Eine Zeitreise durch die City lockte 300 Neuwieder ins Kino

Retter der Fußgängerzone oder Don Quijote mit Sancho Panza?

17.08.2019 - 09:27

Neuwied. Mit der Premiere der TV-Reportage „Die Retter der Fußgängerzone“ lockte der SWR rund 300 Neuwieder ins Metropol Kino. Die Helden im Film sind Franz Becher und Martin Lenzen vom Neuwieder AktionsForum. „Manchmal komme ich mir vor wie Don Quijote mit Sancho Panza“, meinte dagegen Martin Lenzen einleitend zum Film. Wer am Ende recht behält, wird die Zukunft zeigen. Franz Becher und Martin Lenzen sowie jede Menge weitere Neuwieder tun jedenfalls alles dafür, dass die Rettung gelingt. Und das größtenteils ehrenamtlich. Dass es überhaupt soweit kommen konnte, hat viele Gründe. Globale, wie das Shoppen im Internet, aber auch hausgemachte. Die hatte man bereits 1977 kommen sehen. Unter dem Titel „1.000 Schritte“ machte der SWR seinerzeit eine Reportage über die Neuwieder Fußgängerzone. Dieser Film wurde zu Beginn des Kinoabends gezeigt. Auf die Reportage von 1977 war Maya Hattisen im Rahmen ihrer Recherche zu einem Film über den Handel im Südwesten der Republik gestoßen. Die Redakteurin fand es spannend, über 42 Jahre später noch mal vorbei zu schauen. Den Blick von außen auf Neuwied, das fanden Franz Becher und Martin Lenzen verheißungsvoll und gaben einen Einblick in ihre Arbeit. Das Ergebnis im Film kannten sie nicht und im AktionsForum wurde zuvor heftig diskutiert, ob man sich überhaupt darauf einlassen soll. „Entweder verlassen wir das Kino lachend oder als Blödmänner“, kündigte Martin Lenzen dem Publikum an. Franz Becher war sich zumindest sicher, dass kein Werbefilm zu sehen sein wird. An der Situation ändern werde der Film auch nichts. Vielleicht hat sich der Sprecher des AktionsForums verschätzt. Sollten potenzielle Gewerbetreibende „Die Retter der Fußgängerzone“ sehen, werden sie sicher einen positiven Eindruck gewinnen. In Neuwied werden vermeintliche Konkurrenten von den ansässigen Kollegen mit offenen Armen, Blumen und Präsentkörben begrüßt. Ganz getreu dem Motto: Konkurrenz belebt das Geschäft. Das AktionsForum versteht sich dabei als Brückenbauer.


Die Neuwieder Einkaufsstraße war etwas ganz Besonderes


Anlass für die Reportage von 1977 war die Besonderheit einer Einkaufsstraße. Nur 250 davon gab es seinerzeit in ganz Deutschland. In „1.000 Schritte“ kamen Passanten zu Wort, die es genossen, ungestört vom Autoverkehr shoppen zu gehen. Damals gab es knapp neunzig Einzelhändler, heute sind es nur noch ein Drittel. Eine Besucherin stellte die Einkaufsstraße auf eine Stufe mit denen in Köln und München. Man schätzte die große Auswahl an Fachhändlern. Qualität und Preise ließen sich prima vergleichen. Aber man befürchtete den Zuzug von Filialisten. Genau dies ist geschehen und hat zur Beliebigkeit Neuwieds beigetragen. Gehörte der Geschäftsführer von Kaufhof damals immerhin noch zum Vorstand von Partner City, dem Vorläufer des AktionsForums, interessieren sich die Filialisten heute nicht mehr für die Mitarbeit vor Ort. Anders Christina Burkowski, die vor wenigen Monaten ihre Boutique für Damen Unterwäsche eröffnete. Sie arbeitet an der Zukunft Neuwieds mit. Die stellen sich viele so vor, dass die Häuser in der Mittelstraße wiederbelebt sind und einkommensstarke Menschen in der Stadt wohnen. 1977 gab es noch „urbanes Leben“ mit all seinen Annehmlichkeiten. Heute stehen die Geschosse über den meisten Ladenlokalen leer. Zuversichtlich ist Hans-Jürgen Lichter von der IFA Immobilien. Sein Unternehmen hat das ehemalige C&A Gebäude als Wohnhaus umgebaut. Hans-Jürgen Lichter spricht von einem Schneeballsystem und geht davon aus, dass weitere Investoren folgen werden. Franz Becher und Martin Lenzen vernahmen es mit Genugtuung. Sollten wieder mehr Menschen in der City leben, bedarf es einer Grundversorgung. Im Film äußert Thorsten Fuchs von der food-akadamie seine Zukunftsvision. Man müsse sich vom Gedanken freimachen, dass jeder Leerstand wieder mit Gewerbe besetzt wird. Kleine Supermärkte, die sich nach Ladenschluss in Restaurants oder Cafés verwandeln, sind sein Ansatz. In „Die Retter der Fußgängerzone“ kommen Geschäftsleute zu Wort, die aufgegeben haben. „Die jungen Leute lernen doch heute keine Handarbeiten mehr in der Schule“, bedauert Luzia Bühler-Luy vom Wollgeschäft. Anders Stefan Koch, dessen Schuhhaus seit den 1930er Jahren besteht. Ihm gelang es, einen Nachfolger zu finden. So etwas wie ein Heilsbringer ist Lutz Hockemeyer vom Modehaus Sinn. Er ist jedenfalls überzeugt davon, dass sein Haus für Aufschwung in Neuwied sorgen wird. Eine Einschätzung, die von den ersten Geschäftsleuten bestätigt wird.


Ein Ort für Kaffeegenuss


Im Gegensatz zur Handarbeit mit Wolle ist das Kaffeetrinken nicht aus der Mode gekommen. In Neuwied ist dies allerdings kaum noch möglich, da alle Cafés nach und nach schlossen. Jede Menge Bestätigung erfährt Swetlana Breiler. Sie hatte den Mut, die „Wolke 7“ zu eröffnen. Sie setzt auf Kundenservice und Wohlfühlklima. Ein Erfolgsrezept, das schon im Film von 1977 immer wieder genannt wird. Gastronomen Kollege Calogero Palermo von der Eisdiele Monna Lisa bedauert, dass der Deich wie eine Mauer wirkt. Eine Einschätzung, die das AktionsForum und Citymanagerin Julia Wiederstein teilen. Sie träumen von einer neuen Verbindung zwischen der Mittelstraße und dem Deichvorgelände. Manches hat sich in 42 Jahren nicht verändert. Mit Programm, Märkten und Veranstaltungen werden die Menschen in die Stadt gelockt. Unverändert auch die finanzielle Situation der Stadt Neuwied. „Der leere Stadtsäckel setzt uns Grenzen“, entgegnete 1977 Oberbürgermeister Ludwig Schön dem Partner City Vorsitzenden Gerd Claus vom Kaufhaus Claus. Eine Aussage, die dem AktionsForum und den Mitgliedern des Netzwerks Innenstadt bekannt vorkommt. FF

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