Pax-Christi Lahnstein
Gedenken an Reichspogromnacht in Lahnstein
Lahnstein. Würdig wurde auch in Lahnstein der Opfer der Reichspogromnacht vor 87 Jahren gedacht. Die Pfarrei St. Martin und St. Damian und die Pax-Christi Gruppe sowie die Musiker Odelia Lazar, Michael Wienecke und Hans-Georg Maier hatten am Abend des 9. November zunächst zur Andacht in der Hospitalkapelle unter dem Motto: „Gegen das Vergessen – Gegen den Hass“ eingeladen.
In den Nachtstunden des 9. November 1938 wurde die Synagoge in der Hochstraße geschändet und deren Inneneinrichtung von SA- und SS-Angehörigen verwüstet. Tags darauf wurden vom braunen Mob in Ober- und Niederlahnstein 20 jüdische Wohnungen und Läden demoliert. Haustüren wurden eingetreten, mit Äxten und Eisenstangen wurden Möbel und Einrichtungsgegenstände zertrümmert und Lebensmittel unbrauchbar gemacht. Die Nazi-Schergen bedienten sich Schulkindern, um Fensterscheiben mit Steinen einzuwerfen. Auch der jüdische Friedhof am Ahlerweg wurde entweiht und Grabsteine umgeworfen. Bundesweit wurden hunderte Jüdinnen und Juden ermordet und tausende misshandelt.
Die Nacht vom 9. Auf den 10. November markierte den Übergang von der Diskriminierung der Juden im dritten Reich hin zur systematischen Vertreibung. Drei Jahre später begann der Holocaust. Immer wieder erinnerten Ute Wagner und Hella Schröder an die Biografien ermordeter jüdischer Bürgerinnen und Bürger in Lahnstein, zu deren Andenken in den Jahren 2010 und 2011 vor deren einstigen Wohnhäusern Stolpersteine durch den Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt wurden. Mit eindrücklichen Texten wurde der Bogen in die Jetztzeit geschlagen. „Schon wieder kommt der Hass aus seinem Versteck. Seid wachsam, hört hin, wenn Menschengruppen zu Sündenböcken gemacht werden.“ Es sei so leicht, einfachen Lösungen zu trauen. „Seid nüchtern, bleibt wachsam…“, mahnte Heiko Hastrich. Hella Schröder sprach auch die von Bundeskanzler Friedrich Merz angestoßene „Stadtbild-Diskussion“ an, welche Menschen anderen Aussehens ausgrenze. Als Jüdin, deren Großeltern in Auschwitz umgebracht wurden, fand die Klavier- und Akkordeonspielerin Odelia Lazar authentische, eindrucksvolle Worte zum Verhältnis der Israelis und Palästinenser in heutiger Zeit. Sie wünsche sich zwei Staaten, ein Zusammenleben aller Religionen und Frieden. Sie erkenne heute, dass die Geiselhaft der Hamas das eigene Volk mit Hilfe des andauernden Krieges der israelischen Regierung, dessen Befürworterin sie nicht mehr sei, zum Opfer gemacht habe. „Essenziell ist es, dass ein Volk, das die Shoah kennt, kein Leid über ein anderes Volk bringt.“ Sie erlebe einen gänzlich neuen Antisemitismus. Lazar und Wienecke sangen das von Mordechai Gebirtig im Jahre 1938 in Polen getextete Lied „Es brennt“, welches sich als prophetische Vorwegnahme des europäischen Judentums erwies. Zu Gehör kamen auch die Titelmelodie aus dem Film „Schindlers Liste“, das Stück „Papirosen“ aus den Ghettos von Vilna und Warschau sowie „Wir weinten keine Tränen“, gesungen bei der Befreiungsfeier in Auschwitz. Zur Andacht gehörte auch das moderne Kirchenlied: „Meine ganze Ohnmacht, was mich beugt und lähmt, bringe ich vor dich. Wandle sie in Stärke, Herr, erbarme dich.“ Gespielt auf der Gitarre und vorgetragen von Hans-Georg Maier.
In einem Schweigegang gingen die über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Kerzen in ihren Händen in das Dunkel der Nacht, durch die Rödergasse und Hintermauergasse zur Gedenktafel an der Stadtmauer auf dem Salhofplatz mit der Inschrift: „Das Verbrechen an den jüdischen Bürgern der Stadt Lahnstein ist unvergessen.“ Gemeinsam wurde auch dort gesungen und zwar der Titel der letzten gemeinsamen Plattenproduktion der Comedian Harmonists aus dem Jahre 1935 „Morgen muß ich fort von hier“ auf die Melodie von „Am Brunnen vor dem Tore.“ Drei Mitglieder der Gesangsgruppe erhielten danach wegen ihrer jüdischen Herkunft Berufsverbot und gingen ins Exil. Mit dem gemeinsam gesprochenen „Vater unser“ endete die Gedenkveranstaltung. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden lag bei über 65 Jahren. Stellt sich die Frage, wer die so wichtige Erinnerungskultur in Lahnstein in zehn oder zwanzig Jahren aufrecht erhält.
Pressemitteilung Pax-Christi Lahnstein
Lazar und Wienecke sangen das von Mordechai Gebirtig im Jahre 1938 in Polen getextete Lied „Es brennt“, welches sich als prophetische Vorwegnahme des europäischen Judentums erwies.
Es wurden Kerzen zum Gedenken aufgestellt.
In einem Schweigegang gingen die über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Kerzen in ihren Händen in das Dunkel der Nacht, durch die Rödergasse und Hintermauergasse zur Gedenktafel an der Stadtmauer auf dem Salhofplatz mit der Inschrift: „Das Verbrechen an den jüdischen Bürgern der Stadt Lahnstein ist unvergessen.“ Fotos: Th. Schneider
