Kultursalon Koblenz überraschte mit intelligentem Twist zwischen Hochdeutsch und Moddersproch
Die Altstadt: unvergessliche Menschen und Momente
Koblenz. Volles Haus. Gute Stimmung. Das GrandCafè platze förmlich aus den Nähten. Ein humorvolles Team hatte Petra Lötschert für das 9. Event des unabhängigen Kultursalon Koblenz zusammengestellt. Eröffnet wurde der Abend im Foyer durch die staatlich anerkannte Schaupielschule Koblenz von Madeleine Schröder – dä Aueroller, die Huckeweib Ringelstein sowie dat Pfefferminzje gaben ihr Stelldichein. Der dazu komponierte Song „Pfefferminzje“ überzeugte das mitklatschende Publikum, ein neues rockiges Koblenzlied zu werden. Die Autoren Manfred Gniffke als der Altstadtkenner und Jörg Schmitt-Kilian als Hauptkommissar sowie Wolfgang Lucke, Redakteur für Zeitung und Fernsehen, brachten Licht ins Dunkel der Altstadt. Hans Nobel von der GkkG schickte dem Salon und seinen Gästen ein extra angefertigtes Gedicht.
Münzmenschen
Manni Gniffke beschrieb gleich zu anfang, wie er von den Marktmenschen auf der Münz die Schlagfertigkeit erlernte, wie er als pädagogischer Hausmeister die 19-jährige Petra Lötschert in den Verband Deutscher Schriftsteller katapultierte durch einen einzigen Lyrikauftritt, der als Beitrag zur Eröffnung des Künstlerhauses Metternich gedacht war. Gabriele Keiser, erste Vorsitzendes des Verbands, schmunzelte im Publikum.
Jörg Schmitt-Kilian hatte schon mittendrin Lust zu lesen – mal ging es über die Davidswache am Münzplatz, wo die Menschen einfach für ein Schwätzchen durchs Fenster in den Wachraum schauten. Dann ging es um Zenners Ernst der Wirt des Fasans, der den Gebührenblock samt Einnahmen des Polizisten Kolberg zur Wache brachte, weil dieser sie mal wieder auf dem Dach des Dienstautos vergessen hatte. Kolberg war nicht gerade das Paradebeispiel für einen guten Schutzmann, sprich Butzen. Auch ein Landwirt mit Kirschkorb tauchte auf der Davidswache auf, wollte den Ausweis zurückgeben, den Butze Kolberg im Korb mit seinem Diebesgut vergessen hatte. Fazit: Selbst unter Butzen gibt’s Chaoten. Wolfgang Lucke ist mit seinen fast 50 das Küken in der Runde. Als Bassguitarist übernimmt er die Einstellung der Lautsprecheranlage. Er lacht die meiste Zeit. Ihm gefällt der Schlagabtausch, den er vermutlich nicht stören möchte. Doch dann erzählt auch Lucke, wie er 1988 als einziger Reporter Fotos bei der Sprengung vom Kloster Maria Trost machte. Sein Caprio war voll von Staub. Als Jugendlicher hatte er in diesem Bau auf einer Bassguitare mit seiner Band geprobt. Das Gebäude lag ihm also am Herzen. Seine Bilder sind heute eine Rarität, Petra Lötschert rät ihm etwas daraus zu machen ein Buch, ein Online-Archiv. Die Salonleiterin, die den Kultursalon Koblenz als Bildungsstätte sieht, referierte über die Koblenzgeschichte – an Rhein und Mosel gab es schon vor zehntausend Jahren erste Steinzeitsiedlungen. Die Gründung der Stadt beschreiben einige Historiker mit dem Fund von Silberdinaren römischer Zeit 55 v.Chr. Das erste Kastell mit einer Stadtmauer ca. 9 v.Chr. ist für Manni Gniffke die Geburt von Koblenz. 1214 erhielt Koblenz das Stadtrecht mit eigenem Siegel und 1332 kam es zur ersten ordentlichen Stadtratbildung. Manfred Gniffke ist heutiges Stadtratmitglied.
Koblenz und seine Frauen
Petra Lötschert foppte Manni Gniffke und umgekehrt. Manni Gniffke schwärme ja seit längerem für drei Frauen meinte Lötschert und zählt diese auf: seine Ehefrau, da sei aber auch noch eine Maria in der Altstadt, die ihn so selig mache. Erst als die Moderatorin über die Himmelsgöttin in der Owerpfarrkerch spricht, muss Gniffke lachen. Ja, diese Madonna ist für ihn die schönste Maria der Stadt. Die Salonleiterin gesteht ihm, diese Madonnen-Krone mit ihren sieben Monden, die sich auch auf dem Koblenzer Stadtwappen wieder findet, habe sie zur Inspiration für die Logo-Vorlage des Kultursalons genutzt. Damit steht der Kultursalon unter besonderem himmlischen Schutz.
Dann zählt sie Manni Gniffkes dritten Frauenschwarm auf. Doch Manni Gniffke kontert in Muttersprache: „dat Augusta hat nur nen neuen Anstrich gekrischt, neue Klejder sozusaache, awer die als Frauw is mir ehrlich gesoht zu ahl“. Das Publikum lacht. Stadtratsmitglied Gniffke berichtet über die aktuelle Sponsorenfindung für das Augustadenkmal, so entlaste er die Stadtkasse. „Er ist der heimliche Bürgermeister der Altstadt“, die unabhängige Moderatorin spricht einfach aus, was viele denken.
Die Münzwache, Fenster zur Welt
Mani Gniffke und Jörg Schmitt-Kilian sind Münzmenschen. Gniffke schaut noch immer über die Dächer vom Münzplatz, hat alles im Blick. Schmitt-Kilian war zuerst Polizist in der Davidswache an der Münz. Das offene Fenster an der Münzwache war das Wahrzeichen für Bürgerkontakt, hier hielt jeder gern ein Schwätzchen mit der Polizei. Beide Altstadtkenner hatten gemeinsame Bekannte, Schutzmann Addi, der eher ein Sozialarbeiter war, die Leila, die nach Amerika ging, dat Brigittsche, einst schönste Dirne von Koblenz mit Autokennzeichen: KO DM 500. Dat Brigittische war polizeifreundlich, gab den Butzen auf Spurensuche heiße Tipps, wurde jedoch von zwei Luden finanziell erleichtert und musste weiter im Alten Graben auf Feiersuche gehen. Für den freundlichen Jörg Schmitt-Kilian hatte sie immer Kosenamen, sprich Namensverdreher bereit, die er an diesem Abend zum Besten gab. Brigitte Karbach trug bis zum Schluss eine Perücke, verstarb anschaffend mit 66 und liegt heute in einem Armengrab der Stadt Koblenz.
Koblenzer sind friedlich
Skandale und Morde gibt es in Koblenz kaum, der Kannibale von Koblenz 2002, kam aus dem Kreis Ahrweiler. Doch da war noch was, die Wirtin vom Glöckchen lag erstochen im Bett. Ein ungeklärter Mord, wo bereits 90 Prozent laut Jörg Schmitt-Kilian aufgeklärt werden, weil es sich um Beziehungsdelikte handelt. Als Spelunke fällt den Herrn für die 60er das Marquis, für die 70er das Picadilly ein. Koblenz soll derzeit für vier ausländische Banden Drogenumschlagplatz sein, hier wird das preiswerteste Heroin der Nation gehandelt. Wolfgang Lucke selbst in den 90ern für kurze Zeit Kneipier, nickt. Er empfiehlt als saubere und intelligente Orte Circus Maximus, Cafe Hahn und Willi & Ernst am Bahnhof. Zum Abschluss fasst die Moderatorin eine kleine Passage aus Schmitt-Kilians Buch Münzmenschen zusammen: „ Am sechsten Tag erschuf Gott den Polizisten mit sechs Paar Händen und drei Paar Augen – er soll befehlen und trösten, kann mit Selbstmördern, Kinderschändern, Betrunkenen wie alten Omis umgehen. Selbst Beschimpfungen und Frustration erträgt er und kann mit Ohnmacht, Schmerz und Alpträumen umgehen“. Jörg Schmitt-Kilian lässt einen Telefonanrufmitschnitt laufen, Arbeitsalltag – es geht um die zigste Wiederholung einer Telefonnummer für eine alte Dame. Das Publikum lacht. Der nächste Kultursalon folgt am 1. Februar 2014 im Schloss ab 17.30 Uhr unter dem Titel: Märchenhaft: Burgen und Schlösser – Wem gehören sie?
Petra Lötschert