Allgemeine Berichte | 09.04.2016

Ausstellung in Ahrweiler eröffnet

Deutscher Pop in der Stadtgalerie

Marcus Diede bringt frühe Protagonisten und Neuinterpreten zusammen

Markus Diede in der „VIP-Etage“ der Ausstellung mit Hans Tichas „Dolly“ und Werner Berges‘ „Gelb“. HG

Ahrweiler. Dreimal „Energiegeladen“ malt Moritz Götzes blonde Frau Kringel in die Luft. „Drei Stück Deutsche Werte“ in Form überdimensionierter Briefmarken, darunter eine von Walter Ulbricht, steuert K. P. Brehmer bei, und die kurvige rosa „Dolly“ mit den gabelgleichen Händen räkelt sich im sandfarbenen Format von Hans Ticha. Die Arbeiten der Künstler gehören zu den fast 160 Werken, die die Galerie Diede aus Beulich von insgesamt 20 Kunstschaffenden in der Ahrweiler Stadtgalerie im Weißen Turm versammelt. Ein Jahr Vorbereitung hat Markus Diede in sein ehrgeiziges Projekt „Deutscher Pop“ investiert. Mit zwei Nächten Hängung ging er in den Endspurt. Jetzt feierte er unter großem Andrang Eröffnung, zu der Bürgermeister Guido Orthen das Publikum begrüßte.

Kunst aus beiden Teilen Deutschlands

Der ganze Weiße Turm steckt voller Pop Art. Gleich im Eingang sieht man Siebdrucke von Reißbildern des „BRD-Godfather of Pop“ Fritz Köthe neben einem pastelligen Gemälde aus der Pop-Art-Periode von Gisbert Lange. Gegenüber blinkt die „Die Hose vom Potsdamer Platz“ hell in Wasja Götzes Bild, das wiederum unmittelbar neben einer grell-gelben Marilyn Monroe von Thomas Baumgärtel hängt. Vom Kölner Künstler, dem „Bananensprayer“, gibt es übrigens allein im Erdgeschoss noch einen röhrenden Kunststoffhirsch sowie Snoopy, Kreuz, Tim und Struppi, natürlich immer mit Banane, ohne die bei Baumgärtel nichts geht.

Werke von den 60er-Jahren bis in die Gegenwart

Diedes erklärtes Ziel war es, „ausschließlich deutsche Pop Art auszustellen und dafür alle wichtigen deutschen Popartisten zu gewinnen.“ Dies war kein einfaches Unterfangen, schon weil sieben der ausgestellten Künstler nicht mehr leben oder einige Künstler keine Bilder mehr haben. So musste mit Nachlassverwaltern und Galeristen verhandelt werden. Da die Pop Art ab den 1960ern in Deutschland Fuß fasste, von einigen aber weitertransportiert wird, kommen frühe „Popartisten“ ebenso wie jüngere Interpreten zum Zuge. Zu den frühen zählen Hans Ticha und Wasja Götze, die in der DDR den Pop gegen den verordneten Kunststil für ihre Arbeiten adaptierten. Auch von Sigmar Polke, einem der bekanntesten ersten westdeutschen Vertreter, sind Siebdrucke präsent. Mit Wasja Götzes Sohn Moritz, der sehr erfolgreich und in erkennbar eigener Handschrift Figuren-Szenarien hervorbringt, ist eine neue Generation am Werk. Eine sehr eigenwillige Werkprägung zeigen die Arbeiten Hermann Alberts, der immer wieder Torsi knubbeliger Strapse-Trägerinnen zeigt. Richtig böse fällt das Strandbild Karl-Heinz Meyers aus. Da wird eine Oben-Ohne-Badende auf Sylt mit schweren Klunkern an beiden Händen als protzende Angehörige des Neureichen-Standes karikiert.

Wie die amerikanischen Urheber der Kunstrichtung haben dagegen Namensvetter Heiner Meyer und manch andere Pop-Künstler mit Kritik nichts im Sinn. Er kombiniert Attribute des Konsums, Comicwelt und die Immer-Sorglos-Welt der Reichen in endlosen Variationen. Ursprünglich hat aber die deutsche Prägung des Pops dem amerikanischen Kunstimport eine ironische Brechung verpasst. Schon 1963 hatten die vier Düsseldorfer Gerhard Richter, Konrad Lueg, Sigmar Polke und Manfred Kuttner mit einer Aktion und Ausstellung in einem Düsseldorfer Möbelhaus die deutsche Pop Art eingeläutet. Eine Performance wurde mit der Demonstration „Leben mit Pop – eine Demonstration für den kapitalistischen Realismus“ eröffnet. Als Gegenpol zum Sozialistischen Realismus sollte der konsumfreudige westdeutsche „reale“ Kapitalismus der Nachkriegszeit entlarvt werden.

Gegensätze erzeugen eine besondere Spannung

Zwischen diesen beiden Polen stehen viele in Ahrweiler ausgestellte Arbeiten. Vom prominenten deutschen Pop-Art-Vertreter Werner Berges ist eine poppig-gelbe, in große Flächen gegliederte Gestalt zu sehen, deren Farbgebung in Kontrast zur melancholischen Anmutung steht. Interessanterweise hat Diede von C. O. Paeffgen, der mit seinen Umrandungen und Umwicklungen einen eigenen künstlerischen Weg geht, eine sehr frühe „Schuh-Umwicklung“ aufgetan. Witziger ist von ihm jedoch das schwarzgrundige Bild im Treppenhaus, das unter einen roten Mond den Romantik vernichtenden Schriftzug „Sch...“ setzt. Diffuse, bizarre Kontraste, gestaltete und leere Flächen, Schrilles und Verwaschenes begegnet dem Betrachter in den teils riesigen Formaten von Endy Hupperich. Dass sie, wie einige andere große Exponate, in direkter Nachbarschaft von religiösen Skulpturen stehen müssen, so einer aus dem 14. Jahrhundert stammenden lieblichen Madonna mit Kind, die einst das Ahrweilerer Ahrtor behütete, wird manchem Besucher nicht einleuchten.

Deutscher Pop ist keinesfalls eine leicht zu fassende Kategorie. Als 2014 die Ausstellung „German Pop“ in der Schirn Kunsthalle Frankfurt über die Bühne ging, waren ganz andere Namen im Boot. Und nicht alle, die einmal poppig inspiriert waren, würden dieses Etikett als passend für sich empfinden. Wenn zum Beispiel der verstorbene Manfred Hammes aus Burgbrohl unter den Ausstellern ist, dann wohl, weil er für seine Cut-Outs und eigentümlichen Landschaften Zitate und Zeichen der Pop Art aufnahm, aber modifizierte und in seinen speziellen künstlerischen Konzepten aufgehen ließ. Und Kolja Senteur, dessen schöne, plakatartig inszenierte Romy Schneider durchaus ins Pop-Gefüge passt, kann noch vieles mehr. Aber die Kunst hat es nicht erst heute schwer, allein aus sich heraus zu wirken. Vermutlich benötigte sie immer wechselnde Vehikel, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Das alles berührte den Hilfsarbeiter Josef Wittlich aus dem Westerwald nicht im Geringsten. Der Mann, der nie eine Ausstellung besuchte, wurde allen Regeln des Marktes zum Trotz von der Kunstwelt als Vorläufer des Pop entdeckt. 1968 malte er in Öl auf Karton eine seltsame Dame auf bunten Streifen und vor einer Art Landschaftsausblick. „Die hat er aus dem Neckermann-Katalog kopiert“, erzählt Markus Diede. Jedenfalls hat Wittlich, vielleicht ohne zu wissen, was er tat, daraus eine schillernde und krasse Hommage an den Konsum, an die holde Weiblichkeit, wie er sie ersehnte und an die Malerei abgeliefert – nicht zuletzt ein Glanzstück eigener Kreativität.

Außer den genannten Künstlern, deren Arbeiten auf allen Etagen und im Treppenhaus hängen und stehen, sind beteiligt Kriwet, Richard Lindner und Klaus Staeck. Die Ausstellung in der Altenbaustraße 5 ist bis zum 1. Mai freitags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

„Hände weg vom Dompfaff“ hat Wasja Götze sein Bild betitelt.

„Hände weg vom Dompfaff“ hat Wasja Götze sein Bild betitelt. Foto: unknown

Markus Diede in der „VIP-Etage“ der Ausstellung mit Hans Tichas „Dolly“ und Werner Berges‘ „Gelb“. HG

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