Politik | 20.11.2020

Ralf Hellrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, im BLICK aktuell-Interview

„Mehr Nachwuchs ins Handwerk“

Der HwK-Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich.

„Handwerk hat goldenen Boden“ - so lautet eine gemeinhin bekannte Redewendung. Doch dann kam der Corona-Virus mitsamt Lockdown und traf die deutsche Wirtschaft mit ungeahnter Härte. Doch wie schaut es mit der Handwerksbranche aus? „Gut!“, sagt Ralf Hellrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Koblenz (HwK). Dennoch haben die Handwerker ein Problem: Es mangelt an Nachwuchs. Die Gründe für den Schwund erläuterte Hellrich nun beim Redaktionsgespräch mit Hermann Krupp, Geschäftsführer des Krupp Verlags und BLICK aktuell-Chefredakteur, und Junior-Chefin Corinna Seidel. Zur Sprache kamen dabei die fortschreitende Technisierung und gesellschaftliche Stellung der Handwerksberufe sowie die ausbaufähige Unterstützung der Berufsschullehrer.

Hermann Krupp interessiert sich besonders für die gegenwärtige Situation des Handwerks in Zeiten von Corona. „Wie ist die derzeitige Lage und Stimmung?“, möchte Krupp wissen. Ralf Hellrich hat die Antwort: „Die breite Masse kommt klar,“ sagt er. Jedoch mit Abstrichen, wie Hellrich betont. „Für Friseure oder Kosmetiker war der Lockdown im März fatal“, weiß Hellrich. Man sei froh, dass die Friseure von dem jetzigen „Lockdown light“ diesmal verschont blieben, was vor allem an den straffen und bereits bestehenden Hygienekonzepten läge. In anderen Gewerken seien die „Bücher voll“, insbesondere im Baugewerbe. Die Sanitär- und Heizungsbranche boome ebenso wie der Straßenbau. Etwas verhaltener sähe es bei den Malern aus. Dies sei aber nicht explizit auf Corona zurückzuführen, sondern eher auf die Nachwuchslage, die ohnehin in diesem Bereich ausbaufähig sei. Corona habe die Situation noch weiter verschärft, gerade wenn es um Praktika gehe. Interessierte Jugendliche werden oft von den Eltern aus Sicherheitsgründen „gebremst“, um das Infektionsrisiko gering zu halten. Das sei schade, denn auch in den Handwerksbetrieben werden die gängigen Standards der Corona-Verordnung eingehalten. Ansonsten gäbe es keinen Grund zur Beschwerde, die Auftragslage könne sich sehen lassen. Wichtig sei gerade in den wirtschaftlich turbulenten Zeiten der Austausch zwischen der Handwerkskammer und den Betrieben. Auf die nötige Unterstützung können sich die Unternehmen aber jederzeit verlassen, wie Ralf Hellrich betont. Denn: „Krisenzeiten sind Kammerzeiten“.

Nachwuchs dringend gesucht

Das Thema Nachwuchs ist besonders für Junior-Chefin Corinna Seidel von Interesse und fragt nach dem Image des Handwerks: „Wie kann das Handwerk wieder attraktiv und „sexy“ werden?“, möchte Seidel wissen. Ralf Hellrich stellt zunächst klar, dass das Handwerk von dem Nachwuchsmangel nicht gleichmäßig betroffen sei. In manchen Gewerken habe man keine Probleme. Das gelte besonders für die eher „kernigen Berufe“ wie Dachdecker oder Straßenbauer. Hier herrsche reges Interesse seitens der Jugend. In anderen Branchen, wie bei Malern oder Lackierern, wird es etwas schwieriger. Die Voraussetzungen für eine Karriere im Handwerk wären jedoch da, wie Hellrich betonte. Als „besten Weg“ beschreibt Hellrich den Meisterkurs, der auch mit einem Mix aus praktischen Tätigkeiten und einer theoretischen Weiterbildung viele Optionen bereithalte. Generell habe sich das Aufgabenspektrum im Handwerk verändert, gerade im technischen Bereich. Handwerker im Baugewerbe müssen sich mit „Smart Homes“ genauso auskennen, wie der Heizungsbauer mit der App auf dem Smartphone, die die Temperatur der Fußbodenheizung regele. Durch diese Neuerungen böte sich ein neuer Blick auf das Themenfeld Handwerk und der wäre somit auch für junge Menschen interessant, die sich für Technik begeistern. Dass dies einen Trend oder gar ein Umdenken in der Gesellschaft darstelle, ist für Hellrich ein Fakt. „Heute sind bei potentiellen Bewerbern weiche Faktoren wie Work-Life-Balance ein wichtiger Punkt“, sagt er. „Oftmals wichtiger als die Höhe des Gehaltes“, fügt Hellrich hinzu. Es würden gar Forderungen laut, dass man unter dem Gesichtspunkt Technik eine gleichwertige Alternative zum Meister schafft, die in etwa vergleichbar mit einem technischen Betriebsleiter wäre. Dies entspräche somit einem Handwerksmeister ohne Führungsaufgabe beim Personal und der kaufmännischen Komponente.

Generell habe man es schwer, junge Menschen nach dem Abitur für einen Ausbildungsweg im Handwerk zu begeistern. So habe das Handwerk mitunter einen schlechten Ruf, der durchaus von Lehrern und Eltern mitgetragen wird. Eine Ausbildung gelte immer noch als minderwertiger als ein Studium an der Universität oder der Fachhochschule. Gerade die Eltern seien es, die oft den Kindern einen entsprechenden akademischen Weg nahelegen, der im Allgemeinen zwar einen längeren Ausbildungsweg beinhalte, aber auch mehr Erfolg – zum Beispiel in Sachen Gehalt – verspreche. Das sei jedoch nicht unbedingt richtig. Um dies auch in der Außenwirkung darzustellen, wurde der Titel „Bachelor professional“ geschaffen, den auch Meister im Handwerk führen dürfen. Damit solle die Gleichwertigkeit zum akademischen „Bachelor of Science“ oder „Bachelor of Arts“ unterstrichen werden. Trotz dieser Maßnahmen zur generellen Aufwertung des Handwerks fehle es nicht nur am Nachwuchs. Auch das Thema Fachkräftemangel werde heiß diskutiert. So werden nicht nur weniger gute Mitarbeiter ausgebildet, auch der Konkurrenzdruck ist höher. Denn heutzutage könne man auch beim Discounter eine vollständige Küche inklusive aller Handwerkerleistungen kaufen. Das sorge bei den traditionellen und etablierten Handwerksbetrieben für zusätzlichen Mitarbeiterschwund, da diese Anbieter durchaus konkurrenzfähige Konditionen für Fachleute böten.

„Die Heizung soll mir sagen, wenn sie kaputtgeht“

Generell sei bei den jüngeren Generationen eine grundsätzlich veränderte Sichtweise auf das Handwerk zu beobachten. „In Gesprächen mit Studenten wirkt die Betrachtungsweise eher „amazonisiert“, was an der zunehmenden Technisierung liegt“, vermutet der HwK-Hauptgeschäftsführer. Während in der Vergangenheit bei einer defekten Heizung schlicht der Handwerker gerufen wurde, setze man heute andere Maßstäbe. „Die Auffassung ist die, dass sich die Heizung doch per App melden möge, bevor sie kaputt geht“, sagt Hellrich und nimmt es mit Humor. Das bedeute allerdings, dass jüngere Menschen viel mehr Vertrauen in den Hersteller als in den Handwerker setzen – denn der müsse ja wissen, wie eine Heizung funktioniere, schließlich habe er sie ja gebaut. Um den Nachwuchs zu fördern, bedürfe es jedoch laut Hellrich auch mehr Zusammenarbeit mit den Schulen. Auch für viele Lehrer gelte ein Studium an der Uni noch als der ideale Berufsweg. Mehr Unterstützung bräuchten auch die Berufsschullehrer, dessen Berufsstand, so ist sich Ralf Hellrich sicher, immer noch im Vergleich zum „normalen“ Lehrer, in der gesellschaftlichen Wertigkeit hinterherhinke. Die Folge sei, dass es wenige Lehrkräfte an den Berufsbildenden Schulen gäbe, da dieser Job schlicht als unattraktiv gelte.

Um die Attraktivität für potentielle Azubis zu erhöhen, setze man aber nicht nur auf den Dialog zu den Schulen, sondern spräche mit Marketingkampagnen die Jugendlichen direkt an. Damit habe man bereits Erfolge erzielen können und insgesamt läge bereits die dritte Kampagne in den Startlöchern.

„Unternehmensnachfolge muss früh geregelt sein“

„Um die Handwerksbetriebe zu erhalten, bedarf es auch einer solide geregelten Unternehmensnachfolge,“ stellt Hermann Krupp fest. „Wie greift die Handwerkskammer denn bei dieser Herausforderung den Unternehmen unter die Arme?“ Um den Nachfolgeprozesse zu unterstützen wurden bei der Kammer zwei Vollzeitkräfte geschaffen, die sich auch über Fördergelder des Bundes kümmern und diesbezügliche Möglichkeiten prüfen, sagt Hellrich. Es läge aber auch an den Unternehmen selber, aktiv zu werden. „Um eine Nachfolge in geordnete Bahnen zu lenken, sollten die Inhaber das Thema zehn Jahre vor dem Ruhestand angehen,“ empfiehlt der HwK-Hauptgeschäftsführer. Dass die Einleitung oftmals viel später geschehe, ist auch Hellrich bekannt. Eine sorgfältige Planung sei aber absolut notwendig, um einen soliden Grad der „Übergabefestigkeit“ zu erreichen. Dazu gehöre die Übergabe der Aufträge, die Kundenpflege, aber auch die Festigung des Mitarbeiterstamms. Ebenfalls sind Kooperationen wichtig. „Viele Kunden wünschen sich Handwerksleistungen als Komplettprogramm“, weiß Hellrich. Deshalb kann es sinnvoll sein, sich mit anderen Handwerksunternehmen zu vernetzen, die sich ebenfalls im Nachfolgeprozess befinden. Dies käme dann einer Stärkung der Branche gleich.

Um die Situation zu verbessern, ist auch die Regierung gefragt. Corinna Seidel fragt: „Welche Wünsche hat das Handwerk an die Politik?“ Geht es nach Ralf Hellrich, gibt es einiges zu tun. So müsse in Zukunft das Augenmerk mehr auf die Berufsschullehrer gelegt werden, denn davon gäbe es schlicht viel zu wenig. Hellrich wünsche sich mehr Fachkräfte im Lehramt, dafür müssen aber auch die Anreize stimmen. Und an den Berufsschulen gäbe es einen weiteren, verbesserungswürdigen Punkt: Die digitale Infrastruktur, die laut Ralf Hellrich dringend gefördert werden müsse. Generell müsse das „Land mehr auf die Leute zugehen“, wenn es um Ausbildung und Handwerk ginge. Diesbezüglich müsse es auch mehr berufsorientierte Unterstützung an Gymnasien geben und das Studium nicht als der Ausbildungsweg schlechthin betrachtet werden.

Text/Fotos: Daniel Robbel

Hermann Krupp und Corinna Seidel haben Fragen zur Zukunft des Handwerks.

Hermann Krupp und Corinna Seidel haben Fragen zur Zukunft des Handwerks.

Der HwK-Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich.

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