Auftakt des KuFa-Festivals „Sommerträume“
Spurensuche an Tatorten in Koblenz
Lesung des Koblenzer Autor Jörg Schmitt-Kilian auf Fort Konstantin
Koblenz. Bei abendlich tropischen Außentemperaturen hatte der Koblenzer Autor Jörg Schmitt-Kilian, Kriminalhauptkommissar a.D., zu Leichenspuren und Spurensuche an „Koblenzer Tatorten und anderen Lieblingsplätzen“ in die Kasematten des Fort Konstantin eingeladen. Mord im Fort? Die beiden im Hof geparkten, historischen Polizeifahrzeuge deuten jedenfalls darauf hin. Eine weibliche Leiche gibt es auch. Der (inszenierte) Tatort ist mit Polizeiband abgesperrt. Alles Vorspiel für den Auftakt des KuFa-Festivals „Sommerträume“, zu dem KuFa-Geschäftsführer Dieter Servatius die Gäste seit 1997 zum zweiten Mal auf Fort Konstantin begrüßen kann. Den elfteiligen Veranstaltungsreigen dieses Jahres eröffnet vor ausverkauftem Haus Schmitt-Kilian mit einer unterhaltsamen Mischung aus Erzählung und Lesung, ergänzt durch einen kleinen Werbeblock zu seinen bisher mehr als zwanzig geschriebenen Büchern. Als junger Mann war Schmitt-Kilian (Jahrgang 1953) einer der „Butze“, wie Schutzmänner genannt wurden, auf der Altstadtwache. Sie befand sich von 1952 bis 1978 in dem ehemaligen Wohnhaus des Münzmeisters auf dem Münzplatz. Mit „Anekdötchen“ gibt er einen nostalgischen Rückblick in die 1970er-Jahre. Es sind Geschichten, an die sich auch alteingesessene Koblenzer noch erinnern, und die der Autor in seinen Büchern „Münz-Menschen suchen Kontakt“ und „66 Lieblingsplätze und 11 Burgen“ niederschrieb.
In lockerem Plauderton erzählt
Wie unter Freunden, in lockerem Plauderton, erzählt Schmitt-Kilian von schweren Jungs und leichten Mädchen, natürlich auch von „et Brigittche“, der wohl prominentesten Altstadt-Prostituierten. Was er erzählt, unterlegt er mit Bildern aus der „guten alten Zeit“. Er plaudert über kuriose Einsätze der Polizisten, die sich ab und an gerne als Freund und Helfer zeigten. Er erinnert sich an Vernehmungen, die alte Schreibmaschine, an kauzige Kollegen und zitternde Diensthunde. Ein manchmal sehr besonderes Verhältnis hatten die Polizisten wohl zu den Kneipenwirten, vor allem, wenn es um die „Polizeistunn-Klingel“ ging, wie es im Kowelenzer Platt heißt. Im Publikum sitzen Freunde und ehemalige Kollegen, die sich ebenso erinnern und gerne einmal dem Gedächtnis des Vortragenden auf die Sprünge helfen. Die Koblenzer freuen sich über die Geschichten von Hähnchen-Klemm, der Milchbar, der Marktfrau Borns Käthche und Zenners Ernst, dem Wirt des „Fasan“, der die Schlägereien stets selbst regelte. Karikaturen des Koblenzer Künstlers Ralf Godde geben mancher Anekdote einen zusätzlichen Pfiff. Schmitt-Kilian erinnert sich gerne an die Zeit, als er „Butze“ in der Münzwache war. Die Polizisten haben damals auch mal „alle Fünfe gerade sein lassen“ und Bürgernähe gelebt. Wäre die Wache nicht in den „schrecklichen Zweckbau am Moselring“ verlegt worden, seiner Meinung nach eine große Fehlentscheidung, wäre er vielleicht heute noch bei der Schutzpolizei. Dann wäre er aber vielleicht kein Krimi schreibender Hauptkommissar geworden, über den in einer regionalen Fernsehsendung berichtet wurde. Wie auch der Vorgänger-Roman „Spurenleger“ basiert Schmitt-Kilians Krimi „Leichenspuren“ auf wahren Begebenheiten. Er erinnert an einen der mysteriösesten Fälle in der Kriminalgeschichte, den Mord an einer Polizistin und eine nicht erklärbare DNA-Spur. Dabei habe verrücktermaßen die Realität Schmitt-Kilians Fantasie eingeholt. Vor allem will er über die Menschen hinter den Uniformen schreiben, sagt er, bevor er beginnt, „seinen“ Mord am Deutschen Eck noch einmal in Erinnerung zu rufen. In der Tat erfährt der Zuhörer dabei mehr über das, was sich in den Köpfen der Protagonisten vor und nach der Tat abspielt, als dass er detailverliebte Darstellungen eines Mordes erlebt. Dann zerreißt ein Schuss die Stille - kein Problem, er kommt nur aus dem Soundarchiv des Netbooks. Nach der Pause, die die Gäste nutzen, um die laue Luft und die fantastische Abend-Stimmung hoch über Koblenz zu genießen, setzt Schmitt-Kilian seine Lesung mit Textsplittern über den in „Leichenspuren“ ermittelnden Koblenzer Kommissar Tom Schneider fort.
Mit Lokalkolorit Leser-Herzen gewonnen
Mit viel eingebrachtem Lokalkolorit wie „Rheindampfer Confluentia“, „Insel Niederwerth“, „Fahrrad Franz“, „Ehrenbreitstein“ oder „Jesuitenkirche“ gewinnt er die Leser-Herzen, besonders die der Koblenzer. Dann geht es weiter zum Schauplatz „Provence“, einer Geiselnahme und dem Wechselbad der Gefühle einer in einem Ziegenstall nackt und gefesselt erwachenden Frau. Ob das Gedankenlabyrinth, das der Autor aufzeichnet, real sein könnte? Denkt man in den ersten bewusst erlebten Minuten einer derartigen Situation wirklich über Dachkonstruktionen nach, sinniert über den in Lichtfäden tanzenden Staub oder vergegenwärtigt sich die Geiselnahmen-Statistik? Schmitt-Kilian schreibt in kurzen, klaren Sätzen. Neben etlichen, in den Text eingewobenen Hintergrundinformationen gönnt er sich und dem Leser hin und wieder sogar poetische Einsprenkelungen. Sein Vorlesestil erscheint gänzlich emotionslos, ungefähr so, wie vielleicht ein Kriminalkommissar das Vernehmungsprotokoll lesen würde - sachlich, nüchtern. Zum Ende der Lesung rührt der Autor noch schnell die Werbetrommel für den Thriller „Der Rückkehrer“, den er gerade gemeinsam mit einer österreichischen Autorin schreibe. Den gelungenen Schlusspunkt setzt Schmitt-Kilian, der Gitarrist bei der Krimi-Autoren-Rockband „Hands Up & The Shooting Stars“ ist, indem er seine Gitarre hervorholt, um gemeinsam mit dem Publikum „Gute Nacht Freunde“ zu singen. „Ich hatte Gänsehaut-Feeling“, schreibt Schmitt-Kilian bei „Facebook“. Der lang anhaltende Applaus der Gäste bestätigt ihm, das richtige Veranstaltungs-Konzept angeboten zu haben.
Ein inszenierter Tatort war zu sehen.
