor. Rund siebzig Bürger/innen waren der Einladung der CDU ins Vereinsheim der Heddesdorfer Bürger gefolgt, darunter auch Menschen aus Urmitz. Erstmalig sei der Gestank in diesem Jahr auf der anderen Rheinseite angekommen. Viel näher dran sind die Heddesdorfer. „Mehrmals sind wir um fünf Uhr morgens vom Gestank wach geworden“, klagte eine Anwohnerin. Selbst in Engers ist der Gestank in diesem Jahr angekommen. Josef Kretzer brachte die jährlich 75.000 Übernachtungen in Neuwied ins Gespräch. Ob die Erholung suchenden Touristen noch einmal unter einer „stinkenden Dunstglocke“ urlauben möchten, denkt er eher nicht. Neben den Neuwieder Bürgern und den Touristen brachte Martin Hahn die Gruppe der Beschäftigten und Unternehmer im Gewerbegebiet zur Sprache. Er sieht gar den Wirtschaftsstandort Neuwied in Gefahr.
Kinder verweigern das Essen
Besonders schlimm ist der Stadtteil Block, Luftlinie nur wenige hundert Meter vom mutmaßlichen Verursacher entfernt, von dem bestialischen Gestank betroffen. Eine Sprecherin des Kindergartens berichtete, dass die Kinder mittags das Essen verweigern. Im Freien spielen gehe ebenfalls nur an Tagen, an denen es mal nicht stinkt. Astrid Lücke, berichtete dass ihre Sportgruppe, die die Kita Räumlichkeiten in den Abendstunden bislang nutzte, davon mittlerweile Abstand nimmt. Landrat Achim Hallerbach, als jahrelanger Chef der Neuwieder Abfallwirtschaft sozusagen Müll-Experte, berichtete von Gesprächen mit Suez. Zu Beginn des Jahres habe er Kontakt zum Werksleiter gehabt. Geholfen habe das nicht. Achim Hallerbach erinnerte daran, dass auch die kreiseigene Deponie in Linkenbach Probleme mit Gestank hatte. 11 Mio. Euro habe der Kreis Neuwied in modernste Technik investiert. Seitdem gebe es keine Klagen mehr. Die Betriebsstätte in Neuwied hingegen stamme aus den 1990er Jahren. Gesetzlich vorgeschriebene Veränderungen hätten hier sicher auch stattgefunden, berichtete Jan Einig. Gemeinsam mit Landrat Achim Hallerbach wird der Neuwieder Stadtchef in den nächsten Tagen mit der SGD Nord Gespräche führen.
Neuwieder Umweltschutz erwägt Klage
Norbert Faltin vom Verein Neuwieder Umweltschutz erinnerte daran, dass die SGD Nord das Biomasseheizkraftwerk in Heddesdorf zwar genehmigt hatte, die Bürger aber auf dem Klageweg dennoch eine Verbesserung in Sache Sauberkeit vor Gericht erstritten. Seitdem muss der Betreiber die Immissionen veröffentlichen und im Fall von Überschreitung Strafzahlungen akzeptieren. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir bereit sind, jetzt Klage gegen den Entsorgungsbetrieb einzureichen“, so Norbert Faltin. Die Vorlage hatte Rechtsanwalt Marc Roos gegeben. Aus Sicht des Experten verspräche ein zivilrechtlicher Prozess den schnellsten Erfolg. Die bisherigen Indizien müssten dann in Beweise umgedreht werden. In diesem Verfahren wird dann auch geklärt, ob der mutmaßliche Verursacher sich an die Auflagen hält, beispielsweise hinsichtlich der Müllmenge. Günter Marth berichte, dass dem Betreiber 2010 erlaubt wurde, die Masse um dreißig 30 Prozent zu erhöhen.
Er berichtete weiter, dass die Anlage ursprünglich in einem gemischten Gewerbe- und Industriegebiet nur dann genehmigt wird, wenn keine Gerüche davon ausgehen. Genehmigt sind dem Betreiber formal Geruchsemmissionen an 10 Prozent der Betriebsstunden. Darüber, dass dieses Maß bei weitem überschritten wird, waren sich alle Besucher einig. „Wir fordern Suez daher auf, die Technik aus den 1990er Jahren auf den aktuellen Stand zu bringen“, formulierte Martin Hahn. Er erinnerte an die gelbe Karten Aktion des Abfallunternehmens, die in Konsequenz die Nichtentleerung der Mülltonnen zur Folge hatte. „Suez muss damit rechnen, dass wir nun genauso scharf mit ihnen umgehen“, kündigte Martin Hahn an.
FF