Zur Geschichte des Gebäudes des Winzervereins

Als in Sinzig noch viel Wein erzeugt wurde

von Hans Josef Moeren

31.08.2015 - 16:27

Sinzig. Die Gebäude an der Barbarossastraße mit den Hausnummern 31-33 machten deutlich, dass es in Sinzig einmal eine bedeutende Weinerzeugung gab. Es wurde im Jahre 1896 im Stadtgraben auf einem von der Stadt Sinzig gekauftem Gelände vom Winzerverein Sinzig als „Kellerei und Wirtschaftsgebäude“ errichtet.1.) Die Wirtschaft im Winzervereinslokal wurde Pfingsten 1897 eröffnet.2.)


Geschichte des Weinbaues in Sinzig


Der Weinbau hat in Sinzig eine lange Tradition. Bereits ab 762 wird Sinzig als Weinort am Rhein genannt.3.) Jedoch ist anzunehmen, dass schon vor dieser Zeit Weinbau in Sinzig betrieben wurde. Belege für die Bedeutung des Weinbaus in Sinzig sind zahlreiche Urkunden in der Zeit von 762 bis 1240, in denen Regelungen über die Ablieferung der Weinzehnten, die Auseinandersetzung über Weinberge und die Schenkung von Weinbergen enthalten sind.4.) In einem Bericht über einen Weinkauf im Jahre 1240 ist erstmalig für Sinzig zu entnehmen, dass auch selbstständig tätige Winzer hier ansässig waren.5.)

Eigentümer mit dem größten Landbesitz in Sinzig war ab 855 durch Schenkung das Aachener Marienstift, das deshalb in Sinzig auch Weinbau betrieb und jährlich den Weinzehnten von seinen Pächtern verlangte, sodass jährlich erhebliche Mengen von Wein von Sinzig nach Aachen geliefert werden mussten. In vielen Klöstern wurde der Wein vielfach nicht nur von den Klosterangehörigen verzehrt, sondern er wurde auch in den Hospizen verabreicht. Im Mittelalter war der Wein nämlich das einzig wirklich sichere, weil gegen bakterielle Verseuchung praktisch nicht anfällige Getränk. Es spielte deshalb unter anderem eine große Rolle in den mittelalterlichen Hospizien, in denen Ärzte und Patienten täglich mehrere Liter verdünnten Wein erhielten. Wegen der jährlichen Ablieferungspflicht an die geistlichen Stifte und Klöster sowie an die Adelsherren, die in Sinzig Grundbesitz besaßen, war der in Sinzig erzeugte Wein, der über die Menge für den Hausgebrauch hinaus ging, für die hier wohnende Bevölkerung nicht von Nutzen.


Napoleonischer Enfluss


Eine tief greifende Änderung der Eigentumsverhältnisse brachte die französische Zeit von 1794 - 1814 unter Napoleon. Die Säkularisation von 1802 löste die Klöster und Stifte auf und enteignete deren Besitz entschädigungslos zugunsten des Staates. Als Nationalgüter wurden sodann die ehemals kirchlichen Grundgüter und viele Adelsgüter öffentlich versteigert. Dadurch wurden jetzt Privatpersonen Eigentümer auch der Weinberge in Sinzig.6.). Im Jahre 1809 war die Fläche der Weinberge in Sinzig 36 Hektar groß, die Zahl der Einwohner betrug zum gleichen Zeitpunkt 1.77 Personen.7.). Der Weinbau wurde in der Gemarkung Sinzig in verschiedenen Bereichen betrieben. Dies lässt sich daran erkennen, dass im Herbst 1877 unter anderem Weinberge vorhanden waren am Reisberg, hinter dem Schloss, am Hellenberg, am Wadenberg, am Talendweg und um die Stadt.8.) Mit „um die Stadt“ waren auch die Weinberge am Zehnhof gemeint, die noch auf alten Fotos zu sehen sind. Im Jahre 1899 war der Weinbau und Weinhandel in Sinzig noch ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor, da in diesem Jahr noch elf Weinhändler ansässig waren und bei sieben Personen „Winzer“ als Beruf angegeben wurde.9.). Jedoch haben Missernten und Schäden durch die Reblaus allgemein dazu geführt, dass der Weinbau immer mehr zurückging. Hinzu kamen der Strukturwandel in Sinzig infolge der Ansiedlung von Industriebetrieben 10.) und allgemein die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges (1914-1918). Das hatte ein Absinken der Rebfläche in Sinzig von über 50 ha vor dem Krieg auf 6 ha 1925 zur Folge.11.) Meist wurden dabei die Weinbergflächen mit Obstbäumen bepflanzt. 12.). Infolge dieser Entwicklung löste sich der Winzerverein Sinzig Ende Dezember 1907 auf und das Gebäude des Vereins wurde nach nicht einmal 15 Jahren am 4. Januar 1911 versteigert.


Weitere Verwendung des Winzervereinsgebäudes


Bei der Versteigerung wurde eine Johanna Königs mit ihrem Gebot von 53.000 Mark neue Besitzerin des Anwesens.13.) Frau Koenigs, geborene Bunge (1851-1934), wohnte im Sinziger Schloss.14.) Sie war die Tochter des Kölner Kaufmanns Gustav Bunge, der das Schloss als Sommerwohnsitz für seine Familie errichten ließ, und hatte das Schloss nach dem Tod der Eltern geerbt. Verheiratet war Johanna Bunge seit 1872 mit dem Kölner Bankdirektor Ernst Friedrich Wilhelm Koenigs. Das Grundstück mit dem Gebäude des Winzervereins grenzte an das Schlossgrundstück, das heißt ihr Eigentum an, was allein schon ein gesteigertes Interesse an dem Winzervereinsgrundstück bei Frau Koenigs begründet haben dürfte. In dem erworbenen Gebäude des ehemaligen Winzervereins stellte Frau König der evangelischen Gemeinde einen Saal kostenlos zur Verfügung, der nach der Einweihung am 5. November 1922 bis 1848 für Gottesdienste benutzt wurde. Weiter standen der evangelischen Gemeinde in dem Haus noch zwei Räume als Vereinszimmer zu Verfügung. Hier wurde dann auch Anfang 1932 durch Pfarrer von Nasse die „Sinziger Frauenhilfe“ gegründet. An der Vorderseite des Gebäudes war bis Anfang der 80er-Jahre über dem Erdgeschoss noch die übermalte Beschriftung „Evangelischer Kirchensaal“ zu lesen.15.). Ab 1948 zog in die Räume im Erdgeschoss dann die Handelsschule des Kreises Ahrweiler ein. Mit zwei Klassenräumen, einen Schreibmaschinenraum und einem Lehrerzimmer konnte hier der Raumbedarf der Schule aber nicht vollständig abgedeckt werden, sodass im Jugendheim der Kirchengemeinde St. Peter ein weiterer Raum für schulische Zwecke in Anspruch genommen werden musste. Dieser unbefriedigende schulische Zustand endete, als das neue Schulgebäude an der Beethovenstraße bezogen und am 24. Januar 1959 eingeweiht wurde.16.). Auch nach dem Verkauf an Frau Königs wurde der westliche Teil des Gebäudes zeitweise auch noch privat zum Weinhandel genutzt. Während der nationalsozialistischen Zeit war ab 1934 in den Räumen des ehemaligen Winzervereins auch ein Hitlerjugend (HJ)-Heim eingerichtet.17.). Der große gewölbte Weinkeller war Ende der 50er-/Anfang der 60er- Jahre des vorigen Jahrhunderts unter dem Namen „Barbarossakeller“ ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche, da dort regelmäßig Tanzmusik stattfand. Nach Umbau und Renovierung wird das Gebäude heute als Büro- und Wohnhaus genutzt.

Literatur:

Kleinpass, Hans „Sinzig von 1815 bis zur Gebietsreform 1969“ in „Sinzig und seine Stadtteile - gestern und heute“ hrsg. von Jürgen Haffke und Bernhard Koll, Sinzig, 1983, S. 157 - 329; Schewe Dieter „Geschichte Sinzigs und seiner Königspfalzen“, 2004; Rheinischer Städteatlas - Sinzig - , Herausgeber Landschaftsverband Rheinland - Amt für Rheinische Landeskunde, Bonn, 1994.

Anmerkung:

1.) Kleinpass S. 245, 2.) Kleinpass S. 218, 3.) Schewe 129, 4.) Schewe S 396, 5.) Schewe 397, 6.) Müller Michael „Mairie Sinzig 1794-1814 „in „Sinzig und seine Stadtteile - gestern und heute“ hrsg. von Jürgen Haffke und Bernhard Koll, Sinzig, 1983, S. 150/151, 7.) Müller Michael „Mairie Sinzig 1794-1814 „in „Sinzig und seine Stadtteile - gestern und heute“ hrsg. von Jürgen Haffke und Bernhard Koll, Sinzig, 1983, S. 139., 8.) Kleinpass S. 244, 9.) Adress-Buch des Kreises Ahrweiler 1899, 10.) 1870 Mosaikplatten und Tonwarenfabrik, 1907 Rhein-Ahr-Glasfabrik, 11.) Städteatlas S. 33, 12.) Kleinpass S. 246, 13.) Kleinpass S. 218, 14.) Adressbuch für den Kreis Ahrweiler 1913, S. 58, 15.) Kleinpass S. 311

16.) Kleinpass S. 294, 17.) Kleinpass S. 181.

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