Ansprachen zur Eröffnung der Ausstellung im Katholischen Pfarrzentrum

Mitbürger unter Vorbehalt

- Remagener Juden zwischen Anerkennung und Vernichtung

Mitbürger unter Vorbehalt

Kurator Rudolf Menacher führte in die Ausstellung ein und dankte den zahlreichen Mitstreitern. Foto: AB

24.11.2013 - 14:38

Remagen. 75 Jahr nach der Pogromnacht wurde kürzlich die Ausstellung „Mitbürger unter Vorbehalt - Remagener Juden zwischen Anerkennung und Vernichtung“ eröffnet. Der offiziellen Eröffnung in der Villa Heros voraus ging eine ganze Reihe von Grußworten im katholischen Pfarrzentrum sowie die Einführung in die Ausstellung von Kurator Rudolf Menacher, der den zahlreichen Mitstreitern der Ausstellung dankte.

Grußworte sprachen Landrat Dr. Jürgen Pföhler, Bürgermeister Herbert Georgi, der erste Vorsitzende und Kantor der Jüdischen Gemeinde Neuwied, Dr. Jürgen Ries, der Imam der Türkisch-Islamischen Moscheegemeinde Remagen, Mevlüt Kaynak, und der Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Rhein-Ahr, Jürgen Tibusek. Das musikalische Rahmenprogramm gestalteten Anna Monschau, Katharina Axtmann und Matthias Loevenich unter der Leitung von Anja Borchers.


Begrüßung durch Dechant Dr. Johannes Meyer


Die Begrüßung oblag Dechant Dr. Johannes Meyer, da die Katholische Pfarreiengemeinschaft Remagen-Kripp Träger des Projektes ist. Dr. Meyer hieß neben den Rednern Justizstaatssekretärin Beate Reich, die Landtagsabgeordneten und Stadträte, Pfarrerin Elisabeth Reuter, Rudolf Menacher und Ehefrau Agnes, die die Eröffnung der Ausstellung vorbereitet hatten, sowie die zahlreichen Gäste im vollbesetzten Pfarrzentrum herzlich willkommen. Sein Dank galt Rudolf Menacher und seinen Mitstreitern für die Gestaltung der Ausstellung. Dr. Meyer betonte, dass die Erinnerung an das jüdische Leben in Remagen schon seit vielen Jahren lebendig gehalten werde. Er erinnerte an die beiden Mahnmale, die Glasstele von Horst Mölleken und den Davidstern von Gregor Caspers sowie an die Verlegung der Stolpersteine in Remagen.

„Warum gibt es noch immer Leute, die mit Hakenkreuzen durch die Gegend marschieren“, fragte sich Landrat Dr. Jürgen Pföhler angesichts des bevorstehenden Aufmarsches der „Rechtsextremen“ in Remagen. Gerade hier in Remagen, wo die Geschichte des ehemaligen alliierten Kriegsgefangenenlagers regelmäßig im November von rechten Gruppen verfälscht und instrumentalisiert werde, halte er Aufklärungsarbeit für besonders wichtig. „Eine solche Ausstellung, in der die Geschichte der jüdischen Mitmenschen mit vielen Aspekten gezeigt wird, beugt der Verfälschung dieses Teils unserer Historie vor“, so der Landrat. „Diese Aspekte jüdischen Lebens werden hier in Remagen in der hervorragend konzipierten und realisierten Ausstellung gezeigt. Ich hoffe, dass viele Bürgerinnen und Bürger, aber vor allem auch junge Menschen aus unserem Kreis, den Weg in diese gelungene Präsentation finden“, betonte Dr. Pföhler.


„Betroffenheit und Scham reichen nicht aus“


„Was wir heute sehen und hören macht betroffen. Doch angesichts der NS-Gräueltaten reichten Betroffenheit und Scham nicht aus“, betonte Bürgermeister Herbert Georgi. Es bedürfe einer kritischen und moralischen Selbstbindung für die Zukunft, um Minderheiten, Religionen, Presse und Kunst zu beschützen. Die Ausstellung sei ein wertvoller Beitrag, das schwierige Thema fassbar für Menschen zu machen.


„Eine fremdenfreundliche Haltung entwickeln“


Dr. Jürgen Ries zitierte den mit einer Jüdin verheirateten evangelischen Zeitzeugen, Theologen und Schriftsteller Jochen Klepper. Am 10. November 1938 hatte er in sein Tagebuch geschrieben: „Heute sind alle Schaufenster der jüdischen Geschäfte zerstört und in den Synagogen Feuer gelegt worden. Jüdische Männer wurden von der Geheimen Staatspolizei abgeholt“. In der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1942 sei Klepper mit Ehefrau und Tochter gemeinsam freiwillig aus dem Leben geschieden. „Unser heutige Jugend kann aus der Geschichte lernen und daraus eine fremdenfreundliche Haltung entwickeln“, betonte Dr. Ries.

Mevlüt Kaynak betonte, dass die Ausstellung ein wichtiger Beitrag für den Frieden in der Welt sei. Der Islam sage, dass Liebe und Brüderlichkeit ein grundlegendes Ziel sei. Menschenleben gelt es zu schützen und das Erbarmen sei wichtig gegenüber allen Lebewesen. Er wünschte sich, den Frieden und die Freiheit für die Kinder zu bewahren.

„Ich bin Deutscher und schäme ich dafür, dass so etwas wie die Judenverfolgung und -vernichtung passieren konnte, und dass junge Menschen heute noch die Geschichte nicht richtig kennen“, hob Jürgen Tibusek hervor. Aktiver Glaube habe auch etwas mit Toleranz zu tun. „Ich wünsche mir, dass diese Ausstellung dazu hilft, untereinander ins Gespräch zu kommen“, so Tibusek.

Kurator Rudolf Menacher, der die Einführung zur Ausstellung gab, betonte, dass die Juden bis 1933 lange Zeit unbehelligt in Remagen gelebt hätten. Sie hätten die Anerkennung und in einzelnen Fällen die Hochachtung ihrer christlichen Mitbürger genossen, ehe sie durch die nationalsozialistischen Judenhasser ausgegrenzt, wirtschaftlich ruiniert und letztlich deportiert und ermordet worden seien. Im Anschluss an die Reden besichtigten alle gemeinsam die beeindruckende Ausstellung in der Villa Heros. Die Ausstellung ist bis 27. Januar freitags bis sonntags von 15 Uhr bis 18 Uhr geöffnet.

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Stellenmarkt
Weitere Berichte

Fassungslosigkeit und Entsetzen bei Angehörigen und Beobachtern

Ex-Landrat wird nicht angeklagt: Einstellung des Verfahrens schlägt hohe Wellen

Kreis Ahrweiler. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat am 17. April 2024 das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Landrat des Landkreises Ahrweiler und den Leiter der Technischen Einsatzleitung (TEL) während der Flutkatastrophe an der Ahr 2021 eingestellt. Die umfangreichen Ermittlungen ergaben keinen ausreichenden Tatverdacht, der eine strafrechtliche Verurteilung ermöglichen würde. Dem Leitenden... mehr...

Polizei bittet Verkehrsteilnehmer keine Anhalter mitzunehmen

Andernach: Fahndung nach flüchtigen Personen und dunklem BMW

Andernach. Seit Mittwochabend, 17. April, gegen 22.37 Uhr finden im Bereich Andernach umfangreiche polizeiliche Fahndungsmaßnahmen nach flüchtigen Personen statt. Gefahndet wird nach einem dunklen 5er BMW mit Mönchengladbacher Kennzeichen (MG). Bei Hinweisen auf das Fahrzeug wird gebeten, sich umgehend mit der Polizei Koblenz unter 0261/92156-0 in Verbindung zu setzen. Nach derzeitiger Einschätzung besteht keine Gefahr für die Bevölkerung. mehr...

Regional+
 

Unfallfahrer konnte sich nicht an Unfall erinnern

Neuwied: Sekundenschlaf führt zu 20.000 Euro-Schaden

Neuwied. Am Montag, 15. April ereignete sich gegen 16.35 Uhr ein Verkehrsunfall auf der Alteck. Ein PKW wurde im Seitengraben vorgefunden, während ein weiteres Fahrzeug auf der falschen Fahrbahnseite zum Stehen kam. mehr...

Die Veranstalter rechnen voraussichtlich mit 500 Teilnehmern

Demo in Ahrweiler: Wilhelmstraße wird gesperrt

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Am Sonntag, den 21. April 2024, findet in Bad Neuenahr-Ahrweiler eine Versammlung unter dem Titel „Sei ein Mensch. Demokratie. Wählen“ statt. Die Veranstalter erwarten etwa 500 Teilnehmer. Aufgrund des geplanten Demonstrationszuges wird die Wilhelmstraße zeitweise gesperrt sein. mehr...

Anzeige
 
Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.
LESETIPPS
GelesenNeueste
Kommentare

„Von der Wiege bis zur Bahre“

S. Bull:
Die Nordart ist eine absolut empfehlenswerte und grandiose internationale Ausstellung von hohem Niveau! Wer in der Region Urlaub macht oder aus sonstigen Gründen in den Norden reist, sollte sich für einen Besuch der Nordart unbedingt Zeit nehmen! Oder auch nur deswegen dorthin fahren - es lohnt sic...

Er träumte von einer Künstlerkolonie in Mendig

ämge:
Peter Mittler war ein großer Träumer mit großen Träumen. Er war ein Getriebener, ein Schaffer ein Erschaffer. Ich sehe ihn immer noch vor mir, in seiner Werkstatt, egal ob an heißen Sommertagen oder im tiefsten Winter bei minus Graden, fortwährend an irgendwelchen Objekten modelierend oder mit dem Schweißgerät...
Jürgen Schwarzmann :
Für alle Betroffenen im Ahrtal ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft schwer nachzuvollziehen. Ich hätte mir schon gewünscht, dass das Verfahren eröffnet worden wäre um so in einem rechtsstaatlichen Verfahren und einer ausführlichen Beweisaufnahme die Schuld bzw. Unschuld festzustellen. Die Entscheidung...
K. Schmidt:
Wenn ich das richtig sehe, gab es, bevor der Landkreis/Landrat die Einsatzleitung übernahm bzw. übernehmen musste, doch auch in den einzelnen Kommunen schon Leiter. Die staatsanwaltschaftlichen Arbeiten beziehen sich wohl nur auf Landrat bzw. dessen Kreisfeuerwehrleiter. Heißt das, darunter haben Herr...
Haftnotiz+
aktuelle Beilagen
Inhalt kann nicht geladen werden

 

Firma eintragen und Reichweite erhöhen!
Service