Heimatgeschichte im BLICK

Apfelernte vor 60 Jahren

Von Werner Schüller

11.10.2017 - 10:18

Kreis Ahrweiler. Es war Mitte Oktober. „Heute fahren wir Äpfel pflücken“, sagte der Großvater. Der eisenbereifte Erntewagen wurde zurechtgemacht und das Pferd eingespannt. Körbe, Bütten, Kisten und Leitern waren schnell aufgeladen, und bald kamen wir auf der ersten Obstwiese an.


Äpfel behutsam pflücken


Dort standen zwei große Apfelbäume, beide waren über hundert Jahre alt. Sie wurden weder gedüngt noch gespritzt. Heute würde man sie als reine Bioapfelbäume bezeichnen. Der eine war von der Sorte her ein Boskop und der andere ein rheinischer Bohnapfel, beides alte Apfelsorten. Der Boskop ist ein etwas säuerlicher Apfel, der zur Erntezeit noch sehr sauer schmeckt. Aber dieser Apfel ist in einem dunklen und kühlen Keller bis zum Frühjahr haltbar. Damit Schadstellen vermieden wurden, mussten die Äpfel sehr vorsichtig gepflückt werden.

Vom Baum gefallene Früchte eignen sich zur Lagerung nicht. Die gepflückten Äpfel wurden behutsam in eine Kiste gelegt, die auf dem Boden mit Holzwolle oder Stroh ausgelegt waren. Nachdem auch das Fallobst in Säcken aufgesammelt war, ging es als nächstes zu dem Bohnapfel. Die Frucht dieser Apfelsorte ist klein, außen von grüner und roter Farbe, und innen ist weißes Fruchtfleisch. Der Apfel ist sehr saftreich und eignet sich gut zum Belegen von Kuchen und zur Herstellung von Apfelsaft und Apfelmus. Diese Äpfel wurden vom Baum geschüttelt und bald lagen sie unter dem Baum in einer dicken Schicht. Dieses Fallobst wurde in Säcke aufgelesen. Nach dem Aufladen der Ernte ging es zum nächsten Grundstück mit Äpfeln und danach noch zu einer weiteren Obstwiese. Am späten Nachmittag konnten wir mit einem gut beladenen Wagen den Heimweg antreten. Die gepflückten Äpfel wurden im Keller fein säuberlich nach Sorten zur weiteren Lagerung in den Obstregalen ausgelegt.


Für die Saftbereitung wurden Äpfel gewaschen


Die Jutesäcke und Bütten mit dem Fallobst wurden im Keller und in der Scheune abgestellt. Im Keller verbreitete sich bald ein unverwechselbarer Duft. Wenn die Fallobsternte gut war, verkauften wir einen Teil davon an einen Jagdpächter zur Wildfütterung. Von dem Rest sollte dann Apfelsaft oder Apfelwein gemacht werden.

Zu der Zeit war der „Buß- u. Bettag“, der Mitte November auf einen Mittwoch fiel, ein Feiertag. Dieser Tag wurde bei uns meistens zur Apfelsaftbereitung genutzt. Dazu hatten wir uns von Bekannten aus dem Dorf eine Spindelpresse ausgeliehen. Bevor die Äpfel verarbeitet wurden, mussten sie gewaschen werden. Zu dem Zweck schüttete man die Äpfel in eine mit Wasser gefüllte Holzbütte. Durch das Rühren mit einem frischen Birkenreisigbesen wurden sie von eventuell vorhandenen Unreinheiten befreit. Aus der Bütte heraus wurden auch vorhandene faule Früchte aussortiert.


Gekeltert wurde mit einer Spindelpresse


Zum Pressen mussten die Äpfel fein zerkleinert werden. Das besorgte ein sogenannter „Muser“, welcher fast in jedem landwirtschaftlichen Betrieb zu finden war. Das Gerät diente normalerweise zum Zerkleinern von Rüben, Knollen und Knollenblätter, die so als Mus zerkleinert an die Schweine verfüttert werden konnten. Nachdem der Muser von innen mit heißem Wasser gesäubert worden war, gab man zur weiteren Säuberung einen Korb Äpfel in den Muser. Das daraus entstandene Mus wurde aber nicht zur Saftgewinnung verwendet, sondern auch an die Schweine verfüttert. Danach wurden die Äpfel zur Saftbereitung nach und nach in dem Muser zerkleinert. Das Mus wurde in einen sauberen Jutesack in die Spindelpresse gegeben. Etwa 40 Liter Mus passten in den Presskorb der Presse. Sobald das Mus in der Presse war, lief gleich der erste Apfelsaft über die Rinne aus der Kelter heraus. Schnell wurden Gläser aus der Küche geholt, denn jeder Helfer wollte jetzt den ersten frischen Saft probieren. Der weitere Pressvorgang erfolgte durch das Drehen der Kurbel an der Spindel. Ab und zu musste beim Pressen eine kleine Pause eingelegt werden, um den Saft nachziehen zu lassen.

Wenn nur noch ein winziger Strahl Saft aus der Presse lief, wurde die Kurbel hochgedreht und der Korb der Presse konnte seitlich geöffnet werden. Der Inhalt der gepressten Äpfel war zu einem fast trockenen „Kuchen“ zusammengeschrumpft. Die Masse wurde nicht weiter verwendet. Nachdem der Saft in entsprechenden Gefäßen verteilt worden war, kam jetzt die Arbeit des Abfüllens in die Flaschen. Dazu hatte Mutter die Flaschen vom letzten Jahr schon sortiert und gespült.


Saft in Literflaschen gefüllt


Das waren meistens grüne Literflaschen, in die auch jetzt wieder der neue Saft gefüllt werden sollte. In einem Einkochkessel, der auf dem Herd in der Waschküche stand, wurde der Saft auf ca. 80 Grad erwärmt. Auf der Saftoberfläche bildete sich während der Erwärmung eine braune Schaumschicht, die mit dem Schaumlöffel abgeschöpft wurde. Hatte der Saft die Temperatur von 80 Grad erreicht, wurden die Flaschen mit heißem Saft gefüllt. Oben auf die Flasche kam eine passende rote Gummikappe. Nach dem Erkalten zog sich die Gummikappe fest um den oberen Flaschenhals und so war die Flasche luftdicht, fast steril verschlossen.

Der Saft war jetzt gut haltbar. Wir hatten so abgefüllte Saftflaschen, die schon bis drei Jahre lagerten und immer noch gut verschlossen waren. Der gewonnene Saft war jetzt jederzeit trinkfertig, aber er sollte ja als Erfrischungsgetränk im Sommer dienen und wurde daher vorher nur sparsam getrunken. So wurden in dieser Zeit bei guten Obstjahren bei uns etwa 100 - 150 Liter naturtrüber Apfelsaft gekeltert.

In späteren Jahren ließen wir einen Teil des Saftes in Glasballons vergären und es entstand Apfelwein, der auch als Erfrischungsgetränk diente.

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