Allgemeine Berichte | 09.06.2015

Mittelrhein Musik Festival bei bestem Wetter auf der Festung Ehrenbreitstein

Musik, die unter die Haut ging

Zweite Aufführung der von Guido Rennert komponierten Brunnensinfonie

Musik, die unter die Haut ging

Koblenz. Mit der zweiten Aufführung der von Guido Rennert komponierten Brunnensinfonie gelang es dem Mittelrhein Musik Festival (MMF) eine musikalische Brücke über den Rhein zu schlagen. Die Sinfonie in ein Wandelkonzert einzubinden und sie Open Air im Retirierten Graben der Festung im Rahmen eines Sinfoniekonzerts aufzuführen, erwies sich insbesondere bei schönstem Sommerwetter als Idee mit Charmefaktor. Eine fünfköpfige Abordnung von Blasmusikern des 63 Mitglieder starken Koblenzer Konzertorchesters stimmte die MMF-Konzertbesucher schon im Paradiesgarten neben der Kastorkirche mit drei Musikstücken auf das bevorstehende Musikerlebnis ein. Diesen ersten Konzerthappen würzte die Journalistin Barbara Harnischfeger als Moderatorin des gesamten Konzertpakets mit Informativem. Sie lieferte Eckdaten zur Geschichte dieses Ortes und eine kurze Charakteristik von Deutschlands erster stadtgeschichtlicher Sinfonie. Das „atmosphärische Klanggemälde“ erfuhr vor gut einem Jahr seine Welturaufführung in der Rhein-Mosel-Halle. Die Schirmherrin des Projektes, Dr. Christiane E. Herzog, hatte das Entstehen der Brunnensinfonie schon vor dem Setzen der ersten Note begleitet und tatkräftig unterstützt. Sie versprach dem Publikum, es werde Musik erleben, die etwas Erhabenes habe und unter die Haut gehe, die in jeder stadtgeschichtlichen Epoche ihren besonderen Reiz habe.

Besonderes Seilbahnerlebnis

Der hier aufgenommene musikalische Faden wurde bei der Seilbahnfahrt hoch zur Festung Ehrenbreitstein in jeder einzelnen Gondel weitergesponnen. Jeweils ein oder zwei Instrumentalisten gesellten sich zu den Fahrgästen und brachten ihnen während der rund vierminütigen Fahrt mit winzigen Musiksplittern Themen der Brunnensinfonie näher. Vor ihrer Aufführung präsentierten sich im ersten Teil des Konzertes die ausführenden Musiker und Sänger mit Stücken aus ihrem Repertoire. Die rund 80 Stimmen des Bach-Chors und der Chöre des Eichendorff-Gymnasiums trugen unter Leitung von Herman Wagener das populäre „O fortuna“ und andere Lieder aus der Orffschen Komposition „Carmina Burana“ vor. Der wuchtige Chorklang zog die Zuhörer in seinen Bann, nur die Optik kam ein wenig zu kurz. Denn die Bühne wirkte wegen der hinten stehenden, sich dort ein wenig verlierenden Sänger, recht verwaist.

Kino für die Ohren

Ein ganz anderes Bild ergab sich, als das Konzertorchester mit seinen Instrumenten aufzog. Mit zwei Märschen und zwei Filmmusiken vermittelte es einen ersten Eindruck von der Bandbreite seines Könnens. Scheinbar mühelos stellten sich die gut ausgebildeten Amateur-Musiker im Alter zwischen 14 und 80 Jahren unter Leitung von Christoph Engers sogar der Herausforderung eines musikalischen Porträts des Zauberers Gandalf aus der Filmtrilogie „Herr der Ringe“ von Johan de Mej. Mit Bravour lieferten sie mit dem monumentalen, hoch anspruchsvollen Werk Kino für die Ohren.

Ehrung für die Schirmherrin

Kurz vor der Pause führte Harnischfeger thematisch langsam zur Brunnensinfonie hin, deren Entstehungskosten bei rund 40.000 Euro gelegen haben sollen. Sie stellte den Ideengeber und Leiter des Projektes Bernhard Meffert vor und bat die Schirmherrin auf die Bühne. Hier wurde Herzog durch Meffert überrascht mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft im Konzertorchester als Dank für ihr außerordentliches Engagement in der Entstehungsphase. Herzog freute sich sehr über diese Anerkennung ihres Mitwirkens. Sie habe gerne geholfen, von Herzen und mit Freude für die Freude.

Brunnensinfonie begeisterte

Nach der Pause erzählten in fein detaillierter musikalischer Bildsprache Chöre und Orchester die Geschichte der Stadt ab der Zeit, als Koblenz noch das römische „Castellum apud Confluentes“ war. In nur vier Wochen hatte der Komponist Guido Rennert, der bei der Aufführung nicht anwesend sein konnte, die Partitur geschrieben. Das thematisch und musikalisch anspruchsvolle Werk zeichnet sich durch eine reiche Instrumentierung aus. Neben Blasorchester setzen Schlagwerk, Horn, Oboe, Fagott, Posaune, Bass, Klavier und Harfe dramaturgische Glanzlichter. Das Hauptmotiv „Zauber der Heimat, friedliches Land, groß im Herzen, ewig ruhst Du in Gottes Hand“ tragen die Chöre im Prolog vor. Im weiteren Verlauf wird es in Varianten und Auszügen aufgenommen. Der zehnsätzige Hauptteil der Sinfonie führt über die erste Besiedlung, weiter zum Mittelalter bis hin zum modernen Koblenz, er thematisiert den großen Stadtbrand, die Franzosenzeit, die preußische Epoche und den Zweiten Weltkrieg. Friedlich tönende Klangfolgen wechseln sich stetig ab mit bedrohlichen, schwermütigen, wütenden und heiteren.

Engers leitete das Orchester trotz ständigem Fordern mit souveräner Ruhe durch das lebhafte Wechselspiel der einzelnen Instrumentengruppen, das immer wieder zu einer brachialen Kraftentfaltung des gesamten Orchesters führte. Der Chor, der nur wenig Text zu singen hat, sich mehr lautmalend, fast wie ein weiteres Instrument in die Sinfonie einbringt, hat seinen berührendsten Part bei der Erinnerung an die „verlorenen Kinder“ des Zweiten Weltkriegs. „Kinderaugen schauen mich an...sie fragen leis warum“ - das geht jedem Zuhörer unter die Haut. Nur gut, dass die Aufbruchstimmung nach dem Krieg und die Weiterentwicklung der Stadt zum Schluss ein heiteres, lebhaftes Klangbild abgeben, das Optimismus ausstrahlen soll für die „Heimat, ein friedliches Land“.

Euphorischer Applaus vom Publikum

Das Publikum spendete der brillanten Aufführung und der folgenden Zugabe euphorischen Applaus im Stehen. Der Komponist habe das Potenzial, in Hollywood Karriere zu machen, zeigte sich Harnischfeger überzeugt. Die Komposition stärke den Stolz auf die Heimat und setze ein Ausrufezeichen hinter den Satz „wir sind Kowelenz“. „Wir sind Mittelrhein“ konterte die MMF-Leiterin und Intendantin Ulrike Piel, die sich bei Unterstützern und Aktiven bedankte und eine Aussicht auf die nächsten Veranstaltungen des Festivals gab. Besonders großen Zulauf dürften wohl am 20. Juni „Broadway“ mit Götz Alsmann & Band in Boppard und am 21. Juni „100 Jahre Hollywood Filmmusik“ auf dem Parkdeck im Koblenzer Löhr-Center erfahren.

Musikalische Splitter, dargeboten von Musikern des Konzertorchesters, stimmten die Gäste schon in den Gondeln auf das Konzerterlebnis ein. Bernhard Meffert überraschte die Schirmherrin des Brunnensinfonie-Projekts, Christiane E. Herzog (r.), mit einer Urkunde über die Ehrenmitgliedschaft im Konzertorchester. Mit wuchtigem Klang beeindruckte die große Zahl der Chor-Stimmen sowohl bei den Liedern aus Carmina Burana als auch bei der Brunnensinfonie.
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