Vier weitere Stolpersteine wurden im Koblenz Stadtgebiet verlegt
Ein Zeichen gegen Extremismus setzen
Der Kölner Künstler Gunter Demnig erinnert mit seinen Aktionen an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors
Koblenz.Zwei Kilogramm wiegt der 10 mal 10 mal 10 Zentimeter kleine, in Handarbeit hergestellte Beton-Kubus, der mit einer glänzenden Messingplatte abgedeckt ist. In ihn eingeschlagen ist die Kurzbiografie eines Menschen, der Opfer des Nationalsozialismus wurde. Mehr als 40.000 Mal in Deutschland und in 13 weiteren europäischen Ländern wie Belgien, den Niederlanden oder Ungarn verlegte der 1947 in Berlin geborene Künstler Gunter Demnig solche „Stolpersteine“, die er vor rund zwanzig Jahren als Zeichen der Erinnerung schuf. Die ersten Steine soll er, dessen Anliegen es immer schon war, mit seiner Kunst Zeichen zu setzen, Mitte der 1990er-Jahre sogar noch illegal verlegt haben. Durch das Projekt erreichte Demnig einen hohen Bekanntheitsgrad und ist mittlerweile ein mehrfach ausgezeichneter Künstler, 2005 erhielt er den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland am Bande.
Schon mehr als 90 Stolpersteine in Koblenz verlegt
In Koblenz hat auf Bitten des Kulturausschusses der Stadt die Christlich-Jüdische Gesellschaft für Brüderlichkeit die Recherche, Koordination und Finanzierung des Gedenkprojekts „Stolpersteine“ übernommen. In Zusammenarbeit mit dem Förderverein „Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz“ wurden seit dem Jahr 2007 jetzt schon mehr als neunzig „Stolpersteine“ in Bürgersteige vor die Wohnhäuser gesetzt, in denen die betreffenden Menschen zuletzt freiwillig lebten. Menschen, die aus den verschiedensten Gründen Opfer des Nationalsozialismus wurden. Bei der siebten Aktion dieser Art in Koblenz wurden kürzlich vier solcher Erinnerungssteine durch den Künstler verlegt. Drei der Steine, die inklusive Verlegung je etwa 120 Euro kosten, wurden von der JoHo-Schängel-Stiftung gespendet, wofür sich Hans-Peter Kreutz von der Christlich-Jüdischen Gesellschaft bei dem Stiftungsgründer, Oberbürgermeister Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig, bedankte. Sein Dank galt aber auch den vielen anderen Spendern, die solche Gedenk-Aktionen immer wieder möglich machen. Große Anerkennung sprach er zudem Demnig für seine (Gedenk-)Arbeit aus.
Möglichkeit des Erinnerns an konkrete Opfer
Mit den Stolpersteinen gebe es, über das kollektive Erinnern bei unterschiedlichsten Gedenkveranstaltungen hinaus, eine Möglichkeit des Erinnerns an konkrete Opfer, stellte der Oberbürgermeister heraus. Dass so viele Menschen in Koblenz in der Gedenkstätten-Arbeit verankert seien, sei gut und wichtig, denn auch hier habe es viele Opfer des Nationalsozialismus gegeben. Gerade der Jugend solle damit bewusst gemacht werden, dass das, was die Generation seiner Eltern erlebt habe, sich nicht wiederholen dürfe. Welch großes Unrecht geschehen ist, müsse den jungen Leuten - besonders durch solche Gedenkveranstaltungen - immer wieder erklärt werden. Es werde damit zudem ein deutliches Zeichen des Zusammenstehens gegen jede Form von Extremismus gesetzt.
Den neunzigsten Koblenzer Stein verlegte Demnig in der Südallee 2 für den Arzt und Medizinalrat Dr. med. Paul Kolf, der nach Denunziation durch einen Nachbarn wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ 1943 vom Volksgerichtshof verurteilt wurde. Er starb kurz nach der Befreiung an den Folgen der Haft. Die weiteren Steine der Aktion wurden verlegt für Adolf Duckwitz in der Roonstraße 6, Walter Hübinger in der Weißergasse 27 und für Johann Dötsch in der Neugasse 22.
Duckwitz war Verlagsdirektor des Koblenzer General-Anzeigers und Vorsitzender des Verbands rheinischer Zeitungsverleger. Seit 1933 sah er sich mehr und mehr Verunglimpfungen ausgesetzt. Diffamiert wurde er auch, weil er Meister vom Stuhl der Koblenzer Freimaurer-Loge war. Er wurde schließlich verhaftet und angeklagt, doch bevor ein Urteil gesprochen wurde, wählte er im Oktober 1936 den Freitod.
Hübinger war Grubenarbeiter in Arenberg. Wegen Arbeitsbummelei - er blieb angeblich mehrmals grundlos der Arbeit fern - wurde er von der Gestapo verhaftet. 1941 starb er im KZ Sachsenhausen.
Dötsch war Parteisekretär und Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Koblenz. Nach dem Verbot der SPD durch die Nationalsozialisten kam er mehrfach in „Schutzhaft“. Sechs Jahre lang, bis zur Befreiung im Mai 1945, verbrachte er im KZ Sachsenhausen. Zurück in Koblenz wurde Dötsch hier Mitbegründer der SPD und war ab Januar 1946 Minister für Arbeit und Soziales der Provinz Rheinland-Hessen-Nassau. Im Oktober 1946 starb er an den Folgen der KZ-Haft.
Auch wenn Demnig die Stolpersteine für diese vier Menschen wie gewöhnliche Pflastersteine mit Knieschutz auf dem Pflaster kniend verlegte, so sind sie doch durch ihre glänzende Oberseite ein deutlich sichtbares Zeichen des Erinnerns. Um auch die Anwohner der jeweiligen Häuser zu informieren, was vor ihrer Haustür geschehen ist, wurde ein Handzettel in ihre Briefkästen geworfen, der Auskunft gibt über den Menschen, an den der Stein erinnern soll.
Verlegung eines Stolpersteins durch den Künstler Gunter Demnig unter den Augen von Oberbürgermeister und Stiftungsgründer Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig und Hans-Peter Kreutz von der Christlich-Jüdischen Gesellschaft. Foto: BSB
