Im Rheinbacher Stadtrat kochten die Emotionen hoch

Turnhalle der Grundschule Merzbach sollals temporäre Flüchtlingsunterkunft dienen

Rheinbach. Die Emotionen kochten hoch in der jüngsten Sitzung des Rheinbacher Stadtrats, als es um eine provisorische Notunterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine ging. Selbst Bürgermeister Ludger Banken (parteilos) kommentierte einige Wortmeldungen aus den Reihen von CDU und Grünen kopfschüttelnd: „Wenn ich so etwas höre, dann schwillt mir der Kamm!“ Doch am Ende fand sich gegen die Stimmen der CDU eine deutliche Mehrheit für seinen Vorschlag, als „Ultima Ratio“ aus der Turnhalle der katholischen Grundschule Merzbach für eine kurze Übergangszeit eine Notunterkunft für geflüchtete Menschen zu machen. Aber nur, falls absehbar keine ausreichenden Unterbringungsmöglichkeiten mehr vorhanden seien.

Rechtzeitig vor einer tatsächlichen Inanspruchnahme der Turnhalle als Notunterkunft soll eine Informationsveranstaltung für die Örtlichkeit angeboten werden. Von der Inanspruchnahme von Mehrzweckhallen und Resilienzzentren als Flüchtlingsunterkünfte soll grundsätzlich abgesehen werden. „Wir wollen das überhaupt nicht, müssen aber für den Fall der Fälle vorbereitet sein“, versicherte Banken und versprach: „Wenn wir es irgendwie verhindern können, werden wir es verhindern.“ Doch derzeit seien schon 285 geflüchtete Menschen in eigenen städtischen sowie angemieteten Objekten untergebracht. Es bestehe darüber hinaus noch eine Aufnahmeverpflichtung für 91 Personen, die jederzeit weiter steigen könne. Erfreulicherweise habe der Erste Beigeordnete Dr. Raffael Knauber mit der Bezirksregierung Arnsberg vereinbaren können, dass zunächst pro Woche nur vier Flüchtlinge zugewiesen würden. Dennoch zeige die Unterbringungsprognose, dass die städtischen Kapazitäten voraussichtlich Ende Februar 2023 erschöpft seien.

Zusätzlichen Wohncontainer

erst Ende April bezugsfertig

Die beiden zusätzlichen Wohncontainer für die Wohncontaineranlage am Schornbuschweg seien zwar bestellt, würden jedoch erst in zwei Monaten geliefert und könnten daher auch erst Ende April bezugsfertig sein. Die Verwaltung bemühe sich zwar, weitere Möglichkeiten zur Unterbringung von geflüchteten Menschen auszuschöpfen, etwa durch Verdichtung der Belegung, Hilfe bei der zur Wohnungssuche anerkannter Flüchtlinge oder das Anmieten von privatem Wohnraum. „Ziel all dieser Maßnahmen ist es, städtische Turn- und Mehrzweckhallen für eine - wenn auch nur kurzfristige Belegung - nicht heranziehen zu müssen“, so Banken. Sollten die Maßnahmen jedoch nicht greifen und durch die Bezirksregierung Arnsberg kein Aufschub bis zur Bezugsfertigkeit der zusätzlichen Wohncontainer am Schornbuschweg gewährt werden, sei es jedoch unabdingbar, schon jetzt die Herrichtung weiterer Notunterkünfte vorzubereiten. Dafür sei eine Entscheidung über den Standort der Notunterkunft erforderlich. Die Verwaltung habe daraufhin eine Reihe von möglichen Standorten untersucht und größtenteils wieder verworfen. Dabei habe sich herausgestellt, dass am besten die Turnhalle der Kath. Grundschule in Merzbach geeignet sei, um temporär Platz für rund 100 geflüchtete Menschen zu schaffen.

CDU-Fraktionschef Joachim Schneider vermisste jedoch sowohl ein pädagogisches Konzept wie auch die Berücksichtigung der Mobilität der Flüchtlinge. Angesichts seit Jahren fehlender Hallenkapazitäten sei es fraglich, jetzt erneut eine Turnhalle als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen. Seine Fraktion wolle die Existenz der Sportvereine, die eine wichtige Funktion für die Entwicklung der Jugend besäßen, nicht erneut einer existenziellen Gefahr aussetzen. Letztlich war er an der Ansicht, die Stadtverwaltung habe noch nicht alle Alternativen in ausreichendem Maße geprüft. „Da schwillt mir der Kamm“, konnte Banken daraufhin sichtlich genervt nur kopfschüttelnd entgegnen.

Über das geäußerte

Menschenbild nachdenken

Als dann noch Axel Nagel (Grüne) darauf aufmerksam machte, dass der Schulhof für die Schüler da sei und es Probleme geben könne, wenn 100 Schüler auf 100 Flüchtlinge träfen, platzte auch dem Erste Beigeordneten Dr. Raffael Knauber die Hutschnur. „Wir sollten einmal über unser Menschenbild nachdenken, das hier geäußert wird. Es handelt sich um eine Notsituation, in der wir Menschen ein Zuhause geben müssen, die durch den Krieg alles verloren haben. Und dann reden manche über pädagogische Konzepte.“ Ohnehin komme er sich bei einigen Fragen aus den Reihen der CDU vor wie bei der Inquisition, was von einer Missachtung der Rathaus-Mitarbeiter zeuge. Hinsichtlich der Zeitachse gebe es noch sehr viele Unwägbarkeiten, „aber ich bin zuversichtlich, dass wir die Sache ohne eine Sperrung der Turnhalle hinbekommen können.“

Dr. Georg Wilmers (SPD) warf der CDU vor, eine Situation heraufzubeschwören, die es ihr ermögliche, sich um eine missliebige Entscheidung herumzudrücken. „Damit sie nachher sagen können: Wir haben uns für die Turnhallen eingesetzt.“ Wobei Ferdinand Pfahl (CDU) darauf hinwies, dass der Stadtrat nun mal dafür gewählt sei, sich auch um die Belange der Rheinbacher Bürger und Vereine zu kümmern, und nicht nur um die Flüchtlinge.

Jana Rentzsch (FDP) plädierte schließlich dafür, die Emotionen aus dem Thema herauszunehmen und sah den Vorschlag, die Merzbacher Halle zu nutzen, als gangbare Kompromisslösung. Doch wenn sich die Situation so weiterentwickle, müsse auch beim Land und bei der Bezirksregierung interveniert werden, damit die Flüchtlingsunterbringung grundsätzlich auf andere Beine gestellt und die Kommunen entlastet würden.