Bürgermeister Guido Orthen:„Wir sind es leid, von übergeordneten Behörden immer wieder gesagt zu bekommen: Schneller geht nicht!“

Wiederaufbau nach der Flut:Das Ende der Geduld

Wiederaufbau nach der Flut:
Das Ende der Geduld

Die Ahr in Bad Neuenahr im Mai 2022. Foto: ROB

Kreisstadt. So langsam sind sind Bürgermeister Guido Orthen (CDU) und mit ihm der Stadtrat von Bad Neuenahr-Ahrweiler Ahrweiler am Ende ihrer Geduld angelangt. „Wir sind es leid, von übergeordneten Behörden immer wieder gesagt zu bekommen: Schneller geht nicht“, machte Orthen bei der jüngsten Sitzung des Stadtrats seinem Unmut mit deutlichen Worten Luft. Was die Stadt an Tempo verlegen wolle, werde an anderer Stelle konterkariert.

Das Geplänkel von Behörde zu Behörde sei manchmal schwierig, und je weiter der 14. Juli 2021 in der Vergangenheit rücke, desto mehr verschwinde die Ahr aus dem Bewusstsein der Köpfe in Berlin und Mainz. So werde die Stadtverwaltung gezwungen, immer mehr Aufgaben an sich zu ziehen, die von anderen Behörden sträflich vernachlässigt werden. „Wir wollen uns nichts aufhalsen, weil wir so viel Zeit haben – aber wir müssen endlich auf die drängendsten Fragen unserer Bürger Antworten finden.“

Aktuelles Beispiel sei das Gewässerwiederherstellungskonzept für die Ahr. Die Kreisverwaltung Ahrweiler habe als für den Ahrverlauf zuständige Behörde verschiedene Ingenieurbüros mit der Erstellung von Gewässerwiederherstellungskonzepten für die einzelnen Kommunen entlang der Ahr beauftragt. Das für die Kreisstadt zuständige Ingenieurbüro Gebler (Walzbachtal/Baden-Württemberg) wolle aber nach einer Grundlagenermittlung ausschließlich Maßnahmenvorschläge ausarbeiten. Konkrete Planungen oder eine Betrachtung des Ahrverlaufs werde das Büro nicht erstellen. Für die Erarbeitung der Maßnahmenvorschläge werde eine Bearbeitungszeit von etwa einem Jahr genannt, konnte es Stadtplanungsleiter Alfred Bach kaum fassen. Erst dann sollen umsetzungsfähige Planungen erarbeitet und eine Abstimmung mit dem Umweltministerium als Zuschussgeber erfolgen, wobei auch für diese Planungen und deren Umsetzung laut Landeswassergesetz die Kreisverwaltung Ahrweiler zuständig sei.

Stadt will Aufgabenselbst übernehmen

Doch solange wolle man nun wirklich nicht warten, machte Bach klar. Um die Arbeiten zur Wiederherstellung der Uferbereiche im Stadtgebiet zu beschleunigen, sei mit dem Kreis vereinbart worden, diese Aufgabe an die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler zu übertragen. So könnten zeitnah über die Aufbau- und Entwicklungsgesellschaft sowohl die Planungen erstellt, als auch die Maßnahmen durchgeführt werden. Das Ministerium habe dieser Vorgehensweise bereits zugestimmt, die Kreisverwaltung bereite derzeit eine entsprechende Vereinbarung vor, die dann den städtischen Gremien zur Entscheidung vorgelegt werde.

Prioritäten sind gesetzt

Die Wiederherstellung der Ahr habe für die Kreisstadt Priorität, so Orthen. Wobei er auch klar machte, man könne den Flusslauf nicht so herstellen, wie er vor der Flut war, sondern müsse es anders machen, „angepasst an das, was wir erlebt haben und auf neue Erkenntnisse in Sachen Hochwasserschutz.“ Leider werde aber das „Andersmachen“ nach jetzigem Stand nicht gefördert, „diese Sorge muss man uns nehmen“, forderte Orthen. Das gelte beispielsweise für Retentionsflächen, die nach Ansicht der Verwaltung im direkten Zusammenhang mit der Wiederherstellung der Ahruferböschungen stünden. Gleichzeitig mit den Plänen zur Wiederherstellung des Ahrufers seien somit auch die Planungen zu möglichen Retentionsflächen im Rahmen des Hochwasserschutzes zu erstellen.

Keine Förderungfür Hochwasserschutz

Laut Umweltministerium würden für Hochwasserschutzmaßnahmen weder die Planung noch der Bau über die Wiederaufbauhilfe gefördert. Hier gebe es nur eine Förderung von 50 bis 80 Prozent. Gleiches gelte für Maßnahmen zur Rückhaltung von Niederschlagswasser aus den landwirtschaftlichen Flächen und den Bachläufen. Dabei würden davon gerade die Anlieger im unteren Ahrverlauf profitieren, wie auch das Stadtgebiet bei vergleichbaren Hochwasserschutzmaßnahmen im Oberlauf der Ahr. Deshalb müsse der Hochwasserschutz so organisiert werden, dass er zwischen den Kommunen entlang des gesamten Ahrlaufes aufeinander abgestimmt werde. Auch dies müsse zu 100 Prozent vom Land gefördert werden, so Orthen, denn dabei gehe es um zig Millionen Euro, die nicht von den einzelnen Kommunen getragen werden könnten.

Dissens gebe es auch in der Frage, wie ein überörtlicher Gewässerschutz organisiert werden könne. Das Land schlage hier die Gründung eines Zweckverbandes vor, die hauptamtlichen Bürgermeister seien jedoch der Ansicht, dies sei Sache des Kreises, etwa in Form der bereits existierenden Hochwasserpartnerschaft. Die Diskussion über die Förderung und die Organisation des überörtlichen Hochwasserschutzes dürfen aber nicht verhindern, dass die notwendige Maßnahmen verwirklicht werden.

Völliges Unverständnis zeigte Orthen jedoch für den Vorschlag der SGD Nord in Koblenz, für den Bereich der Ahrauen zwischen Lohrsdorf und Bad Bodendorf ein Modellprojekt „Hochwasserschutz – naturnahe Auenentwicklung“ ins Leben zu rufen. Dafür solle die Ahraue in diesem Bereich in ihrem jetzigen Zustand bleiben und keine Wiederherstellung des Zustandes vor der Hochwasserkatastrophe erfolgen. Damit sollen die Bereiche „Hochwasserschutz“ und „Naturschutz“ miteinander verknüpft und gleichzeitig ein Mehrwert für den Tourismus und die Naherholung geschaffen werden. Ein solches Projekt habe derzeit für die Stadt nur eine geringe Priorität, zumal es dort nur eine eingeschränkte Entwicklungsmöglichkeit gebe. In den Überlegungen sei nämlich weder die geplante Anbindung der B266 im Zuge der Ortsumgehung Lohrsdorf berücksichtigt, noch der hier verlaufende Ahrtalradwanderweg und eine damit einhergehende Erholungsnutzung des Gebietes.

Nicht das erste Mal Probleme mit übergeordneten Behörden

CDU-Fraktionschef Christoph Kniel bestätigte, es sei „nicht das erste Mal, dass wir mit übergeordneten Behörden Probleme diskutieren müssen“.„Wir sind dankbar für die bisherige Hilfe, müssen aber sehen, dass er jetzt endlich weiterkommen.“

SPD-Fraktionsvorsitzender Werner Kasel konnte ebenfalls nicht fassen, dass elf Monate nach der Flutkatastrophe der dringend benötigte Plan zur Wiederherstellung der Ahr noch lange auf sich warten lasse. Erst zwei Jahre nach der Flut könne mit konkreten Planungen begonnen werden, deren Umsetzung sei in noch weitere Zukunft gerückt. „Das darf nicht sein“, rief er. Sein Fazit: „Es gibt sehr viel zu tun. Lasst es uns gemeinsam nicht noch länger liegen lassem.“ Auch Alfred Förner (FWG) wünschte sich mehr Druck, um viele Dinge zu beschleunigen und beklagte die bisherigen Zeitverlust. Weniger Sisyphusarbeit, mehr schnelle Lösungen forderte auch Rolf Deißler (FDP). Lediglich Dr. Jürgen Lorenz (Wählergruppe Jakobs) war der Ansicht, „wir können die Natur nicht zwingen und müssen uns mit den Gegebenheiten abfinden.“ Länderübergreifend sei ein ganzer Strauß an Maßnahmen nötig, um den Hochwasserschutz zu verbessern.