Stadtrat verabschiedet Grundsätze und Leitlinien zum Klimaschutz

Globale Klimakrise eindämmen undVerantwortung für das Wohl künftiger Generationen übernehmen

Kreisstadt. Beinahe einstimmig beschloss der Stadtrat der Kreisstadt jetzt Grundsätze, Leitlinien und Maßnahmen zum Klimaschutz, zur Anpassung an die Klimawandelfolgen und zum klimafreundlichen Wiederaufbau nach der Flut. Lediglich Martin Kallweitt (AfD) stimmte dagegen, ebenso wie zum von allen anderen Ratsmitgliedern unterstützten Beitritt zum Kommunalen Klimapakt Rheinland-Pfalz. Bei der Flutkatastrophe sei das gesamte Ahrtal direkt mit den Auswirkungen der Klimakrise konfrontiert worden, entgegnete Bürgermeister Guido Orthen (CDU). Die Kreisstadt leiste mit Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Klimawandelfolgen einen Beitrag zur Eindämmung einer globalen Klimakrise und übernehme Verantwortung für das Wohl jetziger und künftiger Generationen.

Die Stadt bekenne sich als durch die Flutkatastrophe im Juli 2021 am stärksten betroffene Kommune zum kommunalen Klimaschutz und zur kommunalen Anpassung an die Klimawandelfolgen sowie zu einem klimafreundlichen (Wieder-)Aufbau nach der Flutkatastrophe, heißt es in der Präambel des Grundsatzbeschlusses. „Ziel ist es, als resiliente und klimafreundliche Stadt aus der Flutkatastrophe hervorzugehen.“ Dafür sollen künftig drei allgemeine Grundsätze gelten. Zum einen betrachte die Stadt den kommunalen Klimaschutz und die kommunale Anpassung an die Klimawandelfolgen als dauerhafte Querschnittsaufgabe. Deshalb werde das Klimaschutzmanagement nachhaltig personell ausgestattet und zwar mit mindestens vier vollen Stellen in den Bereichen Klimaschutz, Mobilität, Energie und Klimaanpassung. Außerdem werde der (Wieder-)Aufbau als ganzheitliches Projekt verstanden, bei dem Klimaschutz und Klimafolgenanpassung besondere Berücksichtigung finden müssten.

Schon seit vielen Jahren

klimabewusst und nachhaltig

Orthen machte darauf aufmerksam, dass die Stadt schon seit vielen Jahren klimabewusst und nachhaltig denke. Mit Gründung der Ahrtal-Werke im Jahr 2010 habe die Stadt den ersten Grundstein für den städtischen Klimaschutz gelegt. Ziel war die Unabhängigkeit von großen, marktbeherrschenden Energiekonzernen, verbunden mit dem Einstieg in eine dezentrale, umweltschonende Energieversorgung bei zeitgleicher Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge. Bereits 2014 habe der Stadtrat dann ein Integriertes Klimaschutzkonzept beschlossen und in der Folge eine Stelle für das Klimaschutzmanagement geschaffen, die 2017 erstmalig besetzt worden sei. Um die Bedeutung des Klimaschutzes in der Kreisstadt weiter zu betonen, sei man 2018 dem europaweiten „Netzwerk Klima-Bündnis“ beigetreten.

Weil vor allem im Gebäudesektor durch Versiegelung und Emissionen durch den Betrieb große Auswirkungen auf Klima und Natur zu verzeichnen seien, habe der Rat im Juni 2021 einen Grundsatzbeschluss für eine einheitliche Regelung ökologischen und klimaangepassten Bauens verabschiedet. Im Januar 2022 folgte die Satzung zur Begrünung von baulichen Anlagen, auch vor dem Hintergrund, solche Leitplanken bei nun anstehenden Bauvorhaben zu setzen und grundsätzlich durch einen stärkeren Wasserrückhalt in der Fläche zur Hochwasservorsorge insgesamt beizutragen.

Ebenfalls im Januar 2022 habe der Stadtrat die Erstellung eines Konzepts zur Anpassung an die Klimawandelfolgen und den Aufbau eines Klimaanpassungsmanagements in Auftrag gegeben. Die Besetzung der Stelle des Klimaanpassungsmanagements erfolgte im Dezember 2022. Und kurz vor Weihnachten habe der Stadtrat ein „Fokuskonzept Mobilität“ im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) beauftragt. „Nunmehr gilt es, das Mobilitätsgeschehen in Bad Neuenahr-Ahrweiler orts- und klimaverträglich sowie nachhaltig zu konzipieren und das entstehende Konzept dann sukzessive umzusetzen“, so Orthen.

Sorge um die Zukunft

von Heimat, Stadt und Menschen

Der jetzt gefasste Grundsatzbeschluss sei „gerade Ausdruck unserer gemeinsamen Sorge um die Zukunft unserer Heimat, unserer Stadt und der hier lebenden Menschen“, erklärte der Bürgermeister. Hinter dem Papier vereinten sich alle maßgebenden politischen Strömungen, wenn auch mit teils ganz unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, es handele sich also um ein Gemeinschaftswerk, das auch ein Kompromiss sei. „Aber es ist kein fauler Kompromiss; und es ist auch nicht der berühmte kleinste gemeinsame Nenner!“, machte Orthen klar. Vielmehr mache dieser Beschluss nach innen, also in die bürgerschaftliche Gesellschaft, ebenso wie nach außen in Richtung Kreis, Land und Bund sehr eindrucksvoll deutlich: „Bad Neuenahr-Ahrweiler hat verstanden! Wir denken mehr noch als zuvor bei allem was wir tun an die Folgen unseres Handelns. Wir wollen in dem kleinen, aber sehr vielfältigen kommunalen Handlungsrahmen unser gemeinschaftliches Tun an der Verantwortung vor der Schöpfung und dem Leben dieser und der Generationen nach uns ausrichten.“

Das sahen alle Ratsfraktionen ähnlich. „Mit dem Beschluss leisten wir einen wichtigen Beitrag zum klimafreundlichen Wiederaufbau unserer Stadt nach der Flut“, fand etwa der neue CDU-Fraktionsgeschäftsführer Robert Schwertel-Stahl. Doch der Beschluss weise über die unmittelbaren Folgen des Jahrhundertereignisses hinaus, habe der Rat doch schon vor der Flut seinen kommunalen Beitrag zu den notwendigen Anpassungen an die Klimawandel und zur weiteren Eindämmung des Klimawandels leisten wollen. Die lokalen Folgen des globalen Temperaturanstiegs zeigten sich nur in der erhöhten Wahrscheinlichkeit für Überschwemmungsereignissen infolge von Starkregen. „Auch die durch anhaltende Trockenheit mitbedingten Schäden im städtischen Forst oder die Hitzewelle im vergangenen Sommer führen uns vor Augen, mit welchen Umweltveränderungen wir als Stadtgemeinschaft bereits jetzt und in Zukunft umgehen müssen.“

Hinreichend Spielraum für

bessere Lösungen im Einzelfall

Die neuen Leitlinien und Grundsätze sollen hierzu den Weg weisen, so Schwertel-Stahl. Sie böten dabei aber hinreichend Spielraum, um die im Einzelfall beste Lösung im Hinblick auf effektive Treibhausgasreduktion und Folgenanpassung zu ermöglichen. „Diese Flexibilität ist auch nötig, wie wir etwa in der Diskussion über die klimafreundliche Gestaltung der Kurparkliegenschaften erfahren haben.“ Um die Forderung der CDU zu bestärken, Fördermittel zur Entsiegelung durch Private als Anreiz zur Verfügung zu stellen, solle die Stadt eine Vorbildfunktion ausüben und als ein Signal der Glaubwürdigkeit auch öffentliche Flächen entsiegeln. Etwa den „Landrat-Joachim-Weiler-Platz“ vor dem Ahrweiler Bahnhof, der wohl heute nicht mehr so geplant werden würde.

„Im Sommer 2021 führte der Klimawandel zu einer verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal, im Sommer 2022 zu einer extremen Trockenheit, in der die Ahr fast nicht mehr in Erscheinung trat. In nur einem Jahr sind diese beiden Pole der Entwicklung den Menschen im Ahrtal bewusst geworden“, erinnerte Grünen-Sprecher Wolfgang Schlagwein. Es sei nun keine Frage mehr, dass die Stadt mit Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel ihren Anteil an der Entwicklung sehe und Verantwortung für das Wohl jetziger und künftiger Generationen übernehmen müsse. Vieles, was die Grünen seit Jahrzehnten im ureigensten Bereich der Verwaltung forderten, sei bis heute nicht vorhanden, etwa das Energiecontrolling. Es gebe aber auch Punkte, die inzwischen Wirklichkeit geworden seien, wie die Satzung zur Begrünung baulicher Anlagen oder die Festschreibung von Solaranlagen in Bebauungsplänen. „Allein diese Festschreibung wird Kreise ziehen, und das ist dringend nötig“, sagte er voraus.

Die letzte Chance,

das Ruder herumzureißen

Fünf Prozent der Dachflächen in der Stadt verfügten über eine Solaranlage, 95 Prozent aber nicht, was das Potenzial deutlich mache. „Arbeiten wir endlich daran!“ Mit der bundesweiten Beschleunigung der Windenergie würden auch die Ahrtalwerke mit ihrem Windenergieprojekt endlich vorankommen, sagte Schlagwein voraus, vielleicht auch in Kooperation mit Nachbargemeinden und mit Energiegenossenschaften. „Für die Grünen gilt das Ziel, bis 2030 den Strom dieser Stadt zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien zu erzeugen.“ Das neue Mobilitätskonzept müsse die Entwicklung im Verkehrskonzept besser berücksichtigen, forderte er außerdem. So dürfe das neue Parkhaus auf dem Moses-Parkplatz nicht mehr allein als Abstellfläche für Autos dienen. „Es ist unsere letzte Chance, das Ruder herumzureißen und die zwei Jahrzehnte, die uns zum Handeln noch bleiben, zu nutzen. Es ist eine einmalige Chance, diese Stadt neu entstehen zu lassen und klimaresilient wieder aufzubauen“, plädierte Schlagwein.

SPD-Fraktionschef Werner Kasel war sich darüber im Klaren: „Als Kommune können wir das Weltklima nicht retten. Aber wir können ein wesentliches Mosaiksteinchen zur künftigen Entwicklung beitragen.“ Die seit mehr als einem Jahrzehnt andauernden Bemühungen des Stadtrates erführen mit den Leitlinien eine weitere wichtige Ergänzung, und es sei wohl nicht die letzte Befassung mit diesem wichtigen Thema. „Die Leitlinien können in der Gesamtheit aller Bemühungen durchaus als beispielgebend bewertet werden“, fand Kasel.

Überfällig und

hoffentlich noch nicht zu spät

„Überfällig und hoffentlich noch nicht zu spät“, so beschrieb Alfred Förner (FWG) den Grundsatzbeschluss. Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit hätten den meisten Mitbürgern deutlich gemacht, „dass uns der Klimawandel nicht irgendwann bevorsteht, sondern dass wir uns mitten in Klimawandel befinden.“ Hieraus ergebe sich die dringende Notwendigkeit, Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an Klimafolgen auch auf kommunaler Ebene durchzuführen. Ohnehin sei ein „Weiter so“ keine Option, „soviel sind wir unsere nachkommenden Generationen schuldig“, ergänzte FDP-Sprecher David Jacobs. Nach der verheerenden Flutkatastrophe müsse vieles neu betrachtet und anders gedacht werden. Mit dem Beschluss werde der Stadtrat den globalen Klimawandel zwar nicht aufhalten, „allerdings leisten wir unseren Beitrag als Stadt dazu.“

Durchaus kritisch sah Dr. Jürgen Lorenz (Wählergruppe Jakobs) den Beschluss. Er fürchtete, dass es Lippenbekenntnisse bleiben könnten, „bedeutet der Klimapakt doch in vielen Bereichen eine Kehrtwende um 180 Grad.“ Ein Großteil der in Klimapakt vorgesehene Maßnahmen sei schon immer von der Wählergruppe Jakobs in die Diskussion eingebracht worden, „sie passten wohl nie zum Lagerdenken.“ Doch gerade im kommunalen Gestaltungsbereich sei es möglich und nötig, die Schwarmintelligenz zu nutzen und nachhaltige, sinnvolle Anregungen zu diskutieren und aufzugreifen. Er hoffe jedenfalls, dass der Beitritt zum Kommunalen Klimapakt auch in den Köpfen aller Entscheider etwas bewege.

Aus der Reihe tanzte am Ende nur Martin Kallweitt (AfD) der in dem Beitritt zum Kommunalen Klimapakt keinen Mehrwert für die Bürger der Stadt sah. Das Klima der Erde ändere sich seit Jahrtausenden, ein direkter Einfluss der Menschheit sei in weiten Teilen der Wissenschaft höchst umstritten. Auch er gab zu, dass Umweltschutz auch Heimatschutz grundsätzlich überhaupt nicht zu beanstanden sei – „aber immer mit Augenmaß und klarem Verstand.“