Einer der fünf Tattoomaschinenbauer Deutschlands ist Dernbacher

Der geht unter die Haut

Der geht unter die Haut

Mit prüfendem Blick untersucht Philipp Paulus, ob die handgefertigten Bauteile derTattoomaschine perfekt verarbeitet wurden sowie den Abstand zwischen Spulen und dem sog. Hammer. Fotos: NC

Der geht unter die Haut

Eine weitere Besonderheit seiner Maschinen ist, neben dem homogenen und zuverlässigen Laufverhalten der Tattoomaschinen, dass Paulus als Klemmschraube für das Griffstück antike Schlüssel, Münzen oder Wasserhähne aus den 50er Jahren verarbeitet.

Der geht unter die Haut

Die gut ausgestattete Werkstatt des Künstlers und Handwerkers.

Der geht unter die Haut

An den Stahlrahmen der Maschinen wurden als Klemmschraubefür das Griffstück antike Schlüssel, Münzen oderWasserhähne aus den 50er Jahren verarbeitet.

Dernbach. Tätowierer gibt es auch im Westerwald mittlerweile so einige, schließlich ist die Kunstform sehr beliebt geworden, sodass bereits jeder fünfte Deutsche ein Bild oder Schriftzug auf sich verewigen ließ. Aber wie eigentlich die kreativen Kunstwerke am besten und saubersten unter die Haut gehen, damit setzt sich Philipp Paulus bereits über zehn Jahre intensiv auseinander. Der 33-Jährige ist einer der nur fünf existierenden Tattoomaschinenbauer Deutschlands. Alle Bauteile, darunter der dreiteilige Stahlrahmen und die handgewickelten Spulen, die die Nadel durch ein Magnetfeld in Bewegung versetzen, stellt Paulus in seiner Werkstatt selbst her. Schon immer habe er sich für handwerkliche Tätigkeiten und das Arbeiten mit verschiedenen Materialien interessiert, Möbel, Werkzeuge und Werkstücke selbst hergestellt, Motorräder restauriert oder Dinge für Freunde repariert, verrät der Dernbacher im Interview.

Und für den Bau einer langlebigen und gut austarierten Tattoomaschine seien auch sein hohes Maß an handwerklichem Geschick dringend notwendig, denn sind Fachkenntnisse gleich mehrerer Handwerksberufe, wie die eines Elektrotechnikers, Industrie- und Feinwerksmechanikers, Werkzeugmachers, Drehers und Fräsers erforderlich. „Es müssen letztlich über 150 Geometrien beachtet und ausgearbeitet und Kapillarkräfte berechnet und optimiert werden können“, erklärt er eindringlich.

Der Weg sich teils autodidaktisch eine so anspruchsvolle Handwerkskunst anzueignen und auszuüben war steinig. Denn musste sich neben einem komplexen Bauen und Experimentieren auch in einer Szene etabliert, Respekt und Vertrauen erarbeitet werden. Doch scheint der Lebenskünstler genau diese multiplen Herausforderung gesucht zu haben: „Ich wollte immer authentisch sein. Ich wollte schon immer machen was keiner macht. Und ich wollte auch etwas tun, was nicht einfach ist, mich herausfordert.“ Auf die Frage, wie er denn überhaupt auf die Idee gekommen sei, Tattoomaschinenbauer zu werden, erzählt er von seiner großen Leidenschaft für Tätowierungen. Auf dem ganzen Körper selbst tätowiert, habe ihn ein sehr bekannter Tattoo-Künstler aus Trier, der besonders für den japanischen Stil bekannt ist und bald zu seinem Mentor wurde, 2009 während einer Sitzung mit dieser Idee konfrontiert. Paulus war gleich begeistert. Absolut sicher diese Idee weiter zu verfolgen war er sich, als er während der ersten Internetrecherche kaum Informationen und brauchbares Fachwissen generierbar konnte. „Das Wissen als Tattoomaschinenbauer ist kein Wissen, was du dir irgendwo im Internet ziehen kannst. Aber genau das hatte ich gesucht und das macht den Reiz aus, sich mit so etwas Komplizierten auseinandersetzen zu müssen und sich an etwas die Zähne auszubeißen.“ Paulus begann dann erst einmal damit von Tattoostudio zu Tattoostudio zu tingeln und alte, defekte Maschinen, sog. Leichen, zu reparieren und sich mit ihnen intensiv auseinanderzusetzen. Als sich dann 2011 ihm einer der wenigen Tattoomaschinenbauer aus dem Norden Deutschlands annahm, zu seinem Meister wurde und viele wichtige Details und Bauweisen beibrachte, begann Paulus seine eigenen Maschinen zu bauen und seine eigene Handschrift zu entwickeln. Bis heute fertigt er alle Bauteile in Eigenleistung an und stellt sogar Kleinserien her. Viele Arbeitsweisen habe er sich von bekannten Handwerkern abgeschaut, wie einem befreundeten Schlosser. Manche Produktionsmaschinen musste er sogar für den Herstellungsprozess selbst anfertigen, um ein perfektes Ergebnis zu erreichen.

Auf die Frage wie Paulus, der selbst nicht tätowiert, weiß, ob eine Maschine genau so läuft und die Farbe unter die Haut bringt, wie es seinem hohen Standart entspricht, antwortet er: „Das habe ich mir erarbeitet. Das kann man nur wissen, wenn man mit vielen Tätowierern zusammenarbeitet und den engen Kontakt pflegt – denn zehn Tätowierer, zehn Meinungen.“ Mittlerweile könne er durch seine gesammelte Erfahrung schon beim Eintreten in ein Tattoostudio am Sound der Spulenmaschinen Arbeitsweise und mögliche Vorlieben der Künstler erkennen. Die Sinne des Sehens, Hörens und Fühlens seien extrem wichtig und habe er über die Zeit geschärft. Hinzukäme, dass auch die Künstler in seinem eigenen Tattoostudio in Dernbach, welches im November 2017 eröffnet wurde, einige seiner Maschinen nutzten. Letztlich sei es ein stetiger Lernprozess. Das Laufverhalten sei aber das entscheidende und eben das habe er perfektioniert. Der homogene Lauf wäre nur durch die hundertprozentige Handarbeit möglich und für ein zuverlässiges Arbeitswerkzeug unerlässlich. Um kreativ und fokussiert zu bleiben hört Paulus währende der Arbeit an den Maschinen Musik. Er habe mit Sport angefangen, aber grundsätzlich sei sein Hobby immer sein Job gewesen. Er setzte sich Ziele, das sei wichtig, um seinem Leitspruch „No time for ego“ weiter gerecht zu werden. Dieses Lebensmotto ist wohl auch mit Grund dafür, dass er mittlerweile sein Wissen über den Bau- und Entstehungsprozess und alle nötigen Details und Berechnungsweisen für eine Tattoomaschine in Form von Seminaren und Workshops weitergibt. „Anstatt das sich Tätowierer ihre Maschine im Internet bestellen, können sie ihr eignes, auf ihre Bedürfnisse abgestimmtes, individuelles Modell selbst bauen.“

Ein bemerkenswerter Künstler, dieser Paulus, mit welchem hohen Anspruch an sich selbst, beinahe maßlosem Perfektionismus, exzessiver Leidenschaft und Verantwortungsbewusstsein er hier im Westerwald Kunst und Handwerk verbindet und auf ein hohes Niveau bringt. Durch Menschen wie ihn, die sich altes Wissen wieder erarbeiten und aneignen geht es trotz Industrialisierung nicht verloren.