Charlotte Hager ist als Erste Beigeordnete zurückgetreten - Schwerwiegende Anschuldigungen gegenüber Bürgermeister Andreas Geron

Paukenschlag im Sinziger Rathaus

Paukenschlag im Sinziger Rathaus

Bürgermeister Andreas Geron verteidigte sich gegen die Anschuldigungen.

Paukenschlag im Sinziger Rathaus

Ein neuer Streitfall im Sinziger Rathaus sorgt für Aufruhr.Fotos: RASCH/ROB/Archiv

Paukenschlag im Sinziger Rathaus

Charlotte Hager erhebt bei ihrem Rücktritt massive Vorwürfe gegen den Bürgermeister.

Paukenschlag im Sinziger Rathaus

Christian Weidenbach, Fachbereichsleiter Personal & Verwaltung, schlüsselte den Tagesablauf des 21. Januars auf.

Sinzig. Charlotte Hager ist am Mittwoch vergangener Woche von ihrem Amt zurückgetreten. Der Rücktritt der Christdemokratin, die seit 40 Jahren in der Kommunalpolitik aktiv war, kam überraschend und mit einem Paukenschlag: In ihrem Rücktrittsschreiben erhebt Hager schwerwiegende Vorwürfe gegenüber Bürgermeister Andreas Geron. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei mit ihm nicht möglich; Hager fühle sich instrumentalisiert und ignoriert. Andreas Geron weist die Anschuldigungen vehement zurück. „Die Vorwürfe sind unwahr“, so der Bürgermeister.

Hager: „Schwerer Vertrauensbruch, die eine weitere Zusammenarbeit unmöglich macht“

Das Rücktrittsschreiben wurde Bürgermeister Geron am Mittwochabend vorgelegt. Charlotte Hager bemängelte in ihrem Schreiben, dass eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Geron nicht möglich sei. Die Zusammenarbeit bezeichnet Hager als „mangelhaft“. Über Vorgänge, die die Verwaltung oder die Politik betreffen, sei sie nicht informiert worden. Außerdem sei Hager in der Öffentlichkeit „nicht als Beigeordnete“ wahrgenommen worden. Im Vertretungsfall habe Hager außerdem „stets einen verschlossenen Schreibtisch vorgefunden“. Dies sei ein Verhalten, dass sie von Gerons Vorgängern im Bürgermeisteramt nicht kenne. Hager war Beigeordnete seit 1999. Sie hat in ihrer Amtszeit insgesamt drei Sinziger Bürgermeister erlebt.

Als viel massiver empfinde Hager einen Vorfall der jüngeren Vergangenheit. Am 21. Januar leistete Hager eine Unterschrift unter ein Antwortschreiben, das an Helga Schmitt-Federkeil, Vorsitzende der Sinziger Wählerunion, adressiert war. Inhalt war die Ablehnung eines Antrages der Wählerunion, die Zukunft des Nahversorgungszentrums in einer repräsentativen Bürgerbefragung zu entscheiden. Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Aufnahme auf die Tagesordnung der nächsten Stadtratssitzung seien nicht erfüllt, hieß es in dem Schreiben. Hager klagt an, dass sie „erhebliche Bedenken“ angemeldet habe, diese Unterschrift zu tätigen. Dennoch habe sie der Bürgermeister darauf hingewiesen, dass sie dazu verpflichtet sei. Geron selbst sei in der Angelegenheit befangen und könne somit nicht unterschreiben. Die Befangenheit sei hier jedoch nicht gegeben, wie Charlotte Hager im Gespräch mit BLICK aktuell erklärte. „Ein Verwaltungsvorgang wie die Unterzeichnung eines Antwortschreiben kann nicht zu Befangenheit führen,“ erklärt sie. Vielmehr sei der Bürgermeister an dem betreffenden Tag selber im Amt gewesen und hätte die Unterschrift also selbst tätigen können. Hager bekundete in diesem Zusammenhang, sich genötigt gefühlt zu haben und reagiert auf den Vorgang mit Unverständnis. Denn laut der ehemaligen Beigeordneten sei Geron bei anderen Schriftstücken, die das Nahversorgungszentrum betreffen, nicht befangen gewesen und habe eine entsprechende Unterschrift geleistet.

Der Hintergrund: Im Nachgang der Sitzung des Ältestenrat am 21. Januar habe Christian Weidenbach, Fachbereichsleiter Personal & Organisation, Hager gebeten eine Unterschrift unter die Antwort an Schmitt-Federkeil zu setzen. Hager bestreite nicht, diese geleistet zu haben. Jedoch habe sie anschließend bei Bürgermeister Geron Bedenken angemeldet, verbunden mit der Bitte, die Unterschrift zu revidieren. Diesem Wunsch sei nicht nachgekommen und das Schriftstück an Schmitt-Federkeil versandt worden. Als „schlimm“ und „kurios“ bezeichnet Hager die weitere Entwicklung. Denn das Schreiben soll beim Empfänger als Kopie angekommen sein. So heißt es in Charlotte Hagers Stellungnahme zum Rücktritt: „Das Schreiben […] musste wegen eines Schreibfehlers neu erstellt werden. Statt Hager ein zweites Mal zur Unterschrift zu bitten, wurde die Unterschrift kurzerhand eingescannt.“ Hager bezeichne dies als „schweren Vertrauensbruch“. Sie hätte sich weitere Rücksprache gewünscht, da das Schriftstück aus ihrer Sicht rechtlich ein neues Dokument darstelle. Hager bezeichnet dies letztendlich als den „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.“

Helga Schmitt-Federkeil, der Empfängerin des Briefes, sei aufgefallen, dass es sich bei der Unterschrift nicht um ein Original handeln könne und habe Hager über diesen Umstand informiert. Dies führte bereits zu einer hitzigen Diskussion bei einer öffentlichen Ausschusssitzung. Schmitt-Federkeil konfrontierte hier Geron mit dem aus ihrer Sicht gegebenen Vorwurf der Nötigung. Schließlich habe sich Hager mit der zu tätigenden Unterschrift unter Druck gesetzt gefühlt. Im Gegenzug sehe sich Andreas Geron dem Straftatbestand der Bezichtigung einer Straftat ausgesetzt.

Geron: „Alleine gelassen mit einer Beigeordneten, die in einen Untreuevorwurf verwickelt ist“

Am vergangenen Freitag hatte Bürgermeister Andreas Geron zur Pressekonferenz geladen, um zu den schwerwiegenden Vorwürfen Stellung zu beziehen. Gerons Antwort kam mit Nachdruck: „Die Vorwürfe und Anschuldigungen Hagers sind unwahr.“ Um die Vorgänge am 21. Januar aufzuschlüsseln, hatte Geron ebenfalls Christian Weidenbach, Fachbereichsleiter Personal & Organisation, zur Konferenz geladen. Im Detail schilderte Geron seinen Tagesablauf. Die von Hager geschilderten Vorgänge haben nicht stattgefunden und der Bürgermeister weist die Vorwürfe vehement zurück. „Ich habe kein Gespräch mit Frau Hager geführt, ich habe nicht die Unterschrift eingeholt oder Frau Hager gar genötigt, wie Frau Schmitt-Federkeil behauptet“, so Geron.

Am 21. Januar war für 17.30 Uhr die Sitzung des Ältestenrates angesetzt gewesen; aufgrund einer fehlerhaften Zeitangabe auf der Einladung zur Sitzung waren Hager und anderen Mitglieder des Ältestenrates bereits um 17 Uhr vor Ort im Rathaus. Christian Weidenbach habe um ca. 17.05 Uhr an dem betreffenden Montag im Januar Hager gefragt, ob sie Zeit habe den Vorgang zu besprechen. Dort habe Hager eigenhändig und freiwillig das Antwortschreiben unterzeichnet; das Gespräch im Büro Weidenbachs fand „insgesamt in einer angenehmen Atmosphäre“ statt, wie Weidenbach attestiert.

In der weiteren Entwicklung habe Hager bei einer/einem nicht näher genannten Mitarbeiter/in der Verwaltung angerufen. In dem Gespräch habe sie Bedenken über ihre bereits getätigte Unterschrift angemeldet. Der Brief, der zu diesem Zeitpunkt bereits in der Poststelle des Rathauses lag, wurde aufgrund Hagers Bedenken wieder aus dem Postausgang geholt. Am 22. Januar habe Geron mit Hager über diese Bedenken gesprochen. Geron habe Hager gebeten, den Vorgang zu überdenken. „Ich habe Frau Hager telefonisch mitgeteilt, dass der Brief erst versendet werde, falls sie sich heute nicht mehr melden würde“. Der Bürgermeister habe sich anschließend nicht mehr um den Vorgang gekümmert, jedoch Christian Weidenbach. Dem Fachbereichsleiter sei ein Rechtschreibfehler im Adressfeld aufgefallen. „Statt dem korrekten Namen „Helga“ wurde der Adressat fälschlicherweise „Helge“ genannt“, erläuterte Weidenbach. Da es sich bei den Antwort um ein zweiteiliges Schreiben handelte, korrigierte Weidenbach die fehlerhafte Seite 1. Die Seite 2, und somit die Seite, auf der Hagers Unterschrift zu finden sei, fügte Weidenbach im Original an. Hager habe sich daraufhin nicht mehr gemeldet, somit sei der Brief am 23. Januar versendet worden.

Dass es sich bei dem Dokument nun um ein rechtlich betrachtet völlig neues Schriftstück handele, lasse Bürgermeister Geron nicht gelten und berufe sich auf das Verwaltungsgesetz. „Offensichtliche Rechtschreibfehler dürfen ohne weitere Vorlage korrigiert werden.“ Dieser Umstand allein bemächtige somit die Verwaltung ohne Rücksprache, den ersten Teil des Schriftstücks zu kopieren. Außerdem wies der Bürgermeister erneut darauf hin, dass der Teil des Dokuments, auf dem Hagers Unterschrift zu finden ist, im Original versandt worden sei. Von den von Hager erwähnten Scans könne somit keine Rede sein, dies sei laut Geron schlicht „gelogen“. Auch der „Vorwurf der Nicht-Befangenheit“ seitens Hager streitet Geron im Gespräch mit BLICK aktuell ab. „Die Beigeordnete ist bei Befangenheit der rechtliche Vertreter des Bürgermeisters“, so Geron. Deshalb bat Weidenbach auch Hager zu unterschreiben, obwohl Geron präsent und somit weder im Urlaub noch erkrankt gewesen war. Den Vorwurf, in der Vergangenheit bereits andere verfahrensrechtliche Dokumente, die das Nahversorgungszentrum betreffen, unterschrieben zu haben, weist Geron als „unwahr“ von sich.

Besonders nachdrücklich war die Stellungnahme Gerons zu dem von Hager geäußerten Vertrauensbruch und dem „verschlossenen Schreibtisch“. Dies sei laut Geron „lächerlich“. In der Schreibtischschublade befänden sich sensible Dokumente, beispielsweise den Datenschutz betreffend. Viel bedeutsamer sei jedoch, dass sich dort auch juristische Vorgänge zur Dienstwagenaffäre seines Amtsvorgängers Wolfgang Kroeger befänden, die auch Charlotte Hager betreffen. Logischerweise seien die nicht frei zugänglich.

Von Vertrauensbruch könne keine Rede sein. „Ich wurde mit einer Beigeordneten, die in einen Untreuvorwurf verwickelt ist, alleine gelassen“, sagte der Bürgermeister mit Nachdruck. Und: „Woher soll das Vertrauen denn stammen?“. Auch den Vorwurf des Ignorieren Hagers weist er zurück. „Gemeinsame öffentliche Termine fanden nicht statt“, so Geron.

Als Fazit der Pressekonferenz appellierte Geron an die Fraktionen im Stadtrat: „Lassen Sie uns in Zukunft fair zusammenarbeiten.“

Stellungnahmen, Leserbriefe und mehr finden Sie in unserem Dossier zum Hager-Rücktritt.

-ROB-