100 Jahre SPD Oberwinter

Markus Behnke und Heinz Wilmswürdigen das Jubiläum in Buchform

Markus Behnke und Heinz Wilms
würdigen das Jubiläum in Buchform

Aufschlussreiche Jubiläumsschrift über 100 Jahre SPD in Oberwinter. Foto: HG

Oberwinter. Im November 2021 feierte der SPD-Ortsverein Oberwinter sein 100-jähriges Bestehen - Anlass für eine Festschrift, befand der Vorstand. Zwei seiner Mitglieder folgten dem Wunsch, weshalb selbige zum Feiertermin pünktlich vorlag.

Dr. Markus Behnke und Dr. Heinz Wilms unternahmen es, die Jahrzehnte bis zur Gründung zurückzuverfolgen. Ihnen war bewusst, dass ihre 200-seitige Würdigung mit zahlreichen Abbildungen „für einen kleinen Ortsverein ungewöhnlich und recht umfangreich ist“. Doch sie empfanden, die Dokumentation gehöre dazu, wenn es gelte, „für die Idee einer pluralistischen, besseren und sozial gerechten Gesellschaft zu arbeiten und zu streiten“.

Der Ortsverein Oberwinter, der Bandorf, Birgel, Waldheide und Rolandseck umfasst sowie die Stadtteile Oedingen, Rolandswerth und Unkelbach, hatte zum Zeitpunkt der Drucklegung 77 Mitglieder. Ihnen und allen früheren Mitstreitern ist das Werk gewidmet. Indem die Genossen beständig im Verein und in der Fraktion zusammenstehen, haben sie die Entwicklung des Ortes entscheidend mitgestaltet.

Im Jubiläumsband folgen der Einleitung Grußworte. Der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer, dem SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Winfried Glaser und der früheren Ministerin Andrea Nahles schließt sich Hans Wallow an, ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter, der daran erinnert, dass die Oberwinterer SPD auch Personal für Kreistag, Bezirks- und Landesparteitage stellte. „Politische Kreativität, Diskussionsfreude und eine gute Führung“ attestiert die frühere SPD-Landtagsabgeordnete und Mainzer Staatssekretärin Beate Reich dem Ortsverein. Auf soziale Errungenschaften dank sozialdemokratischen Engagements in Remagen blickt Christine Wießmann, Sprecherin der SPD-Stadtratsfraktion. Und Ortsvorsteherin Angela Linden-Berresheim hebt hervor, im überwiegend konservativ geprägten Oberwinter habe es die SPD geschafft einschließlich ihr drei Ortsvorsteher/innen zu stellen.

Auch Willy Brandts Gratulation aus dem Jahre 1981 zum 60. Geburtstag der SPD Oberwinter fand Eingang. Darin spricht der damalige SPD-Parteivorsitzende vom „Aufbruch nach vorn“ und von der überaus wichtigen Vertrauensarbeit, zu der die Lebendigkeit von Ortsvereinen gehört.

Klare Haltung und Mut

Die Autoren skizzieren die Entwicklung der Ortsgruppe im Rahmen der allgemeinen Verhältnisse in Oberwinter seit Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Im zweiten kleineren Teil der Schrift behandeln sie die Geschichte der SPD in Deutschland, da viele lokale Ereignisse besser vor dem politischen, sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund Gesamtdeutschlands verständlich werden. Auch prominente Protagonisten geraten in den Fokus, so die ehemalige Bundestagspräsidentin Annemarie Renger, die auf der Oberwinterer Rheinhöhe wohnte.

„1921 Sozialdemokrat zu werden und sich zur SPD zu bekennen, das erforderte Geschichtskenntnis, eine klare Haltung - und oftmals viel Mut“, urteilt Uwe Knüpfer, früherer Herausgeber des „Vorwärts“ im Kapitel über die Anfänge der SPD Oberwinters. Zweieinhalb Jahre nach dem ersten Weltkrieg und nachdem Philipp Scheidemann in Berlin die Republik ausrief, bildeten sich landesweit Ortsvereine, darunter im März 1921 die „Ortsgruppe Oberwinter“ mit Valentin Seeger als Vorsitzendem.

Die Gründergeneration setzte sich für Arbeiterrechte, den 8-Stunden-Arbeitstag und fürs Frauenwahlrecht ein. Doch schon 1923/24 ruhte die Parteiarbeit. Denn über 30 Familien von Bahnbeschäftigten, die nicht unter französischem Kommando arbeiten wollten, wurden über Nacht ausgewiesen. Teils kamen sie nach Schleswig-Holstein, teils nach Mecklenburg.

Dokumente aus dem Jahr 1933 veranschaulichen auch heute noch, „wie schnell eine kleine, radikale und egoistische Gruppe Führungsanspruch erhebt, die Masse der Menschen blind folgte und unser demokratisches System zerstört wurde“, erklärten Wilms und Behnke zum nächsten Zeitabschnitt bei der Jubiläumsfeier.

Politisch unerwünscht

Schon 1930 erfuhren die Oberwinterer Sozialdemokraten, dass sie politisch unerwünscht waren. So verweigerte man ihnen in dem Jahr den Zutritt zu einer öffentlichen Versammlung. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurden Anfang August 1933 bei der Neugestaltung der Gemeindevertretung die Vertreter der Arbeitergemeinschaft Otto Gründel und Josef Assenmacher sowie Heinrich Hüsch für katholische Berufsgruppen aus dem Gremium ausgeschlossen. Zu dem Zeitpunkt galt nicht nur das SPD-Parteiverbot, sondern ebenso das generelle Verbot für alle Parteien neben der NSDAP.

Mitte der 1930er griff die Propaganda auch in Oberwinter: Die NSDAP verfügte nun über breiten Zulauf. In den Gottesdiensten schrieben Spitzel die Predigten mit. Bei den Wahlen nach 1933 „halfen“ Parteianhänger den Wählern gerne beim Einwurf der Stimmzettel. Je nach Einwurfswinkel in die präparierte Urne gelangten Meinungsäußerungen politisch Unzuverlässiger nicht in die Auszählung.

Jedoch erweckten im Mai 1946 unter anderem Peter Günther, Heinrich Hauenschild, Karl Schmitz und Peter Wüst die Sozialdemokratie mit neuen Leben. Acht Mitglieder sollen es bei der Neugründung am 1. November 1946 gewesen sein. Frühe Nachkriegsthemen waren etwa der Kampf gegen wirtschaftliche Demontage durch die Alliierten, die Opposition gegen die Wiederaufrüstung und die Erschließung von Wohnraum. 1969 zählten die Sozialdemokraten zu den Initiatoren gegen die konfessionelle Trennung für die Gemeinschaftsschule.

Atomkraft und Rolandstadt

Nachfolgend mangelte es nicht an Aufregern. Die sich für den Erhalt des gewachsenen Orts- und Landschaftsbildes einsetzenden Sozialdemokraten wehrten sich in den 1970ern gegen das geplante Atomkraftwerk zwischen Sinzig und Bad Breisig, ebenso gegen die „Rolandstadt“, Bebauung der Rheinhänge, den vierspurigen B9-Aubau und die linksrheinische ICE-Strecke, sämtlich Vorhaben, vor dem das Gebiet schließlich verschont blieb.

1985 demonstrierte die SPD-Kreistagsfraktion unter Wolfhart von Stackelberg (aus Oberwinter) medienwirksam gegen die Präsentation des NS-Landrates Dr. Simmer in der Landratsgalerie im Kreishaus.

Im Folgenden geht es um weitere Anliegen in der Kommunalpolitik, wie Arp Museum und Hafen, Fachhochschule und Jugendraum, Denkmalschutz für das Alte Rathaus und Nahverkehr bis hin zu Bücherschränken. Aktivitäten, Auseinandersetzungen und das beständige Engagement des Ortsverbandes werden beleuchtet, wobei die Planer und Handelnden selbst sowie das kulturelle und gesellige Leben des Ortsvereins nicht zu kurz kommen.

Das aus vielen Quellen schöpfende, sehr informative, gut verständlich geschriebene Buch ist erhältlich für 20 Euro bei Lene’s Café, Oberwinter, Hauptstraße 97; Hans Metternich, Oberwinter, Pützgasse 9, Tel.; 02228-7314 und Heinz Wilms, Oberwinter, Mauerstraße 8, Tel.: 02228-913403.