Leserbrief zur Mahnwache von Amnesty International

Rechte Kräfte profitieren von unklaren Situationen

Manfred Kirsch spricht es unmissverständlich aus: Die unklare politische Situation in der Weimarer Republik war der Nährboden für den Erfolg der rechten Kräfte. Das ist 100 Jahre her. Wir sind heute politisch und gesellschaftlich nicht entscheidend weiter. Die politische Unentschlossenheit und das Lavieren der demokratischen Parteien von links bis konservativ wird von den Rechten skrupellos und tolldreist ausgenutzt. So polemisiert z.B. der AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag von RLP, Uwe Junge, indem er der Ampelkoalition vorwirft, den Linksextremismus nicht kritisch genug zu sehen: „Die Landesregierung darf nicht weiter auf dem linken Auge blind sein (...).“ Unzweifelhaft ist: Gewaltakte/Straftaten sind immer ohne Wenn und Aber zu verurteilen. Gewalt darf kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein! Aber Herr Junge will nicht sehen, dass insbesondere die AfD als parlamentarischer Arm der Rechten durch ihre Realpolitik jedenfalls eine sehr erhebliche Mitschuld an der sprachlichen, geistigen und aktivistischen Verrohung der deutschen Gesellschaft trägt. Das ist der einschlägige Tatbestand, der Menschen zu vielfachen Opfern der ‚Rechten Szene‘ macht! So auch bei dem rassistischen Gewaltexzess im hessischen Hanau; neun Menschen mit ausländischen Wurzeln wurden ermordet und sechs Menschen verletzt! Die permanenten ausländerfeindlichen Hetzparolen der AfD zeigen zweifelsfrei böse Wirkung! Und - gleichwohl sieht Herr Junge die AfD nur allzu gerne als angebliches konservativ-bürgerliches, demokratisches Opfer eines angeblich linksextremistischen Zeitgeistes an. Jedoch - die AfD ist nicht bürgerlich-konservativ. Die AfD bietet tatsächlich ein national-konservatives bis neofaschistisches Spektrum an. Dabei ist der neofaschistische Flügel, selbst wenn dieser nach der Anzahl seiner Mitglieder in der Minderheit ist/wäre, inhaltlich/politisch sehr deutlich durchsetzungsfähiger! Dieser Flügel orientiert darauf, die demokratischen Verhältnisse mit einer faschistischen Massenbewegung zu zerschlagen. Völkischen Nationalismus und Rassismus vertreten in der AfD alle: Uwe Junge, die national-konservativen und extrem neoliberalen Kräfte wie Meuthen, Weidel, von Storch und der „sozial-nationale“ Höcke-Flügel. Auch der neue Co-Bundessprecher der AfD, Tino Chrupalla, sympatisiert offen mit dem rechten Flügel, den der Bundessprecher Meuthen hofiert! Chrupalla hat sich in jüngster Vergangenheit mit Stephen Bannon, einem führenden Kopf der US-amerikanischen extremen Rechten und ehemaligen Trump-Berater, in Berlin getroffen. Die AfD deklariert sich als demokratisch. Sie ist zwar in demokratischen Wahlen gewählt worden, aber das macht die AfD nicht automatisch demokratisch; sie verhöhnt den demokratischen Staat und will ihn mit rechtem Ungeist zersetzen. Die demokratischen Parteien reden viel von ‚klarer Kante‘ gegen das rechtsgerichtete Treiben. Aus dem Reden müssen endlich staatsbürgerliche Taten werden!

Helmut Gelhardt,

Neuwied-Engers