Offener Brief an Herrn Anton Werhahn, Verwaltungsrats-Vorsitzender der Wilh. Werhahn KG, Neuss

Verstehen sie unser Leid unddie zugrunde liegenden Gründe?

Sehr geehrter Herr Werhahn! Wir, die Frauen der von der Rathscheck-Misere betroffenen Frauen und Familien, können mit unserem Wissen und unserer Betroffenheit nicht hintenanstehen und wollen uns auch zu Wort melden. Denn Familien werden gelegentlich „pflichtgemäß“ erwähnt, aber das ganze Ausmaß im Falle einer Schließung der Moselschiefer-Bergwerke für uns, unsere Männer, unsere Kinder und Enkel ist wohl den Verantwortlichen für das herbeigeführte oder mindestens in Kauf genommene Desaster nicht verinnerlicht.

Wir haben in persönlichen Kontakten, Gesprächszirkeln und auch Gesprächen mit Dritten, darunter uns bekannten Dachdeckermeistern, die allseits bekannten Fakten und unsere leidvollen Erfahrungen und Probleme ausgetauscht. Überall besteht kein Verständnis für die Rathscheck-Vorgänge, weder bezogen auf die empathielose und geradezu desinteressierte Geschäftsführung, noch auf den Verlauf der Gespräche für eine (Zitate),,sozial verträgliche Lösung“.

Wenn das Vorstandsmitglied Dahnke u.a. schreibt, ,,die Geschäftsführung hat nach unserem Ermessen alles getan, um den Erhalt der Produktion zu sichern“, so ist zu rätseln, ob das schwarzer Humor oder eine unfassbare Unkenntnis über das letzte Jahrzehnt bis heute ist. Nehmen sie in Neuss nicht zur Kenntnis, was alle Branchenwelt und potenzielle sowie Noch-Kundenkreise wissen und von den Dächern pfeifen? Über die fehlende Unternehmer-Qualifikation und ausgebliebene Aktivitäten ist ausreichend geschrieben worden. Der menschliche Umgang ist so verheerend, dass auch Angestellte trotz anderslautender Zusagen nicht mehr an ihre Zukunft bei Rathscheck glauben und weinen. So wie wir als jetzt Betroffene in den Familien weinen. Wir wissen glaubwürdig, dass es im Bergwerk - nach einiger Zeit wieder erfolgreich - weitergehen könnte, wenn die Führung einem aktivem, motivierendem und unbelastetem Management übertragen würde, mit der Wiederherstellung von Autorität und Glaubwürdigkeit.

lm Jahre 2015 fand in der Mayener Halle 129 eine der letzten Barbarafeiern statt, in der von den Niederlassungsleitern von Werhahn verkündet wurde, man müsse sich keinerlei Sorgen um die Zukunft machen. Wir Frauen mit unseren Männern wurden beruhigt, obwohl wir aus Familiengesprächen und Bekanntentreffen wussten, wie schlecht es um die zukunftsorientierte Führung bestellt war. Als kürzlich aus aktuellem Anlass das SWR Fernsehen um eine Dreherlaubnis Untertage bat, wurde diese verweigert. Das SWR hat dann einen Dreh Untertage aus 2012 aus den Archiven in die Berichterstattung eingebaut, in dem Herr Jäger auf entsprechende Frage versicherte, an den entsprechenden Stellen seien gesicherte Abbaumöglichkeiten für die nächsten 30 Jahre. Wie ist die Unternehmens-Übersicht der beiden Werhahn-Niederlassungsleiter auch aus solchen Umständen heraus zu beurteilen? Wir hören aus bekannten Dachdeckerkreisen, dass auch beträchtliche Marktverluste zu verzeichnen sind.

Die vor Ort Verantwortlichen sind nicht nur ihren sicher gut bezahlten Aufgaben nicht nachgekommen, sondern auch vorwiegend Ego-getrieben. Beispiel neben vielen anderen mitleidlosen Verhaltensweisen: Was sollen (im Übrigen ungeschickte) wiederholte Aussagen (auch von Herrn Vos), man leide unter der Presse, und die Kinder der Leitenden würden unangenehm angesprochen. Denkt man nicht daran, dass auch unsere Kinder unangenehm angesprochen werden? ln Einzelfällen werden sie schon mit „Hartz lV“ verspottet. Und unser Leiden ist ja wohl ungleich größer. Beispiel Rummel zu einem Kumpel: „Warum lachen Sie, ich habe noch meinen Job“. Viele Umgangstöne sind dem Vernehmen nach nicht mehr steigerungsfähig, und schon gar nicht zitatreif.

Sehr geehrter Herr Werhahn, nachdem wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass Vorstand und Verwaltungsrat trotz in den letzten Monaten sicher erweiterten Wissens bei ihrer Entscheidung bleiben, bitten wir wenigstens Einfluss zu nehmen, dass die mehrfach versprochene, „sozial verträgliche Lösung“ wirklich auch das ist, was man aus dieser Ausdrucksweise verstehen muss. Unsere finanziellen Schäden sind enorm. Die Vermittelbarkeit in eine andere Arbeitsstelle ist angesichts der bekannten, besonderen Umstände von Alter und außerhalb „Schieferspezialist“ gering. Die von Ihnen propagierte mögliche Arbeitsaufnahme an anderer Stelle des Konzerns ist - Entschuldigung - auch eine Luftnummer. ln einem lieblosen unkommentierten Aushang, ohne Besprechung, werden Stellen genannt, die in drei Fällen 40 - 63 km, in weiteren 13 Fällen zwischen 85 - und 415 km entfernt sind, und außerdem Umschulungen erforderlich machten, von denen keine Rede ist. Für 50 Arbeitsplätze ist es ohnehin kein Angebot, und bei dieser Ausgangslage und Behandlungsweise ist es eher ein untauglich öffentlich gemachtes Alibi. Unsere Männer haben sicher auch nicht das Einkommen von z.B. leitenden Angestellten, das einen kostenintensiven Umzug nicht mit allen Problemen ermöglichen würde.

Was halten Sie von neuerlichen Aussagen lhrer abgestellten Verhandlungsführer, aufgrund fehlender Finanzierbarkeit könne man über ein (Anm.: für normale Kündigungen) übliches Maß keine Abfindungen zahlen, wenn aber die Presse nicht mehr beteiligt werde, könnte (z.B. eine Aussage) „Werhahn das Portemonnaie etwas weiter aufmachen“.

Wir wünschen lhnen und lhrer Familie dennoch ein frohes Weihnachtsfest. Ein Solches werden Sie bei uns allen nicht unterstellen können. Es wird das Schlimmste unseres Lebens und wird von Trauer und Weinen bestimmt sein. Unser Herz blutet.

Vielleicht können Sie einmal kurz innehalten und an uns denken.

Glückauf

Die Ehefrauen der bei

Rathscheck Schiefer von der

Massenentlassung

betroffenen Männer