Politik | 13.02.2015

Eklat bei der Grafschafter Gemeinderatssitzung: SPD, FWG, Grüne und FDP verließen den Saal

Gemeinderat war nicht mehr beschlussfähig

Erneut war keine Entscheidung in Sachen Straßenbäume in Nierendorf möglich

Grafschaft. Eine völlig unerwartete Wendung nahm die Sitzung des Grafschafter Gemeinderates, die ohnehin schon reich an Überraschungen war. Bürgermeister Achim Juchem musste die Sitzung nämlich mittendrin abbrechen, weil das Gremium nicht mehr beschlussfähig war. SPD, FWG, Grüne und FDP hatten geschlossen den Sitzungssaal verlassen, als es um die Zukunft der Straßenbäume in Nierendorf ging. Damit waren weniger als die Hälfte der Ratsmitglieder übrig geblieben, denn nur noch die 14 Ratsmitglieder der CDU – von insgesamt 29 – hielten die Stellung. Damit wurde die ohnehin schon wenig erbauliche Historie der Platanen im Herrenwiesenring, Akazienweg und Am Seifen in Nierendorf um ein weiteres unrühmliches Kapitel verlängert.

Den ersten Eklat gab es schon, bevor die Diskussion über diesen Tagesordnungspunkt überhaupt angefangen hatte. Bürgermeister Juchem sah nämlich die drei Sozialdemokraten Günther Bach, Udo Klein und Hans Peter Moog (alle Nierendorf) sowie den fraktionslosen Wilfried Klein (Leimersdorf) als befangen an, weil sie selbst oder ihre enge Verwandtschaft Grundbesitz an den besagten Straßen hätten. Während Wilfried Klein dies klaglos akzeptierte, erklärten sich die drei Nierendorfer Sozialdemokraten selbst für nicht befangen und weigerten sich, vom Ratstisch abzurücken.

Überprüfung der Entscheidung

In diesem Fall schreibt die Gemeindeordnung vor, dass in nicht-öffentlicher Sitzung der Gemeinderat darüber entscheidet, ob er eine Befangenheit der Kollegen sieht oder nicht. Das tat er und beschloss mit Mehrheit, alle vier für befangen zu erklären. Worauf hin zumindest die drei Sozialdemokraten erbost ankündigten, diese Entscheidung von der Kommunalaufsicht und notfalls auch vom Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen. Denn mit der Befangenheitsentscheidung sei getrickst worden, um eine falsche Mehrheit zu erreichen, legte SPD-Fraktionschef Hubert Münch kopfschüttelnd dar, was Bürgermeister Juchem allerdings zurückwies. Auch der Antrag von Mathias Heeb (Grüne), das Thema so lange zu vertagen, bis die Befangenheit der vier Ratsherren rechtssicher gutachterlich entschieden worden sei, wurde mit 13 zu 12 Stimmen abgelehnt.

So schien alles darauf hinauszulaufen, dass die CDU mit ihrem Vorhaben durchkommen würde, sämtliche 48 Platanen in diesem Gebiet zu fällen und durch Säulenahorne zu ersetzen. Doch es kam ganz anders, denn nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung verkündete Heeb den gemeinsamen Entschluss von SPD, Grünen, FWG und FDP, an dieser Abstimmung nicht teilzunehmen und geschlossen den Sitzungssaal zu verlassen. Damit war das Gremium nicht mehr beschlussfähig, bestätigte Juchem, und schloss die Sitzung. Womit auch die noch offenen 13 Tagesordnungspunkte nicht mehr behandelt werden konnten.

Neue Gemeinderatssitzung erforderlich

Diese müssen nun – ebenso wie die Nierendorfer Straßenbäume – in einer neuen Gemeinderatssitzung erneut thematisiert werden, so Juchem, der sichtlich „angefressen“ war, weil das leidige Thema einfach nicht zu einem wie auch immer gearteten Abschluss gebracht werden kann. Seit mehr als acht Jahren haben sich Gemeinderat, Ortsbeirat, verschiedene Fachausschüsse und die Baumschutzkommission schon unzählige Male damit befasst, ohne zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen. Und auch derzeit scheint eine solche nicht in Sicht. Soviel ist aber sicher: Zumindest bis Anfang November 2015 bleiben die Bäume weiterhin stehen.

Zuvor schon hatte sich der Gemeinderat mit der Zukunft der insgesamt 2600 Bäume im Bereich der Straßen und Friedhöfe der Gemeinde Grafschaft beschäftigt, teils ebenfalls mit kuriosen Ergebnissen. Dabei wurde zunächst einstimmig der Beschluss gefasst, die notwendigen Arbeiten für die Kronenrückschnitte an eine Fremdfirma zu vergeben, die sich nach und nach der Bäume in der Grafschaft annehmen soll. Pro Baum geht man dabei von Kosten zwischen 280 und 300 Euro aus. Das sei auf jeden Fall billiger, als wenn der Bauhof die Arbeiten übernehme, rechnete Juchem vor. Damit soll nun so schnell wie möglich angefangen werden, weil solche massiven Rückschnitte aufgrund naturschutzrechtlicher Vorgaben ohnehin nur in der Vegetations- oder Winterruhe, also von Anfang November bis Ende Februar, durchgeführt werden dürfen.

Neuer Grundsatzbeschluss gefasst

So weit, so gut. Denn nun galt es zu entscheiden, wie man künftig mit Anträgen auf Entfernung und Ersatzbepflanzung von gemeindlichen Bäumen innerhalb geschlossener Ortschaften verfahren wolle. Das Beispiel Nierendorf habe gezeigt, dass der bisherige Weg nicht optimal sei, so Juchem. Deshalb wurde ein bereits gefasster Grundsatzbeschluss vom 8. Dezember 2011 wieder abgeändert. Aber nicht so, wie es der zuständige Umwelt-, Agrar- und Forstausschuss in seiner jüngsten Sitzung vom 15. Januar einstimmig beschlossen hatte. Demnach hätte dieser Fachausschuss selbst abschließend entschieden, wenn das Votum gemeindlicher Gremien gefragt gewesen wäre.

Doch das sah die CDU mittlerweile anders und war drei Wochen später zu der Erkenntnis gelangt, dass der jeweils zuständige Ortsbeirat das Sagen haben müsse. „Wir sollten die örtlichen Kompetenzen nutzen, denn die Mitglieder der Ortsbeiräte kennen sich vor Ort am besten aus“, begründete CDU-Fraktionsvorsitzender Thomas Schaaf dies. Zugleich beantragten die Christdemokraten eine Änderung der Zusammensetzung der Baumschutzkommission - die auf Antrag von Lothar Barth (FWG) in einem Aufwasch gleich einstimmig in „Baumkommission“ umbenannt wurde.

Baumkommission künftig ohne Fachingenieur

Die Baumkommission soll nach dem Willen der CDU nicht mehr wie bisher aus einem Fachingenieur, dem gemeindlichen Förster sowie dem gemeindlichen Bauhofleiter bestehen, sondern aus dem jeweiligen Ortsvorsteher, dem gemeindlichen Förster und einem sachkundigen gemeindlichen Mitarbeiter aus der zuständigen Fachabteilung. Was SPD-Sprecher Hubert Münch zu der Feststellung veranlasste: „Dann ist die Baumkommission aber kein Fachgremium mehr.“ Auch aus haftungsrechtlichen Gründen halte er das für problematisch.

Der Ortsbeirat sei ohnehin das falsche Gremium für eine solche Entscheidung, weil hier zum einen die Fachkompetenz fehle und zum anderen die Gefahr von Befangenheit und sachfremden Rücksichtnahmen gegeben sei, so Münch weiter. Dem entgegnete Klaus Huse (CDU), dass man solche Fragen ohnehin nicht nur unter ökologischen Gesichtspunkten sehen dürfe, sondern auch soziale Aspekte und die Wohn- und Lebensqualität mit einbeziehen müssen.

Marcel Werner stimmte gegen eigene Fraktion

Nun hatte wohl jeder damit gerechnet, dass in der Abstimmung die CDU den Kürzeren ziehen würde, denn ihr fehlte eine Stimme zur Mehrheit, obwohl Wilfried Klein (fraktionslos) schon signalisiert hatte, sie in diesem Fall zu unterstützen. Doch es kam anders, denn zum allgemeinen Erstaunen stimmte Sozialdemokrat Marcel Werner (Nierendorf) gegen die eigene Fraktion und mit den Christdemokraten, sodass der CDU-Antrag mit 15 gegen 14 Stimmen die Mehrheit erhielt. Die entgeisterten Mienen seiner Fraktionskollegen sprachen Bände.

Künftig wird es also so sein: Im Fall eines einzelnen gesunden Baumes, der auf Antrag eines Anliegers entfernt werden soll, entscheidet künftig der Ortsbeirat, wobei die Baumkommission zuvor eine fachliche Empfehlung aussprechen muss. Sind sich Ortsbeirat und Baumkommission nicht einig, entscheidet letztlich doch der Umwelt-, Agrar- und Forstausschuss. Das gleiche gilt, wenn es um mehrere gesunde Bäume geht, die in einem Straßenzug entfernt werden sollen. Hierbei müssen allerdings auch die anliegenden Grundstückseigentümer vor der Entscheidung schriftlich angehört und hinsichtlich einer möglichen Ersatzbepflanzung beteiligt werden.

Leser-Kommentar
13.02.201522:30 Uhr
Heinz Müller

Die Ortsbeiräte seien das falsche Gremium, weil "die Fachkompetenz fehlt". Wie groß ist denn die "Fachkompetenz" im Gemeinderat?
Man fragt sich langsam wirklich, wie eine Gemeinde mit solchen Politikern einen Fisch wie Haribo an Land ziehen konnte. Wenn man diese ganze Geschichte verfolgt, wie lange und auf welchen Wegen da über teils immer die gleichen Bäume, teils aber auch über das Verfahren an sich diskutiert wird, das ist einfach nur noch lachhaft und ein trauriges, erbärmliches Armutszeugnis für alle (!) Beteiligten. In einer anderen Zeitung habe ich mal gelesen, das mittlerweile wohl auch viele Bäume von Anwohner angesägt oder anders beschädigt werden. Mal ganz ehrlich, kann man solche Aktionen nicht schon verstehen, wenn der in der Grafschaft vorgesehene Weg für solche Fragen einfach derart bescheuert abläuft?
Im Übrigen: Hut ab vor solchen "jungen Wilden" wie Marcel Werner. Das lässt vermuten, dass hier noch Sachpolitik im Vordergrund steht.

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