Allgemeine Berichte | 08.01.2019

Erlebnisse einer Marmorskulptur im Sinziger Schloss

Rehabilitiert und in neuem Glanz

Der „Idolino“ kehrt nach seiner Restaurierung an seinen angestammten Standort im Turmzimmer zurück

„Qualitativ hochwertig“: der Sinziger Idolino. HG (2)/Olaf Pung (1)

Sinzig. Der Mannheimer Antikensaal hat eine, desgleichen eine Station des Universitätsklinikums Leipzig, ebenso die Abguss-Sammlung der Freien Universität Berlin, das Akademische Kunstmuseum Bonn und nicht zuletzt das Sinziger Schloss. Die Rede ist von einer Nachbildung des „Idolino“, eine römische Bronze, 1530 in Pesaro gefunden, die ihrerseits womöglich die Kopie einer griechischen Statue war. Man weiß nicht, wie und wann das Sinziger Exemplar ins Schloss kam, wohl aber, wann es entstanden ist. Denn die dort in reinweißem Marmor vorhandene Idolino-Skulptur, Kopie des antiken, heute im Archäologischen Museum Florenz stehenden Bronze-Vorbilds, trägt eine Beschriftung. Danach hat sie 1897 „Professor Seeböck“ geschaffen. „Gemeint ist vermutlich der österreichische Bildhauer Ferdinand Seeboeck (1864-1952), der zu dieser Zeit ein Atelier in Rom unterhielt“, glaubt Olaf Pung. Auf Steinrestaurierung spezialisiert, betreibt Diplomrestaurator Pung gemeinsam mit Ehefrau Stefanie, Schreinerin und studierte Innenarchitektin, in Thür eine Restaurierungswerkstatt. Unterstützt durch sie, wird er sich des Idolino annehmen.

Der schöne Jüngling hat es bitter nötig. Ein Laie hätte bei seinem Material wegen der stumpfen, vergrauten Oberfläche auf Gips tippen können. Doch als Restaurator Ferdinand Lawen 2003 die Malereien des Turmzimmers überarbeitete, sah er auf Anhieb: „Es ist Marmor, man erkennt es an der kristallinen Erscheinung der Bruchstellen.“ Tatsächlich widerfuhr Idolino neben dem Vergrauen auch das Abbrechen seiner rechten Hand. Unsachgemäß wurde sie wieder angesetzt, wie eine hässliche Klebenaht zeigt. Daumen, Zeigefinger und das letzte Mittelfingerglied dieser Hand fehlen jedoch ersatzlos. Die fehlenden Teile wird Stefanie Pung nach Gipsabgüssen des Florentiner Originals im Akademischen Kunstmuseum Bonn in Plastilin modellieren. Ausgeführt werden die Ergänzungen schließlich in Marmor im Punktierverfahren und reversibel befestigt durch Dübel und Kunstharz.

Dampf gegen Schmutz

Weil die schmuddelige Hautfarbe einem so anmutigen Jüngling schlecht zu Gesicht steht, erwartet ihn in Thür eine Generalreinigung. „In den allermeisten Fällen“, zitiert Stefanie Pung ihren Mann, „ist Wasser das beste Lösungsmittel, das wir haben.“ Da macht die Marmorskulptur keine Ausnahme. Der Einsatz eines Dampfreinigers zeigt am Kopf bereits ein großartiges Ergebnis. Hell und glänzend hebt sich die behandelte Stelle vom schmutzigen Rest ab. Das schürt die Erwartungen an die vollends gesäuberte „qualitativ hochwertige Kopie“. So formuliert Olaf Pung seine Wertschätzung, die vor ihm die Schlossbewohner teilten. Vielleicht haben noch die Erbauer des Sommersitzes, Gustav Bunge (1821-1891) und seine Frau Adele (1828-1899), die Skulptur erworben. Es könnte auch deren älteste Tochter, Schlosserbin Johanna (1851-1934), gewesen sein, die 1872 den kunstsinnigen Bankier Ernst Koenigs heiratete. Oder machte jemand sie den Schlossbesitzern zum Geschenk? Den Idolino von Pesaro haben Forscher verschiedentlich als einen Apollon, Ganymed oder Bacchus gedeutet. Andere sahen in ihm einen Opfer spendenden Athleten, jüngere Meinungen vermuteten eher einen Lychnouchos (Lampenträger). Einig waren sich indes alle Experten und Kunstfreunde beim oft kopierten Idolino, dass die Schönheit des etwa 14-Jährigen an der Schwelle zum Mannesalter in bewundernswerter Weise eingefangen wurde.

Wandelnde Wertschätzung

So stand die Figur jedenfalls seit Jahrzehnten im aufwendig gestalteten, noblen Turmzimmer des Erdgeschosses, bis sie 2015 urplötzlich in Ungnade fiel. So teilte Agnes Menacher, Leiterin des Heimatmuseums im Schloss, Ende Januar 2015 der Mitgliederversammlung des Sinziger Denkmalfördervereins betroffen mit, ohne Absprache mit ihr sei der Idolino neben die Vitrine im Eingangsbereich versetzt worden. Seiner Wirkung beraubt, ungeschützt und ohne Sockel stand er da, wie Gerümpel, das nur im Weg ist. Zum Platzverweis kam es dem Vernehmen nach, weil im Turmzimmer, wo Trauungen stattfanden, ein Brautpaar Anstoß an dem unbekleideten Mannsbild nahm. Dessen Verbleib im Entree bot dennoch keine Lösung.

So hat die Stadt Sinzig den Thürer Experten mit der Restaurierung des „Idolino“ beauftragt, und Bürgermeister Andreas Geron stimmte zu, den Jüngling nach seiner Auffrischung und Instandsetzung wieder im Turmzimmer aufzustellen. Dies entspricht wohl einer vollständigen Rehabilitation.

Da die Trauungen seit einiger Zeit in den großen Saal verlagert sind, dürfte in Zukunft auch niemand mehr indigniert sein. Restaurator Pung fand übrigens über den Sockel aus grünem Brekzienmarmor heraus, dass in seiner Oberseite eine Drehplatte befestigt ist, „mit der die Skulptur vom Betrachter um die Vertikalachse gewendet werden kann“. Stefanie Pung: „So kann man ihn jederzeit ins rechte Licht drehen, das klassischerweise immer von links kommt“. Bis dahin dauert es noch etwas. Denn im Kultursaal, der dem Turmzimmer vorgelagert ist, werden ab Januar in Absprache mit der Denkmalpflege Böden versiegelt und Fenster überarbeitet. Danach kann der zu neuem Glanz gelangte Idolino per Hebegerüst und Flaschenzug wieder einen ihm gemäßen würdigen Platz im Turmzimmer einnehmen.

HG

Kopf des Idolino, links der bereits gesäuberte Teil., rechts verschmutzt.

Kopf des Idolino, links der bereits gesäuberte Teil., rechts verschmutzt.

Auf dem Säulensockel aus Brekzienmarmor ist eine Drehplatte befestigt, mit der die Skulptur um ihre Vertikalachse gewendet werden kann.

Auf dem Säulensockel aus Brekzienmarmor ist eine Drehplatte befestigt, mit der die Skulptur um ihre Vertikalachse gewendet werden kann.

„Qualitativ hochwertig“: der Sinziger Idolino. Fotos: HG (2)/Olaf Pung (1)

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