Seit zehn Jahren befasst sich Erhard Wacker aus Remagen mit dem Gotteshaus

„Kulturlandschaft Apollinarisberg“

21.01.2016 - 10:04

Remagen. Ihre prägnanten Kreuzblumentürme wirken wie Schlüsselreize. Wer sie von der B9 oder vom Hang der Waldburgstraße aus sieht und den Rang der Apollinariskirche in der sakralen Landschaft kennt, dem halten die Türme schlagartig geballte Kulturgeschichte vor Augen. Über die Historie der Kirche und die jahrhundertelang praktizierte Wallfahrt hat Erhard Wacker aus Remagen für das jüngst veröffentlichte Heimatjahrbuch 2016 geschrieben.

Seit zehn Jahren befasst er sich immer intensiver mit dem Gotteshaus und dem Apollinarisberg insgesamt. Er ist unterwegs „als Forscher in den Archiven, als Gärtner, als Gesprächspartner, als Wanderer, als Grenzsteinsucher und Feldvermesser, Kirchenbesucher und Kirchenführer“, wie er sagt.

Der Autor und Herausgeber fehlt in dieser Aufzählung noch, denn in der von ihm verlegten Reihe „Remagener Apollinaris Bibliothek“ widmete Wacker bereits vier Titel seinem großen Thema. Das fünfte Büchlein, das von Liedern, Gedichten und Gebeten in Deutsch, Latein und Italienisch handeln soll, will er im Frühjahr herausbringen.

Wo wurde der Kulturinteressierte fündig? „Vor allem bei mir selbst“, lautet die Antwort. Das heißt, 70 Prozent der Texte waren bereits in seinen Dokumenten über die Apollinariskirche enthalten, die er unter einem anderen Fokus zusammengetragen hatte. Erneut gezielt durchforstet, brachten sie reiche Ausbeute. Zudem schrieb Wacker nach Ravenna, Düsseldorf, Arbach, wo der heilige Apollinaris verehrt wird, sowie nach Meckenheim, Köln oder Auenheim, wohin er Kontakte knüpfte, weil von dort Wallfahrer nach Remagen kommen.

Der Forscher in Eigenregie hat inklusive Internetrecherche einstweilen 85 Lieder, Litaneien und Messtexte ausgemacht. Dabei wundert ihn, wie aufwendig 1891 ein Büchlein mit festem Einband für die Pilgergruppe aus Mechernich gefertigt ist. Keineswegs wurden die Lieder nach Laune gesungen, sondern jeweils nur an bestimmten Wallfahrtsstationen. Dies ist auch ersichtlich aus dem Liederbuch von Sankt Georg Köln, eine Preziose namens „A Lauda Georgiana/ Das ist/ Die Georgianische singende und Gott=lobende Lerche/ oder/ Neue Ordnung deren, bey allen Proceßionen und Wahlfahrten, absonderlich aber bey der auß der Stiffts-Kirchen S. Georgii nach S Apollinaris=Berg außgehender Proceßion, bräuchlichen Gesängen…Gedruckt zu Cöllen/ auff Unkosten der Bruderschafft St. Apollinaris. 1717“.

Die Apollinariskirche aber ist mehr als ihre Einzelaspekte. Und das Gotteshaus, das unbestritten ein kulturelles Denkmal von überregionaler Bedeutung darstellt, muss zusammen mit dem über 900 Jahre alten Kloster gesehen werden. Zusammen bilden sie mit der im Rheinland weithin bekannten Wallfahrt ein auch heute aktives christliches Zentrum.

Die Kulturgeschichte dieser Kirchen- und Klosterstätte ist ungemein vielfältig. Sie lässt sich unter historischen, religiösen, kunstgeschichtlichen, politischen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten betrachten. Erhard Wacker plädiert dafür, von einer „Kulturlandschaft Apollinarisberg“ zu sprechen. Für ihn gehört der Kreuzweg dazu, über den die Pilger schon zum Berg zogen, bevor es die Stationen gab, ebenso die Familiengruft derer von Fürstenberg-Stammheim, die Lindenallee, die niedergelegte Josefskapelle, die Holzskulptur des heiligen Josef sowie Gartenflächen bei Koster - für die Brüder Boisserée und die Familie Fürstenberg-Stammheim reine Zierde, für die Franziskaner jedoch Nutzgarten.

Die wechselvolle Nutzung von Klosterland im Wandel der Zeit bezieht Wacker ebenfalls in diese Kulturlandschaft ein. Am Südhang des Berges, im Pachtvertrag mit den Franziskanern 1912 als Holzung und Ödland aufgeführt, wird heute Wein angebaut. Bergauf hinter der Franziskanerstatue liegen die ehemaligen Nutzflächen wie Hullenacker, Steinakkersfeld, Murrenplan und Brüchen. 1760 betrug der Grundbesitz des Klosters, damals Propstei des Siegburger Benediktinerklosters, 108 Hektar. Bis zur Franzosenherrschaft Anfang des 19. Jahrhunderts gehörten auch der Calmuther Hof und die Arsbrücker Mühle dazu. Der Besitz wird 1830 bei der ersten großen Fluraufnahme von den Preußen vermessen.

Zuvor hatte dies 1760 Landmesser Michael Wintzen auf 20 Din-A-4-Seiten im Auftrag des Klosters getan. Der promovierte Physiker Wacker stellte fest, dass den Preußen beim Umrechnen der von Wintzen verwendeten örtlichen Maße in preußische Maße Fehler von bis zu 70 Prozent Abweichung unterliefen.

Er will die umfangreichen Daten veränderter Besitz- und Nutzungsverhältnisse mittels eines Geoinformationssystems (QGIS) erfassen und vergleichen. „Im Programm kann man auch Gebäude einschreiben. Es eignet sich für eine fortschreitende Dokumentation“, erklärt Wacker. Möchte man etwa die Wasserversorgung mit Wasserleitungen, Zapfstellen und Springbrunnen festhalten, dann ist viel nicht nur in Archiven auffindbar, sondern auch heute noch in der Landschaft abzulesen. So stieß er im Frühjahr 2015 auf über 60 alte Grenzsteine.

Bei seinem nächsten VHS-Vortrag am Dienstag, 26. Januar, 19 Uhr, in der Mensa der Grundschule „St. Martin“, Alte Straße 11, geht es allerdings um Konzeption, Ausführung und Restaurierung der Fresken des Gotteshauses.

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