Krieg, Tod und Vertreibung im Jugend-Integrationskurs in Ahrweiler thematisiert
„Krieg bedeutet den Tod als ständigen Begleiter“
Zeitzeugen Gisela Schmütz und Eberhard Schimansky kamen mit jungen Migranten ins Gespräch
Ahrweiler. Der Jugendmigrationsdienst (JMD) im Caritasverband Rhein-Mosel-Ahr e.V. begab sich mit dem Jugend-Integrationskurs der Kreisvolkshochschule Ahrweiler und Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs auf Spurensuche. Seit knapp einem Jahr lernen die 14 Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus Afghanistan, Ägypten, dem Kosovo, Spanien, Somalia, Rumänien, Marokko und Polen in Bad Neuenahr-Ahrweiler Deutsch, interessieren sich für deutsche Geschichte und besuchten bereits das Haus der Geschichte in Bonn.
Caritas-Mitarbeiterin Ruth Fischer vom Jugendmigrationsdienst begrüßte die beiden Referenten Gisela Schmütz und Eberhard Schimansky sowie Mechthild Haase von der Beratungs- und Koordinierungsstelle Ehrenamt in Ahrweiler, die Biographieprojekte seit vielen Jahren begleitet. Mechthild Haase: „Den zwischen 1939 und 1945 Geborenen, die den Krieg als Kinder erlebt haben, möchten wir mit dem Biographieprojekt eine Stimme geben.“ Im Jugend-Integrationskurs berichteten die beiden Kriegskinder, Gisela Schmütz und Eberhard Schimansky, von der Zeit während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Von Hunger, Bomben und Vertreibung erzählten die beiden Zeitzeugen offen, wobei Eberhard Schimansky das Grauen mit starken Worten umriss: „Krieg bedeutet immer Chaos, für viele Verlust der Heimat und den Tod als ständigen Begleiter.“ Er hatte seinen Vater, der später in Stalingrad fiel, nie kennengelernt.
Gerade mal zwei Stunden hatte die Mutter von Gisela Schmütz Zeit, ihr Haus in Pommern zu räumen. 200 Kilometer ging es mit einem Leiterwagen Richtung Westen. In der sowjetischen Zone wurde den Menschen alles abgenommen. Zu Fuß und in Güterwaggongs endete die Flucht schließlich in Lübeck. Dort verbrachte Gisela Schmütz fünf Jahre ihrer Kindheit in einem Auffanglager in sehr ärmlichen Verhältnissen. Kindheit und Jugend hatte man ihnen geraubt.
Eberhard Schimansky berichtete von den Phosphorbomben der Engländer, die Menschen zu Kohlestaub verbrannten. In Eimern wurden die Toten eingesammelt. Immer wieder nahm Schimansky Bezug zu heutigen Grausamkeiten, die auch für die Teilnehmer des Jugend-Integrationskurses in Bad Neuenahr-Ahrweiler Flucht und Vertreibung bedeuten.
So kamen auch die jungen Männer und Frauen mit den Zeitzeugen ins Gespräch. „Mein Vater hat mir viel erzählt“, berichtete ein Jugendlicher, der gerade mal drei Jahre alt war, als im Kosovo Krieg herrschte. „Ich habe mit meinen Söhnen nie darüber gesprochen“, gestand Eberhard Schimansky, der seine Erlebnisse erst im Alter niederschrieb und sich mit seinen Enkeln austauschte. Einem jungen Mann aus Somalia, der den Krieg als kleiner Junge erlebt hat, stehen die Bilder immer noch vor Augen: „Am Anfang war es schlimm. Von meinem Geburtsort mussten wir fliehen. Es war schlimm.“ Und ein junger Mann aus Ägypten berichtete von seinen immer noch frischen Erinnerungen: „Ich habe Tote gesehen, das tut weh!“ Ruth Fischer: „Die Berichte der Zeitzeugen sollen auch euch Mut machen, in der Familie nachzufragen oder eure eigne Geschichte zu erzählen. Dann geht es einem oft besser.“
Für Eberhard Schimansky endete der Krieg nicht am 8. Mai 1945, sondern 1951 mit dem Aufbau der Bundesrepublik. Und Gisela Schmütz spürte erst 1950 Frieden, als ihr Vater eine Arbeit hatte und man das Lager verlassen konnte.
Mit großer Dankbarkeit erinnert sich Gisela Schmütz an ihre goldene Zeit als Siebenjährige auf einem Bauernhof bei Bern. Ein Schüler fragte sie einmal während eines Vortrags, warum sie nicht wieder ihre Gasteltern in der Schweiz besucht hat. Eine Frage, die alles veränderte. Sie nahm Kontakt auf. Die Kinder der Gasteltern hießen sie herzlich willkommen und auch die Leute im Dorf kannten sie noch. Es war der Beginn einer herzlichen Freundschaft. „Jetzt treffen wir uns in Meran“, sagte sie mit einem Lächeln in den Augen. Auch tiefe Wunden können heilen. Eberhard Schimansky: „Die Zeit ist wie eine große Kommode: Wenn ich es möchte, dann öffne ich eine Schublade und erzähle meine Geschichte. Wenn nicht, dann nicht. Das entscheide ich.“