Initiative „Klima-Mitbestimmung JETZT“

Bürgerrat sollBewegung in die Klimapolitik bringen

Bürgerrat soll
Bewegung in die Klimapolitik bringen

Mira Pütz (2.v.l.) aus Bad Bodendorf baut seit Oktober 2019 zusammen mit Pablo Eberhardt (v.l.) aus Köln, Philipp Verpoort aus Monheim am Rhein, Enno Rosinger aus Essen, Leonie Sendker aus Köln, Miriam Beulting aus Münster, Tabea Hosak aus Saarbrücken, Simon Wehden aus Essen-Werden und Johanna Jetter aus Heidelberg die Initiative „Klima-Mitbestimmung JETZT“ auf. Foto: Philipp Verpoort

Bad Bodendorf. „Der Politik ist es bislang nicht gelungen, der Klimakrise angemessen zu begegnen“, meint Mira Pütz aus Bad Bodendorf. Das verabschiedete Klimapaket sei „zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, wird aber nicht zu den großen gesellschaftlichen Veränderungen führen, die notwendig sind, um unser Klima zu retten.“ Genau das aber traut die junge Frau, die kürzlich in Paris ihr Master-Studium abgeschlossen hat, einem Bürgerrat zu. Dieses temporäre Gremium soll Handlungsempfehlungen zu der Frage erarbeiten, wie Deutschland seine Treibhausgas-Emissionen unter Wahrung sozialer Gerechtigkeit im Laufe der nächsten zehn Jahre um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 verringern kann, damit das 1,5-Grad-Ziel erreicht wird. Der Bundestag soll sich dabei nach dem Willen der Petenten vorab verpflichten, die Vorschläge dieses Gremiums in seiner Klima-Gesetzgebung in geeigneter Weise umzusetzen. Zusammen mit Miriam Beulting aus Münster, Pablo Eberhardt aus Köln, Tabea Hosak aus Saarbrücken, Johanna Jetter aus Heidelberg, Enno Rosinger aus Essen, Leonie Sendker aus Köln, Philipp Verpoort aus Monheim am Rhein und Simon Wehden aus Essen-Werden baut Mira Pütz, Ehemalige des Are-Gymnasiums in Bad Neuenahr, deshalb seit Oktober 2019 die Initiative „Klima-Mitbestimmung JETZT“ auf.

Derzeit arbeiten die jungen Leute daran, ein Unterstützer-Netzwerk aufzubauen. „Es geht uns darum, ein möglichst breites Bündnis für einen Bürgerrat zur Klimapolitik zu schmieden“, erklärt Mira Pütz, „das heißt, wir reden mit der Klimabewegung und Umweltorganisationen genauso wie mit Gewerkschaften und Unternehmen sowie den großen Kirchen in Deutschland.“ Am 10. August waren die Initiatoren beispielsweise beim Tagebau Garzweiler, um sich mit Vertretern der Belegschaft auszutauschen. „Denn soziale Gerechtigkeit in die Klimapolitik zu bringen, das ist einer der Gründe, warum wir für einen Bürgerrat eintreten“, sagt Mira Pütz, „wir sind überparteilich und knüpfen auch Kontakte zu Politikern, um sie davon zu überzeugen, dass ein Bürgerrat einer faktenbasierten und gesellschaftlich akzeptierten Klimapolitik den Weg bereiten kann.“ Sobald die junge Bodendorferin und ihre Mitstreiter ein Netzwerk geknüpft haben, mit dem sie innerhalb von vier Wochen 50.000 Unterschriften sammeln können, wollen sie ihre Petition beim Bundestag einreichen. Voraussichtlich im Herbst wird es soweit sein. „Dann freuen wir uns über jede Unterschrift“, sagt Mira Pütz, „und über jeden, der uns hilft, die Idee eines Bürgerrats für Klimapolitik bekannter zu machen.“

„In Irland und Frankreich haben Bürgerräte in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie Bewegung in wichtige Themen bringen können, an denen die Politik bislang gescheitert ist.“ Zu diesem Ergebnis ist Mira Pütz im Rahmen ihrer Master-Arbeit gekommen. Wobei Bürgerräte demokratische Institutionen „keinesfalls ersetzen können, wohl aber ergänzen und bereichern“, wie sie betont, „sie sollen die Demokratie noch ein Stück demokratischer machen.“ Bürgerräte seien, wie sich in den Nachbarländern gezeigt habe, in der Lage, „Bewegung auch in vergiftete politische Debatten zu bringen“. Dass sich die Bundesregierung mit der Klimagesetzgebung so schwertut, liege daran, dass sie „zugleich wirtschaftlichen und sozialen Interessen gerecht werden muss“, meint Mira Pütz. Und „während Aktivisten für mehr Umweltschutz auf die Straße gehen, protestieren anderswo Menschen gegen höhere Benzinpreise und schärfere Auflagen für die Agrarindustrie.“ Ein Bürgerrat könnte, davon ist sie überzeugt, all diese Menschen an einen Tisch bringen.

Mira Pütz und ihre Mitstreiter haben sich deshalb in Irland, Großbritannien und Frankreich genau angeschaut, wie ein solcher Bürgerrat funktionieren kann. Zunächst sollen etwa 30.000 zufällig ausgewählte Einwohnerinnen und Einwohner angeschrieben und befragt werden, ob sie interessiert sind, in einem solchen Gremium mitzuwirken. Nach dem Zufallsprinzip werden dann aus den Rückmeldungen 100 bis 150 Bürger mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und Sichtweisen ausgewählt, die repräsentativ für die Vielfalt in der Gesellschaft sind.

Die Bürgerratsmitglieder treffen sich an mehreren Wochenenden, um anerkannte und unabhängige Fachleute zum Thema anzuhören und anschließend gemeinsam in einem „herrschaftsfreien Diskurs“, ganz wie ihn der Frankfurter Philosoph Jürgen Habermas es in seiner berühmten „Theorie des kommunikativen Handelns“ fordert, Lösungsansätze erarbeiten. Deren Vor- und Nachteile werden schließlich gemeinsam abgewogen, und als Ergebnis werden Vorschläge zur Problemlösung für die Politik abgeleitet. Über das Internet sollen diese Vorschläge auch für Außenstehende nachvollziehbar gemacht werden.

Ein Online-Seminar zur Initiative „Klima-Mitbestimmung JETZT“ und ihrer Forderung nach einem Bürgerrat gibt’s unter https://klima-mitbestimmung.jetzt.

Zur Person: Mira Pütz aus Bad Bodendorf hat 2013 am Are-Gymnasium Abitur gemacht. Im Rahmen eines Europäischen Freiwilligendienstes war sie anschließend sechs Monate lang in Madrid im interkulturellen Bereich tätig. Von 2014 bis 2017 studierte Mira Pütz in Den Haag Internationale Beziehungen. Vor wenigen Wochen hat sie ihr Master-Studium im Fach Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Umweltpolitik am Institut d’études politiques in Paris abgeschlossen. In ihrer Masterarbeit verglich Mira Pütz Bürgerräte zur Klimapolitik in verschiedenen europäischen Ländern miteinander.