Burghaus Wassenach

Netzwerktreffen im Wassenacher Burghaus

Heimatforscher und Kulturfreunde gewannen durch Professor Rudolf Ewerhart faszinierende Einblicke

21.09.2013 - 12:00

Brohltal. Auf großes Interesse stieß das Ziel des jüngsten Netzwerktreffens, zu dem die Verbandsgemeinde Brohltal nach Wassenach eingeladen hatte. Im Außenbereich des barocken Wassenacher Burghauses, dem einstigen repräsentativen Sitz der Herren von Kolb, konnte VG-Bürgermeister Johannes Bell bei strahlendem Spätsommerwetter Vertreter von Heimat- und Kulturvereinen, Vulkanparkführer, Heimatforscher und Bürger mit Sinn für Kultur begrüßen, darunter „Stammgäste und neue Gesichter“. Zum Schluss sei das Gebäude ein Wirtshaus mit Tanzsaal gewesen, so Johannes Bell, der betonte: „Professor Rudolf Ewerhart hat es wunderbar restauriert und beherbergt darin die europaweit größte Privatsammlung historischer Musikinstrumente.“

Dann war es am Hausherrn, den Gästen sein nobles Domizil, das er nach Originalbefund in Hellrosa streichen ließ, zu zeigen und zu erläutern. Dies tat der Musikwissenschaftler und Instrumentenspieler so informativ und mit vielen Geschichten hinter der Geschichte, dass alle ganz Ohr waren. Als er und seine Frau das Haus 1982 erwarben und es in Mainz unter Denkmalschutz stellen lassen wollten, „kannten die das Gebäude überhaupt nicht“, wundert er sich immer noch. Arbeitsreiche Zeiten brachen für die Ewerharts an. Hofseitige nachträgliche Anbauten vom einstigen Hotelbetrieb bauten sie zurück. Nach der letzten erhaltenen Dachgaube rekonstruierte man alle übrigen. Außen wurde Pflaster verlegt und im ehemaligen Tanzsaal Parkett aus alter italienischer Eiche nach dem Muster eines süddeutschen Schlosses. Rudolf Ewerhart selbst führte sämtliche Stuckarbeiten durch.


Bauvertrag für das Burghaus existiert noch


Seit Mitte des 14. Jahrhunderts war die adelige Familie von Kolb in Wassenach ansässig. Die alte Kirche nutzte sie seit jeher als Hauskapelle und Grablege. 1772 bis 1775 ersetzten drei Brüder aus dem Adelsgeschlecht den maroden Vorgängerbau ihres Familiensitzes durch das bis heute erhaltene eindrucksvolle Burghaus, dessen Bauvertrag mit Nennung des Bauunternehmers und diverser Handwerker Professor Rudolf Ewerhart im Landeshauptarchiv Koblenz aufspüren konnte. Überdauert hat auch ein Nebengebäude, in dem einst die Pferde untergebracht waren.

Von der rund 160 Jahre dauernden Ära des Gasthauses zeugt indes ein lang gezogener Bau für die Kegelbahn. Rudolf Ewerhart berichtete, dass es damals im Luftkurort Wassenach noch 100 Fremdenzimmer gab. Fred Doll aus Plaidt, Leiter der Nickenicher Foto-Tage, erinnerte sich gut an seine Übernachtungen im Gasthaus. Weitere Gäste wussten mitzuteilen, dass Studenten ehemals bei ihren Aufenthalten Pfennige am Eingang warfen und sich die Jugendlichen des Ortes früher etwas verdienten, indem sie Reisende nach Wassenach in Tönisstein mit dem Handkarren erwarteten.

Am meisten berührt von diesem Blick in die Vergangenheit waren vermutlich die Schwestern Karin Gasber-Hoffmann und Ellen Gasber-Adams, Töchter des letzten Gasthof-Ehepaares. Sie hatten das Haus seit 30 Jahren nicht mehr betreten.


Klangwelt historischer Instrumente


Früher ging es im ersten Stock heiß her, wenn sich im Tanzsaal rund 100 Menschen gleichzeitig im Takt bewegten. Ob sie wohl wussten, dass die Decke von armdicken Ketten im Dachstuhl gehalten wurde? Professor Rudolf Ewerhart jedenfalls versammelte die Teilnehmer im ehemaligen Saal, der zu den Zeiten der Herren von Kolb noch in drei einzelne Zimmer unterteilt war, um seine Sammlung alter Musikinstrumente aus dem 17. bis 19. Jahrhundert vorzustellen.

Dazu gehört ein großer Wiener Konzertflügel, ein gut 300 Jahre altes Cembalo, eine Orgel, die in einem Hühnerstall lagerte und eine weitere, „hoch qualitätvoll“, von 1724, die der Instrumentensammler in Italien auf der Straße erwarb. Erst später entdeckte er unter ihrer Abdeckung eine beidseitig bemalte Holzplatte mit Krone und Hermelin, Motive, die ihn vermuten lassen, „dass es ein fürstliches oder königliches Instrument war.“ Wieder eine andere Ausführung hat womöglich Einsätze bei Freilichtgottesdiensten hinter sich, denn sie ist mit Tragegriffen ausgestattet. Daneben präsentierte der rührige Gastgeber ein um 1620 gebautes Virginal, das aufgeklappt zauberhafte Chinoiserien auf rotem Grund zeigt, ein kleines Hammerklavier von 1760/65 sowie jenes zierliche Spinettino eines 14-jährigen Mädchens, dessen „Tastatur so eng ist, dass man aufpassen muss, die Finger wieder herauszukriegen.“ Ins Staunen kamen die Zuhörer auch angesichts eines Hackbretts vom Anfang des 17. Jahrhunderts. Wie eh und je ist es in seinem Originalkasten aufbewahrt, von dem sich, das hob Professor Rudolf Ewerhart besonders hervor, „sogar der Originalschlüssel erhalten hat“.


Musik gegen die Pest


Diese und andere Beispiele mehr zeigte der Burghaus-Besitzer nicht nur. Er führte durch sein Spiel auch in faszinierende Klangwelten. Abschließend machte er auf ein außergewöhnliches Konzert mit geistlicher Chormusik aus dem 16. und 17. Jahrhundert aufmerksam. Es kommt am Sonntag, 6. Oktober um 17 Uhr in der Basilika St. Kastor in Koblenz unter dem Titel „CONTRA PESTEM – Musik gegen die Pest“ zur Aufführung und am Sonntag, 13. Oktober um 17 Uhr in St. Maria Himmelfahrt, Köln. Im Mittelpunkt steht das Werk „Missa Tempore pestilentiae“ für 16 Stimmen in vier Chören mit Basso continuo von Orazio Benevoli, den Papst Alexander VII. zu dieser Messkomposition beauftragte, als die Pest vor den Toren Roms stand. Professor Rudolf Ewerhart forscht seit zwei Jahren über Musik in den Zeiten der Pest. Er übertrug die Handschriften in moderne Notenschrift und bei ihm liegt die Hauptleitung des Konzert-Projekts. Bürgermeister Johannes Bell lobte Professor Rudolf Ewerhart zu Recht für „Sternstunden“ in Wassenach. Die begeisterten Zuhörer spendeten kräftig Applaus. Trotz der fortgeschrittenen Zeit kehrten die Netzwerker noch im Café Müller ein, um sich über aktuelle Projekte auszutauschen und einen erlebnisdichten Nachmittag gesellig ausklingen zu lassen.

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