Studierende der Hochschule Koblenz erarbeiten Teil der Ausstellung zu „10 Jahre CSD in Koblenz“

Eine Party mit ernstem Hintergrund

Ausstellung vom 7. bis 26. August im Forum Mittelrhein

01.08.2017 - 16:02

Koblenz. In diesem Jahr feiert der Christopher Street Day (CSD) in Koblenz sein 10-jähriges Jubiläum. Vor dem Höhepunkt des CSD Koblenz, dem Straßenfest am 18. und 19. August werden während der sogenannten PrideWeeks schon zwei Wochen vorher unterschiedliche Veranstaltungen und Events seitens der Koblenzer Community angeboten. Ein Highlight zu Beginn der dritten Koblenzer PrideWeeks bildet die Ausstellung „10 Jahre CSD in Koblenz“ im Forum Mittelrhein. In einem Bereich des Einkaufszentrums auf dem Zentralplatz wird die Ausstellung einerseits den CSD in Koblenz von seinen Anfängen bis heute aufgreifen, aber außerdem auch das Thema „Homosexualität“ im Ganzen betrachten. Für den zweiten Teil der Ausstellung, in dem es in erster Linie um einige Meilensteine der Homosexuellenbewegung in Deutschland geht, ist eine Projektgruppe der Hochschule Koblenz verantwortlich. Eingefasst in eine Projektarbeit haben sich sechs Studierende des Moduls „Soziale Bewegungen und Selbstorganisation“ unter der Leitung und konzeptionellen Unterstützung von Peter-Erwin Jansen (Fachbereich Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz) mehrere Monate intensiv mit der Geschichte, aber auch einer aktuellen Kritik am CSD befasst.

Raphael Leischner ist der einzige männliche Vertreter innerhalb der Projektgruppe und lebt selbst mit einem Mann zusammen. Da lag es für ihn nahe, sich an dem Projekt zu beteiligen. Sein Themenschwerpunkt lag auf der Homosexuellen-Bewegung vor der NS-Zeit.

„Es war interessant zu erfahren, dass es schon vor dem CSD homosexuelle Bewegungen in Deutschland gab und das dies schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts geschehen ist. Auch mal zu hören, dass das Institut für Sexualwissenschaften das in Berlin gegründet wurde, das es dort auch zum Beispiel Geschlechtsumwandlungen gab. Das man für die damalige Zeit schon sehr weit war. In Berlin gab es zum Beispiel auch schon eine verhältnismäßig hohe Toleranz gegenüber homosexuellen Menschen. Die Gesellschaft war zu diesem Zeitpunkt schon viel weiter und ist durch die NS-Zeit komplett zurückgefallen, wodurch danach wieder alles neu aufgebaut werden musste. Wir wären wahrscheinlich schon wesentlich weiter, was die ganzen Themen angeht, und vielleicht hätte der CSD so in dieser Form nicht sein müssen, zumindest in Deutschland“, berichtet Raphael Leischner im Gespräch mit „BLICK aktuell“.


Studenten erweitern ihren Horizont


Dozent Peter-Erwin Jansen hat das Projekt der Studierenden begleitet und ist fest davon überzeugt, dass alle Mitglieder der Projektgruppe während der Erarbeitungsphase etwas entscheidendes für sich gewinnen konnten: „Ich denke, dass sich hier schon ein gewaltiger Horizont aufgetan hat, wie diese Diskriminierung, die Homosexuelle und Lesben erfahren haben, über den Paragraph 175 zum Beispiel oder über die Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Dass sich da ein neues Erkenntnisinteresse gebildet, herauskristallisiert hat. Ich glaube, was hier wichtiger ist, das die Gruppe stärker versteht warum bestimmte Gesetzgebungsverfahren als unrecht gelten, also der Paragraph 175 und ich glaube, dass da sowohl was Diskriminierungssensibilität betrifft als auch die Entschädigung, die über diesen gekommen ist, ein großes Verständnis entstanden ist.“

Es gab mehrere Gründe, die die Studierenden zu ihrer Mitarbeit am Ausstellungsprojekt bewegt haben. Die Projektarbeit bildet für die Hochschüler eine willkommene Abwechslung zu Klausuren und Hausarbeiten, hinzu kommt in den meisten Fällen aber auch das persönliche Interesse oder eine gewisse Affinität zu dem Thema.

„Es war für mich jetzt die erste Ausstellung, an der ich mitarbeiten durfte und ich muss sagen, es war sehr aufregend. Das sind Dinge, die man noch nie getan hat. Ich persönlich habe noch nie Aktenrecherche betrieben und es war für mich auch neu, die ganzen Kontakte aufzutun. Ich weiß nicht, wie lange ich E-Mailverkehr hatte, wie viele Telefonate ich geführt habe. Unter anderem wird man selbstständiger durch die Mitarbeit und man wird auch selbstbewusster in dem, was man tut“, zog Leoni Reis eine erste Bilanz.


CSD muss politischer werden


Die Politisierung des CSD ist ein Ziel, die sich der Ausstellungspart der Hochschule Koblenz auf die Fahne geschrieben hat.

„Man möchte die Menschen darüber aufklären, was zur damaligen Zeit passiert ist, wozu der CSD überhaupt da ist und man möchte natürlich auch zum Nachdenken anregen, warum so etwas passiert ist“, so Leoni Reis zur Zielsetzung.

„Ich bin fest davon überzeugt, dass da die Macher dieser Events aus bestimmten ökonomischen Gründen in eine falsche Richtung gegangen sind. Umso unpolitischer dieser CSD geworden ist, umso breiter wurden die Teilnehmerzahlen und wurde für einen Großteil der Leute interessant. Sobald man politische Themen anspricht, dann rückt die Community enger zusammen, aber die Öffentlichkeit verschwindet und ich glaube, das war in den letzten Jahren für den CSD keine gute Fortführung. Also ich glaube, es ist nun mal ein politisches Ereignis. Der Christopher Street Day ist in New York entstanden, weil sich dort Homosexuelle an der Christopher Street, an dieser Straße gewehrt haben gegen einen Polizeieinsatz, der die Homosexuellen dort diskriminiert hat. Da sind mehrere Verletzte gewesen und aus Andenken an diese Auseinandersetzung ist der Christopher Street Day initiiert worden und zwar als ein politisches Gedenken, aber nicht zu sehr als ein kulturelles Ereignis und ich glaube, da könnte der deutsche CSD sich wieder stärker politisieren“, gab sich Projektleiter Peter-Erwin Jansen kritisch.


Grausame Schicksale


Die Studierenden im Alter zwischen 20 und 30 Jahren haben insgesamt 10 Roll-Ups und 5 Stellwände für die Ausstellung erarbeitet und gestaltet. Dabei hat man auf lange und zeitintensive Textpassagen verzichtet. Die Ausstellung der Hochschule Koblenz beschränkt sich auf Zitate, prägnante Sätze und eine Vielzahl an aussagekräftigen Bildern. Unter anderem möchte man auf das Schicksal eines homosexuellen Mannes aufmerksam machen, der in Hadamar, einer von vielen Tötungsanstalten der NS-Zeit, getötet wurde. Leoni Reis ist zur Recherche extra nach Hessen gereist und hat in den Archiven Details über den grausamen Lebensweg recherchiert.

„Man wird Teil der Geschichte, muss ich tatsächlich sagen. Was diesem Mann passiert ist, ist grausam, er hatte kein eigenes Leben, man konnte es nicht als Leben betrachten, aber man wird während der Aktenrecherche Teil davon, man fühlt mit dieser Person“, berichtet Leoni von ihren Eindrücken.

„Wir möchten ein wenig darstellen, wie sah ein letzter Tag in dieser Tötungsanstalt aus, aber vor allem konzentrieren wir uns auf die Person und versuchen auch darzustellen, wie sehr praktisch durch diese Stigmatisierung sein Lebensweg bestimmt wurde. Wir versuchen den Besuchern zu überlassen, selbst eine Bewertung der Ereignisse vorzunehmen“, berichtet Corinna Leißling im Interview mit unserer Zeitung.

Die Recherche für die Ausstellung führte die Studierenden außerdem nach Darmstadt und sogar nach Berlin. Die erarbeitete Biographie soll teilweise auch provozieren, aber auch dazu beitragen, ein Umdenken im Umgang mit verschiedenen sexuellen Orientierungen herbeizuführen.

„Wir möchten jedermann erreichen, es gibt genug Menschen, die noch ein gewisses Maß an Aufklärung bedürfen. Die einfach aus Unsicherheit oder Unwissenheit vielleicht Vorurteile gegenüber homosexuellen Menschen haben, aber auch den homosexuellen Menschen selbst zu zeigen, dass es Bewegung gibt und Dinge passieren, aber man auch etwas dafür tun muss, damit etwas passiert“, erklärt Raphael Leischner.


Leid und Erfolge prägen die Geschichte


Die Ausstellung wird am Montag, 7. August, um 11 Uhr offiziell eröffnet und ist bis zum 26. August im Forum Mittelrhein zu sehen. Neben der Einführung in die Geschichte der Homosexuellen-Diskriminierung, der Entwicklung des Paragraphen 175 oder die Anfänge der Sexualerkundungen von Magnus Hirschfeld bietet die Projektarbeit der Studierenden ein breites inhaltliches Feld, das den Besuchern das Bewusstsein bringen soll, wie stark eine andere sexuelle Orientierung in dieser Gesellschaft gelitten hat. Auch das Thema „Ehe für alle“, AIDS und HIV sowie die Errungenschaften der Homosexuellenbewegung in Sachen Gleichstellung werden darin aufgegriffen. Projektmitglied Raphael Leischner sieht in der Ausstellung ganz klar das Potential, die Entwicklung und das bisher Erreichte weiter voranzutreiben. „Das es nicht nur am Tag vom CSD in Ordnung ist homosexuell zu sein, sondern auch an allen andern Tagen im Jahr. Das damit nicht nur an diesem Tag mit dem Thema offen umgegangen wird, sondern an jedem Tag“, würde sich Hannah Matthews wünschen. Weitere Infos zur Ausstellung sowie allen anderen Terminen der PrideWeeks gibt es online unter:
www.csd-koblenz.de -CF-

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