Kunstkurse des Beruflichen Gymnasiums Technik auf den Spuren von Christian Boltanski
Fiktion real erscheinen lassen
Biografien von fiktiven Personen wurden mit hohem Maß an Kreativität erstellt

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Sie kennen Herbert Friedrich nicht ... oder Friedrich Gustaf Weimann ... oder Gerold Watla? Sicher: Bei diesen Personen handelt es sich nicht um bedeutende Personen der Geschichte und auch im lokalen oder regionalen Rahmen erfreuen sie sich keine großen Bekanntheit, geschweige denn Beliebtheit. Und dennoch: Sie alle waren Zeitzeugen der Verwerfungen des 20. Jahrhunderts. Sie haben gelebt, geliebt, sind gescheitert, waren erfolgreich, wurden geboren und sind gestorben. Oder zweifelt jemand etwa daran? Es gibt doch Belege, Indizien, wenn nicht gar Beweise: Fotos mit den verbliebenen Habseligkeiten, etwa ein Brief, alte, vergilbte Eintrittskarten, ein abgewetzter, in die Jahre gekommener Koffer, Stofftiere oder Schallplatten aus dem Nachlass der Verblichenen. Nicht zuletzt ein Youtube-Video, welches alle Fundstücke und die damit zusammenhängenden Biographien dokumentiert und für die Nachwelt sichert. Denn: Einmal im Netz existieren diese Personen gleichsam in und für die Ewigkeit. Das Netz vergisst nicht.
Zweifelt immer noch jemand, ist bei einer Google Recherche nicht oder nur bedingt fündig geworden, oder glaubt sich einem Geheimnis auf der Spur? Nun: Vielleicht sind die Zweifel berechtigt, vielleicht wurden die Biographien geschönt, verändert, dramatisiert. Vielleicht sind sie aber auch das Ergebnis eines Kunstprojektes der Schülerinnen und Schüler des beruflichen Gymnasiums der BBS des Landkreises. Denn oben genannte Personen und noch einige mehr existieren wirklich... Allerdings nur in der Fantasie ihrer „Schöpfer“, den Schülerinnen und Schülern des Beruflichen Gymnasiums Technik (BGYM.T14). Denn diese begaben sich, angeregt, angeleitet und motiviert durch ihre Kunstlehrerin Carla Kolz, auf die Spuren des zeitgenössischen Künstlers Christian Boltanski. Dessen Arbeiten kreisen um die Themen Erinnerung, Tod, Verschwinden, Vergänglichkeit und die Frage, inwiefern der Mensch dazu neigt, Wahrheit zu konstruieren, will sagen, zu erfinden.
Dazu erfindet Boltanski unter anderem Biografien fiktiver Personen, die er mit realen Gegenständen und Tatsachen verknüpft und auf diese Weise die Grenze zwischen Authentizität und Fiktion auflöst. Hier setzte die Arbeit der Schülerinnen und Schüler an. Nachdem sie sich im Rahmen des Kunstunterrichts zunächst intensiv mit Werken und Themen Boltanskis auseinandergesetzt hatten, erhielten sie die Aufgabe, die Biografie einer fiktiven Person an Hand eines zuvor ausgewählten S/W-Fotos zu erfinden und dazu eine Installation zu gestalten, welche den Betrachter glauben lässt, diese Person habe tatsächlich gelebt.
Würden die Schüler dies leisten können? Sich aus Spaß eine fiktive Person ausdenken, ein Leichtes! Geschenkt! Aber eine Person gleichsam zum Leben zu erwecken, indem man eine wasserdichte Biographie kreiert und diese mit realen Alltags- und Gebrauchsutensilien untermauert? Diese Aufgabe verlangte den Schülern neben der Planung und sachkundigen geschichtlichen Recherche ein besonders hohes Maß an Kreativität für die (geschichtlich) korrekte und logische Ausgestaltung der Biografie sowie der eigentlichen Installation ab. Und weckte bei dem ein oder andern unter ihnen auch Zweifel, ob diese Herausforderung tatsächlich zu meistern sein würde.
Doch einmal auf den Spuren einer vermeintlich fiktiven Existenz, blieb den Schülern keine Wahl als in die Tiefen dieser Biographie einzudringen. „Am Ende glaubten wir selbst fast an deren reale Existenz“, so eine Schülerin in der unterrichtlichen Nachbetrachtung. Und ein Mitschüler ergänzt: „Realität und Phantasie gingen irgendwie ineinander über.“
„Die Ergebnisse jedenfalls können sich sehen und hören lassen“, wie Carla Kolz zu berichten weiß, die zugibt, am Anfang selbst ein wenig gezweifelt zu haben, ob ihre Schüler der ihnen gestellten Aufgabe gewachsen sein würden.
Sie wurde nicht enttäuscht: Es entstanden erstaunliche, spannende, verwegene, liebevolle und auch traurige Biografien, die, während ihrer Präsentation, bei allen Beteiligten einen hohen Gänsehautfaktor hervorriefen. Kunstunterricht der besonderen Art, dessen Ergebnisse sich im Video im Internet unter www.youtu.be/2Z5zbMG9Y8A bewundern lassen.
Pressemitteilung der BBS