Victoria Bledsoe aus Remagen-Kripp engagiert sich in der Hilfsorganisation Humedica e.V. und hilft Menschen in großer Not

„Ich wollte nie nur für mein Glück leben, sondern anderen Menschen helfen“

Derzeit ist die engagierte, junge Frau auf den Philippinen im Einsatz

20.03.2014 - 09:31

Remagen-Kripp/Hawai/ Libanon/Philippinen. Dass sie gerne viel von der Welt sehen möchte, das war Victoria Bledsoe, die in Remagen-Kripp als ältestes von vier Geschwistern mit dem Mädchennamen Wenz geboren ist, schon immer klar. Dass es sie aber einmal nach Hawai, in den Libanon und nun auf die Philippinen „verschlagen“ würde, das hätte sie wahrscheinlich nicht gedacht. Im letzten Jahr war sie nach Hawai umgezogen, wo sie mit ihrem Mann Jeremy lebt. Als sie die Redaktion von „BLICK aktuell“ zum ersten Mal kontaktierte, da stand sie kurz davor, Hawaii für einige Wochen zu verlassen und in den Libanon zu fliegen. Die Hilfsorganisation Humedica e.V. versuchte dort, die medizinische Versorgung von syrischen Flüchtlingen zu sichern. Eine Arbeit, die auch vom Auswärtigen Amt unterstützt wurde. Doch das war im letzten Jahr. Derzeit, und das noch bis Mitte April, befindet sich die 29-Jährige auf den Philippinen. Dort hatte der Taifun Haiyan am 8. November 2013 mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 380 km/h unglaubliche Verwüstung angerichtet hat. „Der Taifun, welcher hier „Yolanda“ genannt wird, verwüstete die Visayas Region des Inselstaates in unbeschreiblichem Ausmaß. Mehr als 16 Millionen Menschen sind von den Auswirkungen des Sturmes betroffen. Ganze Landstriche waren dem Erdboden gleich, vier Millionen Menschen mussten ihre Heimat verlassen und wurden in Notunterkünften untergebracht. Die genaue Zahl der Toten steht immer noch nicht fest, da noch viele Menschen vermisst werden. Es sind aber Tausende, die von „Yolanda“ in den Tod gerissen wurden. Vor allem an den Küstenregionen starben die Menschen. Es hatten zwar alle mit einem Sturm gerechnet, auf eine Sturmflut allerdings war niemand vorbereitet. Viele ertranken in den gigantischen Wellen. Vor allem die unteren Bevölkerungsschichten fielen dem Wasser zum Opfer, da die Armenviertel, oft auch in Pfahlbauweise, sehr nah am Wasser, bzw. im Wasser gebaut sind“, schreibt Victoria in einer ihrer E-Mails. Als das Ausmaß des Taifuns bekannt wurde, war Humedica sehr schnell vor Ort. Nur wenige Stunden nach der Katastrophenmeldung saß das erste Team im Flieger. „Ich erhielt am 10. Dezember eine Rundmail mit Anfrage nach weiteren Freiwilligen. Da war ich gerade erst einige Wochen zuvor aus dem Libanon von dem Projekt mit syrischen Flüchtlingen zurückgekehrt, doch ich wusste sofort: Das will ich machen. Da mein Mann ab dem 10. Dezember beruflich für sechs Monate unterwegs sein sollte, meldete ich mich ab dem 11. Dezember und bekam den Job. Zunächst sollte ich für die Logistik-Koordination in Manila zuständig sein - bis Ende Dezember erreichten uns immer noch Hilfsgüter aus Deutschland. Seit 8. Januar bin ich nun Koordinatorin in Tacloban“, erzählt sie, wie es sie so kurz vom Libanon aus auf die Philippinen geführt hatte.


Immer schon wollte sie anderen Menschen helfen


Doch wie kam sie überhaupt dazu, in die Welt hinaus zu ziehen, um Menschen zu helfen. Victoria, mit der wir von „BLICK aktuell“ mittlerweile schon ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut haben, erzählt uns: „Meine Mutter war schon immer mein Vorbild, da sie sich als „einfache“ Bürokauffrau und alleinerziehende Mutter (meine Eltern sind geschieden) nach „oben“ gearbeitet hat. Heute ist sie die Projektassistenz bei großen Projekten der Zurich Versicherung in Bonn. Schon früh wusste ich, dass ich viel von der Welt sehen möchte, und habe mit 16 Jahren ein Auslandsjahr in den USA an einer High School verbracht. Eigentlich wollte ich Ärztin werden. Das scheiterte aber aufgrund meines Abiturschnittes von 2,7. Ich beschloss zunächst, abzuwarten und vielleicht über Wartesemester an einen Studienplatz zu gelangen. Ich absolvierte ein Freiwilliges Soziales Jahr beim Roten Kreuz als Rettungssanitäterin. Ich arbeitete ein knappes Jahr in Remagen auf der Rettungswache.

Danach begann ich eine Krankenpflegeausbildung. Nach zwei Jahren hatte sich die voraussichtliche Wartezeit auf 6-8 Jahre verlängert. Mit damals 24 Jahren schien mir dies wie eine Ewigkeit. Ich beschloss, meinen Traum aufzugeben und zog nach Augsburg. Dort begann ich mein Lehramtsstudium. Plötzlich war ich eine der Besten und im Jahr 2009 wurde ich schließlich in die Studienstiftung des deutschen Volkes aufgenommen. Ich ging, im Rahmen einer neuen Partnerschaft meiner Universität, ein Semester an die Hawaii Pacific University.“ Und dort lernte Victoria ihren Mann kennen. Nach einem halben Jahr zog sie zwar zurück nach Deutschland, doch die Liebe blieb. „Nach meiner Rückkehr wurde mir ein Studienplatz im Elitestudiengang „Ethik der Textkulturen“ angeboten. Ich nahm ihn an und studierte nun zusätzlich einen Masterstudiengang, beide schloss ich im Winter 2012 mit sehr guten Noten ab.

Endlich war es so weit, ich zog nach drei Jahren Fernbeziehung zu meinem Verlobten und wir heirateten im März 2013 in Laie, Oahu am Strand“. Auch ihre Familie war bei dieser schönen Feier in Hawaii mit dabei.

Doch trotz aller aufregender Ereignisse in ihrem Leben verließ die „Weltenbummlerin“ Victoria nie dieses Gefühl, ihrem Leben eine größere Bedeutung zu geben. „Ich wollte nie nur für mein Glück leben. Seit ich denken kann, wollte ich anderen Menschen helfen. Ich war Mitglied im Jugendrotkreuz und leistete Freiwilligendienst im Bayrischen Roten Kreuz während meines Studiums. In Hawaii arbeitete ich als Freiwillige im Obdachlosenheim. Ich wollte immer zu „Ärzte ohne Grenzen“, doch das blieb mir ja durch den NC verwehrt. Kurz vor dem Staatsexamen bekam ich die Möglichkeit, am Koordinatoren-Training von Humedica mit möglichem Einsatz im Ausland teilzunehmen. Ich kratzte mein letztes Geld zusammen und fuhr 7 Wochen vor der ersten Prüfung des Examens nach Kaufbeuren. Es war all das, was ich mir immer vorgestellt hatte. Ich wollte Menschen helfen, die nicht so viel Glück hatten wie ich, in einem demokratischen Land in Frieden zu leben. Gerade als Frau ist dies etwas sehr besonderes“. Als die E-Mail für ihren ersten Einsatz kam, zögerte Victoria daher keine Minute.

Unter ihrem Moskito-Schutz spät am Abend schreibt sie uns wieder ein paar Zeilen, damit wir uns vorstellen können, wie ihre Arbeit auf den Philippinen aussieht: „Wir arbeiten mit einem kleinen Team von ständig wechselnden, ehrenamtlichen Ärzten und Krankenschwestern unter der Leitung unserer Country Koordinatorin. Humedica agiert vor allem im „Mother of Mercy“-Krankenhaus. Dieses wurde durch den Taifun stark beschädigt. Seit fast zwei Monate greift Humedica dem Krankenhaus unter die Arme. Wir finanzieren die Reparatur des Daches und die Kosten für Personal und laufende Kosten. Dafür können wir kostenlose Behandlungen in unserer Ambulanz anbieten. Hier behandeln wir zwischen 150 und 200 Patienten am Tag. Schwere Fälle können wir in unserer Charity Station aufnehmen. Nach Prüfung der finanziellen Situation werden bedürftige Patienten dort kostenfrei behandelt. Ich bin neben vielem anderen für die Einzelfallhilfen zuständig. Darunter fallen Patienten, die so schwer krank sind, dass sie eine größere Behandlung benötigen, als wir sie im Rahmen unserer Möglichkeiten anbieten können.“ Victoria schildert das Schicksal des 16-jährigen Reggie, einem Jungen, der mit einer schweren Herzerkrankung zu Humedica kam. Diese hatte er zwar schon vor Yolanda, doch der Sturm hat die allgemeine Lebenssituation natürlich noch weitaus verschlechtert. So hatte die Familie nicht nur ihr Reisfeld verloren, sondern auch ihr Haus und all ihr Hab und Gut. Die Medikamente für ihren Jungen konnten sie sich nicht mehr leisten: „Meine Arbeit war es, Ärzte zu finden, Kostenvoranschläge einzuholen, den Patienten und seine Familie zu Terminen zu begleiten.“ Dann schließlich war es so weit - ein Termin im Herzzentrum Manila stand fest. Victoria begleitete den Patienten und seinen Vater nach Manila. Die beiden waren noch nie zuvor geflogen, bzw. hatten auch noch nie ein Flugzeug aus der Nähe gesehen. Zu Hause pflügen sie ihr Feld mit Holzpflug und Wasserbüffel, da war dieses Erlebnis schier gigantisch. Für Reggie war es aber auch ein Erlebnis, dass ihm helfen wird, hoffentlich irgendwann einmal gesund zu werden. Ein erster Herzkathetereingriff war zwar erfolgreich, doch wird er in den nächsten Wochen auch noch eine künstliche Herzklappe erhalten.“ Neben Reggie betreut Victoria noch viele weitere Fälle. Fast täglich wenden sich Menschen Hilfe suchend an sie und Humedica und bitten - teils unter Tränen - um Hilfe. Meist kann die Organisation helfen, manchmal müssen sie Patienten aber auch wegschicken oder an andere Institutionen verweisen. „Das ist immer furchtbar schwer“, betont die gebürtige Remagenerin und sie erzählt weiter: „Eine andere Aufgabe, der Humedica hier vor Ort nachkommt, und die ich oft mit betreue, sind die „Medical Missions“. Wir fahren in Zusammenarbeit mit der staatlichen Gesundheitsbehörde in die kleinsten Dörfer, die oft noch keine Hilfe erfahren haben. Dort errichten wir dann eine kleine Gesundheitsstation und behandeln Patienten. Meine Arbeit hier ist sehr vielseitig. Von der Organisation unserer „Medical Missions“, der Reparatur unseres Krankenhaus Daches, der Zollabwicklung unseres internationalen Kargos, über die Betreuung unserer Einzelfallhilfen bis hin zur Organisation und Inventarisierung unseres Lagers und dem immer so wichtigen „Networken“ mit anderen Organisationen, betreue ich alles Mögliche. Meine Tage sind sehr lang und spannend. Ich erlebe mehr als ich hier in Worte fassen kann. Besonders beeindruckend ist die Mentalität der Philippiner: Sie geben nicht auf. Überall wird gebaut und aufgeräumt. Das Ausmaß der Zerstörung hier ist unfassbar, Kilometer und Kilometer ist alles kaputt: Straßen, Häuser, Strommasten, usw. Doch die Freundlichkeit, Motivation und der Lebensmut der Menschen hier ist unzerstörbar“, beendet Victoria ihren Brief an die Redaktion von BLICK aktuell. Wir sind beeindruckt von dieser jungen Frau und überwältigt von ihren Schilderungen. Unsere eigenen Sorgen scheinen uns wieder ganz klein, unwichtig und absolut banal. Danke liebe Victoria, dass Du uns hast teilhaben lassen an deinen Erlebnissen. BLICK aktuell hofft, Ihnen bald wieder einmal etwas von Victoria Bledsoe berichten zu können.


Wenn Sie Humedica e.V. unterstützen möchten:


Wer übrigens die Arbeit von Humedica unterstützen möchte, der kann spenden an:

Humedica e.V.

Sparkasse Kaufbeuren

Spendenkonto: 47 47

BLZ: 734 500 00

BIC (SWIFT-Code):

BYLA DE M1 KFB

IBAN:

DE35734500000000004747

Jede Menge Infos über die Organisation und deren Engagement gibt es im Internet unter: www.humedica.org

/Ute Weiner

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