Menschen brauchen jetzt mehr denn je Seelsorge

„Da sein und anrufbar sein!“

Dekanin Renate Weigel hält auch Gespräche am Telefon für hilfreich

31.03.2020 - 13:16

Rhein-Lahn-Kreis. „Seelsorge wird jetzt wichtiger denn je“, sagt Renate Weigel. Für die Dekanin des evangelischen Dekanats Nassauer Land bleibt zwar immer noch die direkte persönliche Begegnung die sinnvollste Form, um Menschen zuzuhören und zu erfahren, was ihnen am Herzen liegt. „Aber natürlich ist auch ein Seelsorge-Gespräch am Telefon möglich, das nun an Bedeutung gewinnt.“ Dazu stünden die Pfarrerinnen und Pfarrer in den Kirchengemeinden des Dekanats bereit.


Hausbesuch unter entsprechenden hygienischen Vorkehrungen


Gleichwohl sei aber der Hausbesuch noch möglich, nicht nur zum Reden, sondern auch, um etwa ein Hausabendmahl zu feiern. Freilich nur, wenn die entsprechenden hygienischen Vorkehrungen getroffen werden und genügend Abstand gehalten wird, damit womöglich infizierte Personen den Coronavirus nicht übertragen. „Das muss aber jede Pfarrperson in unseren Kirchengemeinden für sich entscheiden, ob sie das überhaupt machen will und kann.“ Darüber hinaus gebe es natürlich von der kreativen Gemeindeebene bis zum professionellen Radio- und TV-Gottesdienst zurzeit eine große Vielfalt an Angeboten, in den eigenen vier Wänden ansteckungsfrei in Wort und Bildern seelsorglichen Zuspruch zu erfahren.

Fest steht für die Theologin: Die nie gekannte Ausnahmesituation, die Ängste und die Unsicherheit der Menschen würden den Bedarf an Seelsorge deutlich steigen lassen. „Da heißt es für uns Pfarrerinnen und Pfarrer jetzt vor allem: da sein für die Menschen, anrufbar sein.“ Hinzu komme, dass die ungewohnte Situation plötzlich Zeit bietet, das eigene Leben und die Gewohnheiten zu hinterfragen, wo der Alltag sonst ablenkt. Auch Spannungen könnten dadurch ausgelöst werden. „Da können Seelsorge und Glaube Ruhe und Orientierung bieten.“

Eine steigende Seelsorge-Nachfrage registriert seit einer Woche beispielsweise die Klingelbacher Gemeindepfarrerin Dr. Anneke Peereboom. „Als Pfarrerin wurde ich in den letzten Tagen verstärkt um ein Gespräch gebeten, um sich etwas von der Seele reden zu können“, erzählt sie. Nicht immer sei da ein Telefongespräch der richtige Rahmen. „Ich lade dann meistens zu einem gemeinsamen Spaziergang an der frischen Luft ein“, so Peereboom. Ist das nicht möglich, bot sich beim schönen Wetter der vergangenen Tage auch Balkon oder Terrasse an. Zwar mit körperlichem Abstand, aber doch in vertrauensvollerer Nähe als während eines Telefonats.

„Aber das entscheide ich individuell. Fest steht für mich: Es sind gerade Zeiten wie diese, in denen so vieles wegbricht, in denen die Kirche gefragt ist, Glaube, Hoffnung und Liebe in die Welt zu tragen.“ Menschen stärken, trösten und sie begleiten – „das können wir und das sollten wir auch für sie tun“, erklärt Peereboom und zitiert die Bibel: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“. Ein Satz, der sie auch als Seelsorgerin in diesen Tagen trage.

In Krisen ist vor allem die Notfallseelsorge Rhein-Lahn erprobt. Die hat derzeit ihre offizielle Alarmbereitschaft ausgesetzt, vor allem, weil den vielen über 60-jährigen ehrenamtlichen Kräften das Risiko nicht zuzumuten wäre, sich in einem Einsatz möglicherweise zu infizieren. NFS-Leiterin Pfarrerin Ulrike Braun-Steinebach, für die eine solche Situation ebenso neu ist wie für alle Bürger, sieht aber Parallelen zu dem, was Menschen umtreibt, wenn sie im normalen Alltag Dienst tut. „Es geht um existenzielle Ängste, die in den Menschen jetzt hochkommen. Wir werden uns um dieses Wort nicht herumdrücken können.“ Das betreffe die Angst um nahe stehende Personen ebenso wie die, selbst in Lebensgefahr zu geraten. „Und es ist für jeden Menschen attraktiv, sich zu solch existenziellen Fragen, die sich nun auf einmal stellen, zu positionieren“, sagt die Seelsorgerin, die am Telefon und E-Mail-Postfach die Stellung hält.


Seelsorge am Telefon eher die Notlösung


Seelsorge am Telefon ist für den Dienst von Pfarrer Armin Himmighofen eher die Notlösung. Für den erfahrenen Seelsorger für Altenheime, Kliniken und Hospiz steht der aufsuchende Dienst nach wie vor an erster Stelle. „Natürlich ist es jetzt wichtig, sich telefonisch gut abzusprechen, ob und wann man einen Besuch macht“, so der Theologe. Aber dass Angehörigen oder ihm gar kein Zutritt mehr gewährt wird, mag er sich nicht ausmalen. „Wir müssen abwarten, wie das weitergeht. Aber Menschen, die an einem Kranken- oder Sterbebett geistlichen Beistand suchen, allein zu lassen, wäre unmenschlich.“

Pressemitteilung

Dekanat Nassauer Land

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