Der Plaidter Rennstallbesitzer Horst-Maria Kowalski bleibt weiter auf Erfolgskurs
Der schnellste 72-Jährige der Welt
Plaidt. Horst-Maria Kowalski aus Plaidt liebt das Extreme, ist süchtig nach Adrenalinschüben. „Maria“, wie man ihn im Kollegenkreis nennt, steht garantiert ein Schutzengel zur Seite und Ordnung und Sauberkeit in seiner Sidecar-Werkstatt sind für ihn oberstes Gebot. Was als Klassik-Dreirad für viele in den 50er- und 60er-Jahren als „Auto des kleinen Mannes“ galt, nutzt Kowalski als weiterentwickeltes Formel 1-Motorradgespann; im Fachjargon „Sidecar“ genannt: 1000 cm³ Hubraum, Einspritzmotor, 200 PS, 290 km/h Höchstgeschwindigkeit. Horst-Maria Kowalski, die lebende Motorradsport-Legende, ist mit seinen 72 Jahren der älteste noch aktive Seitenwagenfahrer Europas und - einer der erfolgreichsten. Fast 40 Jahre mischt er schon kräftig mit auf den Rennstrecken der Welt, früher bei internationalen Tourenwagenmeisterschaften, dann zunächst als Beifahrer und heute als Fahrer eines Seitenwagens. Mit über 500 Pokalen und weiteren unzähligen Auszeichnungen kann Horst Kowalski, der seit vielen Jahren mit seinem „Sidecar-Racing-Team“ einen eigenen Rennstall führt, auf eine beeindruckende Rennsport-Bilanz verweisen.
Die „Grüne Hölle“ infizierte ihn
Bereits in seinen Jugendjahren wurde der vitale Rentner und noch immer aktive Gebrauchtwagenhändler von der Faszination des Rennsports erfasst. Mit dem Fahrrad fuhr er oft 40 Kilometer zum Nürburgring, um sich in den Bann der Renn-Geschosse und Fahrer ziehen zu lassen. Mit 17 konnte sich der Junge mit „Benzin im Blut“ ein Rennmotorrad kaufen, dass ihm damals ein Unternehmer bezahlte. Doch die besorgte Oma, bei der er aufwuchs, verbot ihm das Motorradfahren. Verständlich, wenn man weiß, dass ausgerechnet in dem Jahr ein Onkel bei einem Motorradunfall ums Leben kam. In den 70er-Jahren trat der heute weltweit bekannte und geschätzte High-Speed-Freak aus der Pellenz in den Plaidter Motorsportclub ein. Bereits ein paar Jahre später war Kowalski bei Meisterschaften der Tourenwagen mit von der Partie. Ende der 80er-Jahre erlebte er dann erstmals eine neue Dimension des Hochgeschwindigkeitsfahrens als Beifahrer von Seitenwagenfahrern.
Der Weg zur Professionalität: Ein eigener Rennstall
Sein großer Traum ging 1997 in Erfüllung: Mit einem Mechaniker-Team baute er einen eigenen Rennstall auf. Ein niederländischer Ölproduzent stellt bereits seit 17 Jahren als Hauptsponsor das Fahrgestell zur Verfügung, den kraftstrotzenden Motor sponsert der Schweizer Seitenwagen-Weltmeister Adolf Hänni. Weitere Material-Sponsoren unterstützen die Passion des siegverwöhnten Plaidter Dreirad-Spezialisten. Geschraubt wird in einem Teil einer angemieteten Halle, wo man ihn an den Abenden regelmäßig mit Sohn Sandro und den anderen Mechatronikern René Müller und Jana Fuchs beim Inspizieren, Reparieren, Montieren und „Aufhübschen“ antrifft. Zum Team zählt auch Beifahrer Marcel Reimann. Mit ihm teilt Rennstall-Chef Kowalski seit zwei Jahren den Rausch der Geschwindigkeit und Erfolgserlebnisse, nachdem sein langjähriger Freund und Fahrer Edmund Schade früh verstorben war. In der gut sortierten, aufgeräumten und sauberen Werkstatt, umgeben von Siegerkränzen, Pokalen, Urkunden und Medaillen, steht das „Schätzchen“: ein bolidenhaftes, mehrfarbig lackiertes Formel 1-Sidecar. Wenn Horst Kowalski auf der Rennstrecke richtig aufdreht, kommt an dieser LCR Suzuki (F1) so schnell keiner vorbei.
Kowalski im Gespräch mit „BLICK aktuell“:
Bei unserem Besuch in „Kowalskis Welt“ sprachen wir mit dem Sidecar-Profi, der jedoch nur im Hinblick auf seine Arbeitsweise und die Rennsporterfahrung als professionell bezeichnet werden kann. Start- oder Preisgelder werden bei den Rennen seiner Kategorie nicht gezahlt und die Sponsoren des Rennstalls finanzieren lediglich die „Hardware“.
BLICK aktuell: Sie sind Tourenwagen und Motorräder gefahren, was reizt Sie jetzt so am Fahren im Seitenwagen?
Kowalski: Das war eigentlich immer mein Traum. Ich bin schon in jungen Jahren als Zuschauer zu Rennen gefahren und die Seitenwagen haben mich immer fasziniert. Ich bin ein Mensch, der das Extreme sucht und Seitenwagen-Fahren ist für mich das Extremste, was es im Rennsport gibt.
BLICK aktuell: Wie schnell fahren Sie auf einer Rennstrecke? Kowalski: Auf der Rennstrecke im südfranzösischen Paul Ricard konnten wir mal die 290 km/h Höchstgeschwindigkeit unserer Maschine ausfahren. Ansonsten bewegen wir uns deutlich über 200 km/h und das ist mit Blick auf die zahlreichen schweren, zum Teil auch tödlichen Unfälle schnell genug. Ich war habe schon einige Kollegen beerdigt. Deswegen möchte ich auch nicht, dass mein Sohn Sandro fährt. Er soll sich auf die technische Leitung meines Rennstalls konzentrieren.
BLICK aktuell: Ein Motorradsport-Unkundiger würde vielleicht auch mal im Beiwagen eines Gespanns mitfahren, weil er denkt, das sei doch relativ entspannt. Sie sind früher auch als Beifahrer mitgefahren. Wie entspannt ist es im Beiwagen?
Kowalski: Als ich das erste Mal in Belgien als Beifahrer ein Rennen fuhr, war ich nach drei Runden so fertig, dass ich nur noch sterben wollte. Ich hatte keine Kraft mehr mich festzuhalten. Im Beiwagen gibt es nur zwei Griffe zum Festhalten. Ein geübter Beifahrer, der das Gespann in den Kurven stabilisieren muss, damit es nicht umkippt, hält sich nur mit zwei Fingern fest, stemmt sich hinten mit einem Fuß ab. Ein Anfänger macht das so verkrampft, dass er nach zwei Runden kräftemäßig erledigt ist.
BLICK aktuell: Hatten Sie selbst auch Unfälle?
Kowalski: Einige. Gott sei Dank aber ohne Verletzungen. Meinen spektakulärsten Crash erlebte ich 1994 in der Sachskurve des Hockenheimrings.
BLICK aktuell: Kennen Sie auf der Rennstrecke keine Angst? Kowalski: Ich sage immer, wenn ich einsteige: „Bis gleich!“ Adrenalin ja, aber wenn ich ins Fahrerlager komme, schalte ich ab und konzentriere mich nur noch auf das Rennen.
BLICK aktuell: Was war ihr erfolgreichstes Jahr?
Kowalski: In den letzten beiden Jahren habe ich international mehr Pokale geholt, als sonst die Jahre. Seitdem ich die neue Serie Klamo Sidecar-Trophy fahre, stand ich immer auf dem Treppchen. Diese Serie ermöglicht es mir, mit meiner 1000 cm³/Einspritzer-Maschine mitzufahren. Schon an Ostern geht es weiter. Dann starte ich im italienischen Franciacorta. In Fachkreisen werde ich als Favorit gesehen.
BLICK aktuell: Was sagt eigentlich Ihr Arzt zu Ihrem Rennsport-Engagement?
Kowalski: Normalerweise ist in unserem Sport mit 55 Jahren Schluss. Mein Rennarzt hat mir jedoch wegen meines guten Gesundheitszustandes eine Sonderlizenz erteilt - die einzige für einen 72-Jährigen, weltweit.
BLICK aktuell: Andere gehen in Ihrem Alter spazieren, sitzen vielleicht im Sessel und lesen ein gutes Buch. Warum tun Sie sich das hier noch an?
Kowalski : Ich tue es aus Überzeugung und Liebe. Ich lebe dafür!
Das Gespräch führte Michael Krupp.