Hardy Rehmann und Matthias Röcke haben Sinzigs Architektur und Stadtentwicklung ein Buch gewidmet

Sinzig hat eine facettenreiche Bebauung

23.01.2017 - 16:21

Sinzig. Welch ein ehrgeiziges Unterfangen, die Bebauung einer Stadt in den Blick zu nehmen. Hardy Rehmann und Matthias Röcke haben ihr Vorhaben wahr gemacht, auch im Hinblick auf die 750-Jahr-Feier zu Sinzigs Stadtwerdung in diesem Jahr. Es interessierte sie, genau hinzusehen, wie sich das Bild der Kernstadt heute zeigt und wie es sich ab dem 19. Jahrhundert aus einem noch mittelalterlich geprägten Umfeld entwickelt hat. Ihre Recherchen und Einsichten mündeten in das gemeinsam verfasste Buch „Architektur in Sinzig - Bauliche Entwicklung einer Kleinstadt am Mittelrhein seit 1827“.

Ende Oktober 2016 erlebte die Neuerscheinung im Sinziger Schloss ein starkes Publikumsinteresse. Vorgestellt wurde sie von den Autoren und dem herausgebenden Verein zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums in Sinzig, dem Rehmann als Mitglied angehört und Röcke als stellvertretender Vereinsvorsitzender und Pressewart. Schon der Vortrag der Autoren öffnete den Gästen die Augen für manche architektonische Besonderheit, ein Eindruck, der sich bald darauf noch für diejenigen verstärkte, die das Angebot zu einem Architekturrundgang durch Sinzig wahrnahmen.

Genauso wird den Lesern des Buches ein Spektrum an Bauformen und Zuordnungen aufgezeigt, das selbst langjährige Bewohner staunen lässt. An vielem laufen die Menschen im Alltag eben achtlos vorbei.

Da laden die Erläuterungen und vielen Abbildungen Rehmanns und Röckes dazu ein, künftig auch einmal stehen zu bleiben, um Ausschnitte des in stetigem Wandel begriffenen Erscheinungsbilds genauer zu betrachten.

Der Untertitel des Buches nennt das Jahr 1827, denn von 1827 stammt die älteste erhaltene Katasterkarte für Sinzig mit insgesamt 220 verzeichneten Gebäuden. Darunter haben 54 bis dato überdauert, von denen wiederum 15 Fachwerkhäuser sind.

Die Jahresmarke steht vor einer Zeit der Veränderung, die in Sinzig auch mit der Inbetriebnahme des Bahnhofs 1858 eingeläutet wird. Zum Handwerk gesellen sich bald Handel und Gewerbe, die Bevölkerung steigt zwischen 1840 und 1920 von 1850 auf 3603 Einwohner an.

Es wird gebaut, klassizistisch, neobarock, in anderen historisierenden Stilen und im Jugendstil. Klassizistisch entsteht zum Beispiel das Rathaus auf dem Kirchplatz oder eine Villa in der Barba-rossastraße (ursprünglich Bahnhofstraße). Neugotik prägt das Schloss und die Zehnthofvilla. Neobarock ist das Haus Nummer 40 mit dem hübschen dreifachen Bogenfenster in der Mühlenbachstraße gestaltet, das der Denkmalverein trotz der Abriss- und Neubaupläne eines Investors gern erhalten sehen würde. Und der Jugendstil macht sich etwa an Häusern der Schlossstraße fest. Neubauzeit ist zugleich Abbruchzeit. So wird die Stadtmauer, einst der Stolz der Bewohner, zum Abbruch freigegeben, um Wohnraum zu gewinnen. Erst fällt das Stück zwischen Torhausgasse und Amtsgericht, dann zwischen Mühlenbachstraße und heutiger Kalkturmstraße sowie vom Harbach bis zur Grabenstraße.


Neue Formensprache


Nach dem Ersten Weltkrieg herrscht erneut Wohnungsmangel. „Lohpförtchen und Wallstraße werden bebaut. Die neuen Häuser stehen jetzt hinter der einstigen Mauerlinie. Und all das vollzieht sich in einer neuen Formensprache.“ So beschreiben die Autoren die städtische Fortentwicklung nach den Erkenntnissen ihres Buches in einem Beitrag zum Heimatjahrbuch 2017. Die Bauweise wird reduzierter. Die von der Stadt errichteten Häuser in der Wallstraße sind einfach und effizient, wie die Doppelhäuser Anfang der dreißiger Jahre in der Rheinstraße. Stilbewusste Ausführungen, wie das Jugendhaus HOT, damals Rathaus, haben betonte Dachtraufen und Hausecken, horizontale Dekore und Erker.

Nach dem Zweiten Weltkrieg steigt der Wohnbedarf durch Flüchtlinge und Vertriebene immens an, weshalb sich die Stadt nun in alle Richtungen ausdehnt. Boffertsweg, Entenweiherweg, Grüner Weg, Dreifaltigkeitsweg, Westumer und Koisdorfer Straße sind etwa Gebiete, die eine rege Bebauung verzeichnen. Die Siedlungsgemeinschaft Neue Heimat baut als geschlossenes Projekt Einfamilienhäuser in der Eichendorffstraße und der Gerhard-Hauptmann-Straße.

Siedlungshäuser, die in den späten fünfziger Jahren entstehen, zeigen sich bereits größer und aufwendiger gestaltet. Die Stadtmitte gewinnt eine Reihe neu erbauter Wohn- und Geschäftshäuser. Ein extremes Beispiel für moderne Architektur bietet der Flachbau eines Geschäftshauses in der Ausdorferstraße 1 mit seiner streng gegliederten, von Fensterflächen dominierten Fassade. Mehr Wohnraum wird weiterhin benötigt, wächst doch die Zahl der Einwohner im Zeitraum 1950 bis 1970 von 4317 auf 6117.

Dass der Wohlstand steigt, zeichnet sich auch in den Bauformen von 1960 bis 1970 ab. In dieser Zeit und in den Folgejahrzehnten entstehen eine Hochstraße, Supermärkte, Mehrfamilienhäuser in der Kölner Straße, im Wiesengrund und in der Rheinallee, ebenso Bungalows und Fertighäuser.

Festzustellen ist beim privaten Bauen der Trend zum Individuellen. In den Jahren 1990 bis 1999 bekommt Sinzig 415 neue Häuser hinzu. „Dieses Jahrzehnt gehört damit zu den wachstumsstärksten in der Stadtgeschichte“, stellen Rehmann und Röcke fest. Inzwischen haben sich auch die an einen Neubau gestellten Erwartungen geändert.

Ökologisches Bauen und eine hohe Energieeffizienz fließen in die Vorstellungen ein, die bestimmen, welche Bauformen als erstrebenswert angesehen werden. Auch die Postmoderne, die Stilmittel der Vergangenheit zitiert, ohne dass sie funktionell sein müssen, hinterließ einige Spuren, zum Beispiel auf dem Kirchplatz. In der jüngsten Zeit orientiert sich der Hausbau wieder mehr an der klassischen Moderne und ihrer sachlichen Ausrichtung. Als Vorbild dienen, so die Buchautoren, „die kubischen Formen des Bauhauses“.

Hardy Rehmann und Matthias Röcke beschreiben in ihrem 136 Seiten starken, reich bebilderten Architektur-Buch Wohnhäuser der Sinziger Stadtbewohner, öffentliche Gebäude sowie Gewerbe- und Industriebauten. Im Schlusswort merken sie auch Kritikpunkte an: Es mangelt an einem Hotel, der Radweg ist nicht städtisch eingebunden, es fehlt an Räumlichkeiten für Kultur und Veranstaltungen. Aber es gibt eben auch „viele herausragende architektonische Gebäude, die nicht unbedingt auf den ersten Blick ins Auge fallen“, jedoch von den Autoren beleuchtet werden. HG

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