Der Oberbürgermeister stellt sich den Fragen Blick aktuell

„Wir reden von einer Situation,die so nicht vorhersehbar war“

„Wir reden von einer Situation,
die so nicht vorhersehbar war“

Oberbürgermeister David Langner sieht in den unvorhersehbaren Sicherheitsproblemen der Pfaffendorfer Brücke einen Grund für die aktuelle Zuspitzung der Verkehrssituation in Koblenz. Foto: privat

Blick aktuell: Koblenz steht, wenn man manchen Schlagzeilen Glauben schenkt, kurz vor einem Verkehrsinfarkt. Wie stellt sich aus Ihrer Sicht die Verkehrssituation in der Stadt dar und welche konkreten Maßnahmen plant die Stadtverwaltung, um die Stau- und Brückenproblematik zu entschärfen? Wie sehen aus Ihrer Sicht realistische Szenarios aus, um mit der Situation fertig zu werden, und wie lange müssen die Autofahrer mit diesen Einschränkungen leben?

David Langner: Seit dem Samstag ist die Pfaffendorfer Brücke auf zwei Fahrspuren verengt. Nach wie vor geht uns nun um P+R-Parkplätze und deren Anbindung an ÖPNV, Betriebszeiten der Seilbahn, Fährzeiten von Ehrenbreitstein aus, Sensibilisierung zum Bilden von Fahrgemeinschaften, Sensibilisierung zur Nutzung des ÖPNV, flexible Arbeitszeiten. Hier wird vieles geprüft und es laufen viele Gespräche. Durch bauliche Maßnahmen wollen wir so schnell wie möglich erreichen, dass eine dritte Spur auf der Pfaffendorfer Brücke mit Richtungswechseloption eingerichtet werden kann.

Blick aktuell: Zur Verminderung der Verkehrsbeeinträchtigungen werden jetzt vonseiten der Stadtverwaltung unterschiedlichste Maßnahmen erwogen, die von der Intensivierung des ÖPNV bis hin zu konkreten Gesprächen mit großen Firmen und Behörden reichen? Hätte zumindest diese Strategie der Schadenbegrenzung nicht schon früher einsetzen können?

David Langner: Wir wissen von dem unerwartet hohen Fortschreiten der Brückenschädigungen ja auch erst ein paar Wochen, seit Vorliegen des neuesten Brückengutachtens. Bis dahin gingen wir davon aus, dass wir unseren Plan, den Brückenneubau unter voller Belastbarkeit der alten Brücke angehen zu können.

Blick aktuell: Mit Blick auf die gleichzeitigen Verkehrsbehinderungen an der Pfaffendorfer Brücke, der Südbrücke und der Bendorfer Brücke stellt sich die Frage nach einer zielgerichteten Koordination von Straßenbaumaßnahmen in der Stadt und ihrem regionalen Umfeld. Also konkret gefragt. Wie wurde die Stadt in die Planungen und Terminierung der Baumaßnahmen eingebunden und hätte die jetzt beklagte Zuspitzung der Situation durch ein vorausschauendes Verwaltungshandeln vermieden werden können? Ist also Vorwurf einer „chaotischen Planung“ oder des „Brückenirrsinns“ zutreffend?

David Langner: Es sind Absprachen unter Beteiligung des LBMs Cochem-Koblenz, des LBMs Autobahnamt Montabaur und der Stadtverwaltung Koblenz zu den Baumaßnahmen an Südbrücke und Bendorfer Autobahnbrücke vor etwa einem Jahr erfolgt. Aus diesen Absprachen und zugrunde liegenden Erfahrungswerten, war damals eine zeitgleiche Sanierung der Südbrücke und der Autobahnbrücke als machbar eingestuft worden. Zu diesem Zeitpunkt und bis vor ein paar Wochen war das uns vorliegende Schadensbild aus vorangegangenen Gutachten so, dass die Pfaffendorfer Brücke bis zur Fertigstellung des Neubaus in den nächsten Jahren voll belastbar eingestuft war. Das von einem Fachbüro nunmehr erstellte Gutachten zum Brückenzustand zeigte aber einen unvorhersehbar ansteigenden Schadensverlauf. So blieb nur das Ergreifen der jetzigen Sofortmaßnahmen, um nicht in absehbarer Zeit eine Vollsperrung der Brücke vornehmen zu müssen.

Wir reden also von einer Situation, die so eben nicht vorhersehbar war. Es ging hier um die Sicherheit der Brückennutzer – die steht an erster Stelle.

BLICK aktuell: Sehr oft zeigt sich, dass Zuspitzungen von Problemlagen und Krisen Lerneffekte auslösen. Was lernt die Stadtverwaltung oder Sie als Oberbürgermeister aus der jetzigen Situation. Müssen kommunalpolitische Prioritäten nach diesen Stauintermezzos neu justiert werden?

David Langner: Wir bewerten natürlich solche Situationen auch für uns intern und schauen, was man in den Abläufen optimieren kann. Die Grundentscheidung zu den Sofortmaßnahmen steht hier aber außer Frage. Wir haben jüngst wegweisende Beschlüsse zur deutlichen Verbesserung des ÖPNV getroffen. Wenn diese umgesetzt werden, sind wir auf einem guten Weg deutliche bessere Angebote im Busverkehr machen zu können. Also ich wusste persönlich auch ohne Pfaffendorfer Brücke, dass wir hier etwas tun müssen.

BLICK aktuell: Ob bei der Stickoxidbelastung durch Dieselfahrzeuge oder bei allen Fragen, die mit der geplanten Mobilitätswende und dem ÖPNV zusammenhängen, wird deutlich, dass die Akteure von der Kommune über das Land bis zum Bund und zur EU koordiniert vorgehen müssten, um erfolgreich zu sein. Wie müsste eine solche ganzheitliche Verkehrspolitik aus kommunaler Sicht angelegt sein?

David Langer: Es muss aus meiner Sicht mehr darauf geschaut werden, was vor Ort für Lösungen angestrebt werden müssen. In Koblenz kann z.B. die Seilbahn eine stärkere Rolle übernehmen - und der Bund könnte dies fördern. Beim Land hoffen wir auf ein kluges Nahverkehrskonzept, dass uns hilft den ÖPNV zu stärken. Die Bundesregierung müsste aus meiner Sicht außerdem gegenüber der Autoindustrie mehr Druck machen, damit es Entschädigungen für mangelhafte Technik für die Bürgerinnen und Bürger gibt.

Das Interview führte

Helmut Schwarz