Leserbrief zu Umbenennung der Stadtgalerie in Galerie Mennonitenkirche

Zusatz fiel schnell unter den Tisch

Im Mai 2019 hatten die Unterzeichnenden ein Gespräch mit Herrn Oberbürgermeister Jan Einig, in dem wir um die Rückumbenennung der „Stadtgalerie“ in „Galerie Mennonitenkirche“ warben.

Zuvor hatten wir die Fraktionen des Stadtrates angeschrieben und um Unterstützung unseres Vorschlages gebeten. Von CDU, SPD und den Freien Wählern erhielten wir zustimmende Signale. Kurz zur Vorgeschichte: Die Umbenennung der „Galerie Mennonitenkirche“ in „Stadtgalerie“ erfolgte im Handstreich zum Jahreswechsel 2012/2013 ohne Information oder gar Beteiligung der Betroffenen. Eine lebhafte Leserbriefwelle führte zu einem runden Tisch, der zu folgendem Kompromiss führte: Unter dem Namen „Stadtgalerie“ sollte der Text stehen „in der ehemaligen Mennonitenkirche aus dem Jahre 1768“. Dass dieser sperrige Zusatz sehr bald unter den Tisch fallen würde, war von vornherein abzusehen. Heute wird er von der Stadtgalerie selbst höchstens noch im Kleingedruckten verwendet. Das Ersuchen zur Rückumbenennung begründet sich hauptsächlich aus Folgendem: Neuwied ist mit Recht stolz darauf, dass seine Gründung und seine Blüte auf der Garantie religiöser Toleranz und bürgerlicher Freiheiten wie der Presse- und der Steuerfreiheit fußten. Deshalb siedelten sich zahlreiche Glaubensgemeinschaften hier an, unter ihnen die ersten liberalen Mennoniten, die Herrnhuter Brüdergemeine und die Juden. Sie verhalfen der Stadt zu Reichtum und Ansehen, weit über die Region hinaus. In Nord- und Südamerika wird Maximilian zu Wied verehrt; die meisten englischen Romantiker besuchten die Schule der Brüdergemeine. Neuwied könnte mit diesem Pfund wuchern. Diese gewachsene Tradition und die zahlreichen weltbekannten Persönlichkeiten – um nur die europaweit agierende Möbelfabrik Röntgen (Herrnhuter Brüdergemeine) oder die Uhrmacherfamilie Kinzing (Evangelische Mennonitengemeinde) hinzuzufügen – sind in unserer Region ein Alleinstellungsmerkmal. Stattdessen lassen wir es zu, dass unsere Stadt in der Geschichtslosigkeit und der Gesichtslosigkeit versinkt. Was hat Neuwied noch zu bieten? Leerstände allüberall; nicht einmal der „Köln-Düsseldorfer“ macht mehr Station. Die Geschichte Neuwieds wurde auf kleine Hinweisschilder an Lichtmasten verbannt. Das barocke Gebäude der Mennonitenkirche ist eines der letzten aus der Gründerzeit unserer Stadt. Bereits im Jahr 1660 siedelten eine mennonitische und eine jüdische Familie in der neugegründeten Stadt. Das immer mal wieder vorgebrachte Argument, allein die Bezeichnung „Mennoniten“ gebe unter den Austellern Anlass zu Vorurteilen, sollte nicht Anlass zur Kapitulation, sondern zur Klarstellung und Aufklärung über unsere historisch gewachsenen Werte sein. Wir ersuchen den Anfang November tagenden Hauptausschuss, eine Entscheidung zu fällen, die den traditionellen Werten unserer Stadt Rechnung trägt und somit zukunftsweisend ist.

Hanspeter Schladt, Neuwied

Rolf Wüst, Neuwied