Stadtrat tagte im Neuwieder Heimathaus und gab sich neue Satzung
Städtische Waldflächen werden der SWN übertragen
Neuwied. Neuwieder Stadtratsitzungen können sich schon mal arg in die Länge ziehen. Insbesondere bei kontroversen Themen. Mit neun Parteien und Gruppierungen drohten in der neuen Wahlperiode noch längere Debatten. Daher beschloss der Stadtrat in seiner neuen Geschäftsordnung (2024 bis 2029), die Redezeit auf maximal fünf Minuten pro Ratsmitglied zu beschränken. Außerdem sind nur noch zwei Wortmeldungen je Ratsmitglied und Thema erlaubt.
Dr. Jutta Etscheidt (WG Etscheidt) sprach von einem Ungleichgewicht und dem Festzurren von Mehrheitsverhältnissen. Außerdem sei die Neuregelung kontraproduktiv im Sinne des demokratischen Diskurses. Die Heddesdorfer Ratsfrau ist im besonderen Maße betroffen, weil sie dem Stadtrat als fraktionsloses Einzelmitglied angehört. Mit dem Hinweis auf eine effizientere Sitzungsführung erklärte Martin Hahn (CDU) die Satzungsänderung. Außerdem sei es wichtig, den Menschen auch komplexe Sachverhältnisse in knapper Form darzulegen. Gegen die Stimme von Dr. Jutta Etscheidt beschloss der Stadtrat die neue Geschäftsordnung.
Die Einwohnerfragestunde gem. §16a der Gemeindeordnung ist für einige Bürger/innen immer wieder Anlass, ihrem Ärger Luft zu verschaffen. Für andere ist sie Gelegenheit, Antworten auf brennende Fragen von höchster Stelle zu bekommen. Ein Neuwieder wollte wissen, warum am neuen Marktplatz nur ein Mülleimer aufgestellt ist und ob den Bäumen nicht die Umrandung fehlt, damit die Blumen- und Pflanzenrabatte nicht in Mitleidenschaft gezogen werden? Oberbürgermeister Jan Einig antwortete, dass weitere Mülleimer bestellt seien und der Marktplatz möglichst barrierefrei gestaltet wurde. Die Rille, die den gesamten Markplatz einfriedet, erklärte er als taktiles Element, dass der Entwässerung der Fläche dient. Der Fragensteller hatte nämlich die Befürchtung geäußert, dass die Rille für Gehbehinderte und anderweitig eingeschränkte Menschen zur Stolperfalle wird.
Ein anderer Bürger stellte in Frage, ob die 800.000 Euro im Haushalt 2024 bzw. 2025 vorgesehenen Mittel für Radwege, unter anderem für die Wege am Zementwerk und den Platanen in Engers, verfallen, weil mit dem Bau nicht begonnen wurde? Jan Einig erklärte die Verzögerungen mit der späten Haushaltsgenehmigung im Mai. Der Stadtchef versicherte aber, dass die Haushaltsmittel nicht verfallen.
Was die Stadt Neuwied gegen die Erweiterung des FOC Montabaur zu unternehmen gedenkt, wollte ein Fragensteller wissen? Bekanntlich hatte die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord als oberste Planungsbehörde des Landes kürzlich grünes Licht für die Erweiterung von 10.000 m2 auf 19.800m2 gegeben. „Nichts, es gibt keinen Grund jetzt einzuschreiten“, entgegnete der Oberbürgermeister und nannte den frühen Zeitpunkt des Verfahrens als Grund. Es könne durchaus noch anderthalb Jahre dauern. Erst danach würden die zuständige Gremien Beschlüsse fassen, um möglicherweise gegen die Erweiterung anzugehen.
Übertragung von Waldflächen sorgte für Diskussion
Die strittigste Beschlussvorlage war die Übertragung von städtischen Waldflächen (Energieerzeugungspotentialflächen) in das Gesellschaftsvermögen der Stadtwerke Neuwied. Den geschätzten Wert der Flächen beziffert das Amt für Recht und Liegenschaften auf 910.000 Euro. Zwar passierte die Beschlussvorlage mit großer Mehrheit den Stadtrat. Bei einer Enthaltung sprachen sich aber neun Abgeordnete dagegen aus.
Zu Beginn der Sitzung scheiterte die von Patrick Simmer beantragte Verschiebung des Themas an der erforderlichen Mehrheit. Der Sprecher der Bürgerliste Ich tu’s erklärte, dass die Vorlaufzeit viel zu knapp gewesen sei, um sich mit der Materie auseinanderzusetzen. Dr. Jutta Etscheidt (WG Etscheidt) listete eine Reihe von Gründen auf, warum sie den Beschluss ablehnt. Darunter die Zerstörung von Natur und Trinkwasser. Die Ratsfrau verwies auf die tonnenschweren Fundamente, Zufahrten und das Hydrauliköl. Ebenfalls die verheerenden Folgen brennender Windräder im Wald. „Es geht auch ohne Wald“, kritisierte Dr. Jutta Etscheidt und verwies auf kommunale Versorger, die sich in Windparks einkaufen. Den Beschluss ohne zugrunde liegende Satzung bezeichnete die Heddesdorferin als Blindflug. Zumal zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht klar sei, welche Flächen überhaupt benötigt werden? Abschließend verwies sie auf rechtliche Risiken beim Rückkauf der Flächen. Und schließlich könne MdB Erwin Rüddel die Idee, das Mittelrheintal zum Unesco-Welterbe anzumelden, ad acta legen.
Beigeordneter Ralf Seemann entgegnete, dass die Energieerzeugung ein Produktionsprozess sei. Da müsse man eben Kompromisse machen. Letztendlich verbleibe der Wald im Eigentum der Stadt, da es sich bei den SWN um eine einhundertprozentige Tochter handelt. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Sven Lefkowitz pflichtete seinem Vorredner bei, dass die Beschlussvorlage den Räten erst am Vortag präsentiert wurde. Grundsätzlich lobte der Sozialdemokrat aber das Vorhaben und sieht keinerlei rechtliche Risiken. „Wir stimmen für die Vorlage, weil wir davon ausgehen, dass die Bürger, die SWN und die Stadt Neuwied spürbar profitieren werden“. Von der Kritik an dem Vorhaben sichtlich emotional tangiert, äußerte Martin Hahn völliges Unverständnis. Schon jetzt sei klar, dass das maximal zwei Grad Erderwärmungslimit nicht einzuhalten sei. Die Weltmeere heizen sich auf und Europas Innenstädte werden zu Hitzepolen. Ganz zu schweigen von den zunehmenden Starkregenereignissen. Also müsse etwas unternommen werden, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und die Schöpfung zu bewahren. Kommunale Stadtwerke seien gefordert. Aber die meisten überfordert, weil die Eigentümer kein Geld haben. Neuwied habe dagegen die Möglichkeit, die Grundstücke als Kapitaleinlage zu übertragen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende sprach von einem Königsweg und davon, sich nicht aus der Verantwortung stehlen zu wollen. Es müsse im Sinne der Kinder und Enkelkinder sowie der Menschen, die heute schon weltweit unter der Klimaerwärmung leiden, gehandelt werden.
Regine Wilke (Bündnis 90/Die Grünen) verwies darauf, dass die Errichtung von Windrädern eine Mammutaufgabe für die SWN seien. Die Umsetzung werde dadurch möglich, dass weder Pacht oder Kosten für den Kauf von Grundstücken entfallen. Schließlich sollen die SWN auch in Zukunft den Bürgern als Betreiber der Deichwelle und Unterstützer von Vereinen und Veranstaltungen zur Seite stehen. Tobias Härtling (BSW) mochte die Debatte nicht nachvollziehen: „Wir reden doch hier nicht über einen privaten Investor, sondern über die SWN als einen Teil der Stadt Neuwied“. FF