Anfrage von der EK-Fraktion im Stadtrat

Neuwied kann seine Bewohnerbei Starkregen kaum schützen

Neuwied kann seine Bewohner
bei Starkregen kaum schützen

Mit bis zu 50L. Starkregen zog Sturmtief Fabienne am Sonntag über Deutschland. Wie hier in Block standen Straßen unter Wasser.FF

Neuwied. Die Nacht vom 9. auf den 10. Juni ist vielen Neuwiedern noch in schlimmer Erinnerung. Innerhalb kürzester Zeit fielen 70 Liter Regen auf einen Quadratmeter. Zwar sprechen Experten bei dieser Menge von einem Jahrhundertereignis. Das heißt aber nicht, dass sich ein solcher Starkregen nicht schon im nächsten Jahr wiederholen kann. Stadträtin Dr. Jutta Etscheidt von „Ich tu`s“ aus der EKF-Fraktion treibt diese Sorge um. In der letzten Stadtratssitzung richtete die Tierärztin einen ganzen Fragenkatalog hinsichtlich der Vorkehrungen zur Vermeidung von Überflutungsschäden an die Stadtverwaltung. Oberbürgermeister Jan Einig schickte voraus, dass an der Vermeidung von Überflutungsschäden mehrere Akteure beteiligt sind. Die gleichen, die an der Beantwortung der umfangreichen Anfrage beteiligt waren: Das Amt für Feuer-, Katastrophen- und Hochwasserschutz, das Stadtbauamt, sowie die Servicebetriebe Neuwied AöR (Bereich Abwasser). Einleitend gab der Oberbürgermeister ebenfalls unmissverständlich zu verstehen, dass die Schutzmöglichkeiten der Stadt beschränkt seien. Denn Starkregenereignissetreten ohne große Vorankündigungen auf und können örtlich sehr begrenzt sein. Entsprechend seien die Bürger/innen gefordert, selbst Vorsorge zu leisten. Über die Möglichkeiten informierten die Akteure bei den Infotagen in Engers und zuletzt Irlich. Wehrleiter Wilfried Hausmann kündigte die Fortsetzung der Veranstaltungsreihe zu Hochwasser und Starkregen an. Dr. Jutta Etscheidt wollte konkret wissen, welche Vorkehrungen zur Minimierung von Schäden durch Starkregen und hundertjährigen Hochwasser von der Stadt Neuwied in den letzten zehn Jahren getroffen worden. Jan Einig informierte, dass auf Basis des Landeswassergesetzes alle fünf Jahre ein Abwasserbeseitigungskonzept (ABK) erstellt wird. Hierbei handele es sich um eine Prioritätenliste aller anstehenden Sanierungsmaßnahmen, der von Seiten der Oberen Wasserbehörde zugestimmt wird. Vorrangig berücksichtigt seien darin, gemäß dem aktuellen ABK aus dem Jahre 2018, Erneuerungs-und Sanierungsmaßnahmen der Schäden mit der Erwartung potentieller Grundwasserverschmutzung. Der Investitionsaufwand betrage hierbei jährlich rd. vier Mio. Euro. Selbstverständlich erfolge bei der Erneuerung der Kanalisation, z.B. bei gemeinsamen Baumaßnahmen mit der Stadt, regelmäßig auch eine Anpassung an die aktuellen hydraulischen Erfordernisse. Konkret eine Vergrößerung des Kanalquerschnitts.

Darüber hinaus beinhalte das ABK auch einige wenige Einzelmaßnahmen, die allein der Anpassung an die heutigen hydraulischen Erfordernisse dienen. Dies bedeutet mithin aber auch, dass es erheblichen Anpassungsbedarf der Kanalisation an die hydraulischen Erfordernisse nach den Regeln der Technik gebe. „Dieser Bedarf kann voraussichtlich auch in den nächsten 10-20 Jahren nicht vollständig abgearbeitet werden“, informierte der Oberbürgermeister. Weiter ließ er wissen, dass eine Arbeitsgruppe Starkregenereignisse eingerichtet wurde. Ziel sei, die Überflutungsvorsorge bei Starkregenereignissen in der Stadt Neuwied zu optimieren und in diesem Zusammenhang einen ersten Entwurf eines Maßnahmenpaktes mit entsprechender Priorisierung zu erarbeiten. Aktuell befindet sich dieser Entwurf noch in einem internen Abstimmungsprozess. Darüber hinaus sei ein, mit Landesmitteln gefördertes, Hochwasservorsorgekonzept in Auftrag gegeben worden. Hier gehe es aber vordergründig um das Rheinhochwasser. Noch interessanter die Frage, welche Schutzmaßnahmen der Bevölkerung bei Eintritt eines Starkregen- oder Hochwasserereignisses im Akutfall durchgeführt werden, um Personenschäden und materielle Schäden zu verhindern oder zu minimieren.

Mit Hinweis auf die geringe Vorlaufzeit bedauerte der Oberbürgermeister, dass kaum wirksame Maßnahmen zur Verfügung stehen. Von Starkregen bzw. Hochwasser betroffene Bürger/innen könnten jederzeit beim Amt für Feuerwehr-, Hochwasser- und Katastrophenschutz gefüllte Sandsäcke zur Eigensicherung erhalten. Neuwieds erster Bürger rät zur privaten Vorsorge. Etwa durch bauliche Maßnahmen wie der Aufkantung von Lichtschächten, mobile Schutzanlagen und Rückhaltesysteme. Wichtig sei auch eine persönliche Notfallplanung und der Abschluss einer Elementarversicherung. Dr. Jutta Etscheidt fragte nach ausgewiesenen Überflutungsflächen oder Retentionsräume für Starkregenereignisse. „Der Flächennutzungsplan der Stadt Neuwied stellt nachrichtlich Überflutungs- und Renaturierungsräume dar. Grundsätzlich wird bei allen Planungen, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes, die Einrichtung von Überflutungsbereichen berücksichtigt“, antwortete Jan Einig. Verneinen musste der Oberbürgermeister die Frage, ob die Stadt ein Zweikanalsystem plane, um Regenwassergetrennt abzuführen. In Anbetracht von 335 Kilometer Kanalisation im Stadtgebiet wäre eine Umstellung „weder sinnvoll, tatsächlich geboten, noch wirtschaftlich darstellbar“. Allerdings seien geringe Abschnitte mit Trennsystemen ausgebaut. Diese befänden sich in der Nähe leistungsfähiger Gewässer wie Rhein und Wied. Von besonderem Interesse auch die Frage der Ratsfrau, ob die Stadt von Hochwasser und Starkregen gefährdete Gebiete kartiert hat. Jan Einig versicherte, dass bereits Überflutungskarten erstellt wurden. Diese werden bei den Informationsveranstaltungen ausgestellt. Darüber hinaus könne sich jeder Neuwieder auch bei der Feuerwehr darüber informieren.