Mittelstandunion Koblenz-Montabaur

Ist Deutschland noch zu retten?

Ist Deutschland noch zu retten?

Heinz-Peter Mertens, Dr. Karlheinz Sonnenberg und Dr. Adrian Nitsche. Quelle: MIT Koblenz-Montabaur

Waldesch.Explodierende Energiepreise bereiten aktuell vielen Menschen und Unternehmen in Deutschland große Sorgen. Anlass genug für den Bezirksvorsitzenden der Mittelstandsunion Heinz-Peter Mertens, einen versierten Experten auf diesem Gebiet einzuladen, um aus erster Hand eine Analyse von Ursachen, Situation und Perspektiven zu erhalten. Dr. Karlheinz Sonnenberg, Finanzvorstand der Energieversorgung Mittelrhein AG (evm) kam der Einladung gerne nach und präsentierte einer breiten Zuhörerschaft im Bürgerhaus Waldesch die Fakten zur Versorgungslage mit Strom und Erdgas.

Ein Anstieg der Energiepreise war bereits im Jahr 2021, lange vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine, zu beobachten. Der extreme Ausschlag an den Märkten fand dann allerdings im August 2022 statt, nicht zuletzt durch den Einkauf der Bundesregierung für die Speicherbefüllung „zu jedem Preis“. Derzeit ist der Trend wieder fallend, wenn auch auf höherem Niveau.

Es ist richtig, dass mit steigenden Kapazitäten erneuerbarer Energie in den Phasen, in denen der Wind weht und die Sonne scheint, Strom aus diesen Quellen produziert wird. Die Problematik besteht jedoch darin, dass die Nachfrage nach Strom nicht von der Produktion abhängt, sondern die Stromproduktion bzw. die Verfügbarkeit sich nach der Nachfrage richten muss. Das bedeutet, dass auch und gerade in Phasen, in denen erneuerbare Energie nicht zur Verfügung steht, Strom aus alternativen Quellen bereitgestellt werden muss. Die Erfahrung in Deutschland zeigt, dass es windreiche Phasen eher im Winter gibt und die Sonne in ausreichender Stärke eher an Tagen im Sommerhalbjahr scheint. Das bedeutet, dass es permanent Phasen gibt, die durch erneuerbare Energie nicht gedeckt sind, und für die es heute auch keine ausreichenden Speicherkapazitäten (z.B. Pumpspeicherkraftwerke) gibt, während die Wasserstofftechnologie noch nicht adäquat zur Verfügung steht. Und hier ist nur von Menge, jedoch nicht von Preisen die Rede.

Für die Grundlast sind daher entweder Kohle- oder Atomkraftwerke ausgelegt. Um aber die Spitzen flexibel abzudecken, ist Strom aus Erdgas eine Option der Wahl. Da der Preis am Markt sich aber nach den Kosten für den jeweils teuersten Einsatzstoff richtet (Marktpreis), wirkt sich der Erdgaspreis hierbei unmittelbar auf den Strompreis aus. Ausstieg aus der Atomkraft und mittelfristig der Kohle erhöhen den Druck für Deutschland mit der Konsequenz einer steigenden Importabhängigkeit zu höheren Preisen.

Eine weitere Konsequenz dieser Fakten ist, dass die Versorgungssicherheit nicht allein durch einen Ausbau erneuerbaren Energiekapazitäten erreicht werden kann, und daher Erdgaskraftwerke als back-up noch lange eine wichtige Rolle einnehmen werden.

Bereits seit den 70er Jahren hat Deutschland verstärkt auf Erdgasimport aus Russland gesetzt, da der Transport durch Pipelines umweltfreundlicher und günstiger ist als der Import von Flüssiggas. Der Wegfall der Gaslieferungen aus Russland trifft daher Deutschland mit großer Wucht. Dass es derzeit möglich ist, in Deutschland die Lücke mit Flüssiggas zu füllen, ist auch der Tatsache zu verdanken, dass China aufgrund der „Corona-Rezession“ auf Nachfrage verzichtet. Sofern jedoch eine Situation mit höherer LNG-Nachfrage auf dem Weltmarkt entsteht, ohne dass die Lieferungen aus Russland wieder aufgenommen werden, könnte die Versorgung mit Erdgas für Deutschland aufgrund unzureichender Langzeitverträge für LNG knapp werden. Kritischer als dieser Winter könnte daher der Winter 2023/24 werden. Bereits jetzt liegen Pläne für eine mögliche Gasmangellage in der Schublade.

Als sehr wahrscheinlich muss jedoch angenommen werden, dass die Energiepreise in Deutschland anders als in vielen anderen Ländern für die kommenden Jahre mindestens auf hohem Plateau verharren werden. In der Konsequenz leidet die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands mit erheblicher Rezessionsgefahr für 2023.

Pressemitteilung der

MIT Koblenz-Montabaur