Der Verein „Klio“ lädt zu seiner ersten Gemeinschafts-Ausstellung in die Linzer Stadthalle

Linz ist eine „Stadt der Kunst“

Seit Donnerstag ist auch das zunächst zensierte Bild „Made Inturkey“ von Ali Zülfikar zu sehen

06.11.2018 - 12:39

Linz. Kunstbegeisterte haben in Linz neben dem Kunstverein eine weitere Anlaufstelle. Im Januar haben sich mehrere Künstler zu „Klio - Verein für zeitgenössische und historische Kunst Linz am Rhein“ zusammengeschlossen. Am Sonntag eröffneten sie in der Stadthalle eine erste gemeinsame Ausstellung, die bei der Vernissage auf eine ausgesprochen große Resonanz traf. „Ich bin froh, dass diese Ausstellung von Klio hier stattfindet und gratuliere der Ersten Vorsitzenden, Denise Steger, zur Gründung des Vereins“, erklärte Stadtbürgermeister Hans-Günter Faust, nachdem die Fanfarenklänge von Michael Frangen verklungen waren. Der Bezug zur Kunst der Vergangenheit, auf den ja schon der Name des Vereins mit der Muse der Geschichtsschreibung hinweise, sei ein Gedanke, der weitergetragen werden müsse. Linz sehe sich als „Stadt der Kunst“, so Hans-Georg Faust auf berühmte Werke verweisend vom Marienaltar und dem „Gnadenstuhl bis hin zur Architektur von Heinrich Mattar und Eduard Scheler oder den Arbeiten von Günther Oellers. „Von Ihrem Verein verspreche ich mir Impulse, die man benötigt, um die Idee weiterzutreiben, Kunst über die Zeitschiene hinweg in der Region zu präsentieren“, formulierte er seine Erwartungen an den „Klio“-Kunstverein, der sich als eine Vereinigung professioneller internationaler Kunstschaffender und -förderer versteht, die sich jenseits von den Metropolen engagieren und es spannend finden, auch den Rückblick in die Geschichte der Kunst zu tätigen.


„Schleichender, heimtückischen Prozess der offenen Zensur“


Eingeholt wurden sie jedoch von aktuellen politischen Verhältnissen, genauer vom „langen Arm“ des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Form des Generalkonsulats, das gegen die Arbeit „Made Inturkey“ von Ali Zülfikar bei der Stadt so vehement Einspruch erhoben hatte, dass der Linzer Stadtchef entscheiden hatte, es nicht zu zeigen. „Da es sich um eine Veranstaltung der Stadt Linz handelt, kann ich gegen diese Entscheidung nichts unternehmen“, hatte Denise Steger bedauert. Der Bürgermeister habe leider zu große Angst hinsichtlich der Sicherheit der Ausstellung sowie vor möglichen Prozessen. „Grundsätzlich ist es zutiefst erschreckend, was in den zurückliegenden Jahren in einem demokratischen Land wie dem unserem hinsichtlich der Kunst- und der Meinungsfreiheit im Allgemeinen vorgeht“, monierte Denise Steger in ihrer Eröffnungsrede einen „schleichenden, heimtückischen Prozess der offenen Zensur“. So erinnerte sie an Konzertabsagen aus Furcht vor Neonazi-Aufzügen, an das Verhängen von Skulpturen vor dem Besuch eines arabischen Staatsmannes sowie den Versuch der AfD, in den Spielplan eines Theaters einzugreifen. „Wenn wir jetzt nicht gemeinsam unsere durch das Grundgesetz garantierte Freiheit mit allen Mitteln verteidigen, dann wird von dieser bald nichts mehr übrig sein“, warnte sie zum Widerstand aufrufend.

Zuvor hatte sie an der Ausstellung beteiligten Künstler vorgestellt. Maria Dierker aus Bornheim-Merten präsentiere mit ihrem Werkzyklus „Baumpartituren“ ein überaus eindrucksvolles Bild von der Schönheit der Natur und lade den Betrachter angesichts der visionäre Unberührtheit der Natur zur Nachdenklichkeit wie zur Kommunikation ein. Mit zartem, reduziertem Strich weise Angelika Ehrhardt-Marschall aus Remagen in ihrem Zyklus „Maikäfer flieg!“ auf die Zerbrechlichkeit des Daseins in einer durch Flucht und Schutzlosigkeit geprägten Zeit hin. Den ständigen Wandel der Stadt Linz belege der polnische Fotograf Zygmunt Gajewski mit seinen Schwarz-Weiß Aufnahmen von der „Klosterstraße“ oder der „Verladestation“ , während die Medien- und Computerkünstlerin Brigitte Grawe aus Stolberg ihre Fotografien in der Tradition der OP-Art mittels digitaler Bildentwicklung in faszinierende, geometrische Modelle weiterentwickelt. „Bitte niederknien und in sich gehen“ fordert der Linzer Mike Grunzke vor der liegenden Christusfigur auf, die er in seiner Digitalgrafik „schrittweise“ auferstehen lässt.

„Adolphe Lechtenberg aus Düsseldorf ist mit drei seiner kleinen aufklappbaren plastischen Arbeiten den Kartonobjekten „Tor“ und „Sonne“ sowie der roten „Insel“ vertreten, während Stefan Noss aus Oberwinter Figuratives in ein dichtes Netzwerk von Farblinien und Flächen einbindet und so eine für seine Arbeiten typische Oberflächenstruktur entwickelt“, so Denise Steger. Die Dattenbergerin Andrea Pröls zeige neben am Computer entwickelten Grafiken kleinformatige Porträts und Landschaften, Bilder, in den sich die Figur in dem sie umgebenden Raum neu entwickeln würde. Die Grafikerin, Keramikerin und Objektkünstlerin Gabriele Pütz aus Bad Honnef widmet sich neben „The Big Typeschrift“, einer alten Royal-Schreibmaschine mit riesiger Lupe, der „Sprachspiel“-Theorie von Ludwig Wittgenstein, während an der gegenüberliegenden Wand ein Bild von Friedrich Hegel über den aufgehäuften, gleichschenkligen Dreiecken thront, die mit Begriffen seiner Philosophie versehen sind.

Maf Räderscheidt aus Schleiden ist zu beiden Seiten der Eingangstür in kraftvollen Ölgemälden rechts die „Loreley“ und links „Nachtgeschöpfe“. Der Digitalkünstler Hardy Rieger aus Sankt Katharinen widme sich mit Witz und sarkastischer Kritik dem Zeitgeschehen und fordert mit seinen Statements wie etwa zum „Brexit“ oder zu Erdogan, den er vor einer Wüstenlandschaft zeigt, über der Aasgeier kreisen, den Betrachter zum Nachdenken auf. Hannes Rötter aus Sinzig sei mit kleinformatigen Landschaften vertreten, die vom schnell wechselnden Licht des Nordens geprägt sind, eine Welt schaffen würden, die ihr Geheimnis nicht preisgeben würde, so Denise Steger. Die Landart-Künstlerin Margret Schopka aus Overath, die zeitweise in Island lebt, verzaubere den Betrachter mit zarten Blütenteppichen. Ganz anders die plakativen Farben des Neo-Pop-Art-Künstlers Malte Sonnenfeld, der seine hintergründigen Malereien mit Comic-Figuren belebt und der mit einem Augenzwinkern auf kühne Widersprüche wie etwa auf einen „Sommer, den es nie gab“ hinweist.

Denise Steger selber ist etwa mit dem Objektsystem „Vertikale Biografie“ oder dem großen „Denkgitter“ in der Ausstellung vertreten, in der Ingo Veltum aus Hückelhoven neben seiner Plastik „Der Aufsteiger“ in gerostetem Eisenfinish eine Auswahl seiner Farbholzdrucke zeigt. Neben zwei großformatigen Ölgemälden bereichert die Waldbreitbacherin Ulla Windheuser-Schwarz die Ausstellung mit zwei Skulpturen. Der in Köln lebende Ali Zülfikar war bei der Vernissage nur mit meisterhaften Porträt-Zeichnungen vertreten. Seit Donnerstag ist aber auch sein „Erdogan Bild“ in der Stadthalle zu sehen, das durch die Zensur für enormes Aufsehen gesorgt hat.

Das 200x140 Zentimeter große Kunstwerk zeigt den türkischen Präsidenten mit einer Brille, in der sich links der Schrecken des Krieg symbolisiert wird, im rechten Brillenglas spiegelt sich Selahattin Demirtas, der inhaftierte Politiker der „Halkların Demokratik Partisi“, der bei der Präsidentschaftswahl 2014 gegen Erdogan kandidiert hatte. Dieser hält in seiner linken Hand ein heiliges Buch, auf dem der Abdruck eines blutigen Fingers von Erdogan zu sehen ist. Darunter rechts befindet sich ein etwas größerer Stempelabdruck mit der dreiteiligen Inschrift „Erdo-Bananen Republik“.

Es könne nicht angehen, dass ein Anruf aus dem türkischen Generalkonsulat dazu führe, dass in Deutschland Bilder zensiert würden, hatte Denise Steger kritisiert, eine Kritik, die nicht spurlos an dem Stadtbürgermeister vorbei gegangen war. „Ich muss eingestehen, dass meine Abwägung zu Gunsten der Sicherheit gegenüber der Freiheit der Kunst nicht in Ordnung war“, erklärte er auf Anfrage von Blick Aktuell. Die Stadt als Veranstalter, so seine ursprünglich Ansicht, sei hinsichtlich der problematischen Aussage über einer umstrittenen Präsidentenpersönlichkeit zur Mäßigung verpflichtet. Er habe zudem die strafrechtliche Relevanz sowie die Gefahr, Anhänger und Gegner von Erdogan könnten in Linz aufeinandertreffen, überbewertet. „Das haben mir Anrufe bei der Polizei sowie beim Auswärtigen Amt klar gemacht, nach dessen Ansicht die Freiheit der Kunst höher einzuschätzen ist als mögliche Proteste von Diplomaten“, begründete Hans-Georg Faust die Rücknahme der Zensur.


Ausstellung bis zum 18. November


Die nicht nur wegen dieser Art überaus sehenswerte Ausstellung ist donnerstags bis sonntags von 16 bis 19 Uhr in der Stadthalle, Strohgasse, bis zur Finissage am Sonntag, 18. November, zu sehen. Sie endet um 16 Uhr mit einem Vortrag von Hannes Rötter anlässlich des 200. Geburtstages von Ivan Turgenev (1818-1883) unter dem Titel „Ivan Turgenev in Linz und Sinzig und seine Novelle Asja“. Außerdem wird die Malerin und Schriftstellerin Maf Räderscheidt Auszüge aus ihrem autobiographischen Roman „Die Küsse der Farben“ lesen. Weitere Infos im Internet unter www.kunst-am.mittelrhein.de oder bei Facebook auf der Seite „KLIO - zeitgenössische und historische Kunst Linz am Rhein e.V.“ DL

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