Höhr-Grenzhäuser Handel im Wandel der Zeit

Die Innenstadt muss Spaß machen

Düstere Aussichten für den Höhrer Einzelhandel? – Netzwerke und Erlebniskultur gegen Leerstand

15.10.2018 - 14:49

Höhr-Grenzhausen. Velde, Schwinn, Metzgerei Becker. Geschäfte, die schon seit langem aus dem Innenstadtbild verschwunden sind. Namen, an die sich viele Bewohner sicher gerne zurückerinnern. Seit Jahren kämpft Höhr-Grenzhausen um eine Erhaltung des Einzelhandels im Stadtkern Höhr sowie um die Wiederbelebung der Innenstadt. Mit der Etablierung des Wochenmarkts ist auf jeden Fall ein großer Schritt in diese Richtung gelungen. Auch die vor einigen Jahren durchgeführte Sanierung des Stadtkerns trug wesentlich zur Verschönerung des Innenstadtbildes bei. Doch bekommt man die alten Zeiten wieder zurück? Ist es angesichts des immer schneller fortschreitenden technischen Wandels und den damit verbundenen Möglichkeiten des Shoppings via Internet mit seiner immensen Produktauswahl und Preistransparenz überhaupt möglich, als Einzelhändler in einer kleinen Stadt wie Höhr-Grenzhausen langfristig zu existieren?


Gute Einkaufs- möglichkeiten gewünscht


Das Thema spiegelt sich auch in den Ergebnissen der zu Jahresbeginn durchgeführten Online-Befragung der Verwaltung wieder. Die Befragten legen großen Wert auf gute Einkaufsmöglichkeiten sowie ein gepflegtes Ortsbild. Im nach Wichtigkeit absteigenden Ranking belegten diese beiden Attraktivitätsmerkmale die Plätze vier und fünf von insgesamt 31. Bewertet wurden beide Kriterien für die Verbandsgemeinde jedoch nicht so gut, sodass hier großer Interventionsbedarf besteht. Daher fand in der Aktionswoche zu den Ergebnissen der Bevölkerungsumfrage ein Informationsabend zum Thema „Innenstadt“ statt.


Die Gesellschaft ist verantwortlich für Wandel


In seiner Begrüßungsrede schweifte auch Verbandsbürgermeister Thilo Becker zurück in die alten Zeiten. „Die Metzgerei Becker war für mich immer ein Highlight. Wenn man da hingegangen ist, wusste man innerhalb kürzester Zeit, was in den letzten sieben Tagen in Höhr-Grenzhausen passiert ist. Das war unglaublich. Und es war schön, durch Höhr-Grenzhausen zu bummeln. Man konnte mit vielen Menschen ins Gespräch kommen. Und heute dazu, vornehm ausgedrückt, ein wenig Tristesse. Und schnell wird dann wieder die Frage gestellt: Wer ist dafür verantwortlich? Und noch viel schneller und öfter hören wir in der Verwaltung: Ja, die Stadt ist dafür verantwortlich. Dann stellen wir uns die Frage: Wer ist denn da jetzt die Stadt? Ich gehe mit jedem konform, wenn wir sagen, die Stadt ist die Gesellschaft, sind die Menschen, die hier wohnen. Die sind alle mitverantwortlich dafür. Wenn aber die Leute dann meinen und sagen, die Stadt ist die Verwaltung, dann möchte ich da durchaus entschieden ‚Nein‘ sagen. Denn selbst, wenn alle Mitarbeiter der Verbandsgemeindeverwaltung in der Innenstadt einkaufen gehen und keine Online-Käufe tätigen würden, hätte dies trotzdem dazu geführt, dass die Innenstadt heute so aussieht, wie sie aussieht. Wobei der Online-Handel sicherlich nicht alleine daran schuld ist.“, konstatierte der Verbandsbürgermeister an diesem Abend.


Maßnahmen zur Innenstadt- belebung reichen bisher nicht


Becker hob in seiner Rede weiterhin die bereits in die Wege geleiteten Maßnahmen zur Innenstadtbelebung hervor, wie zum Beispiel die Sanierung des Stadtkerns, das Gutscheinsystem, die Wiederbelebung des Gewerbevereins und das Online-Portal. Über das Quartiersmanagement versuche man, unterschiedlichste Maßnahmen die Innenstadt herauszuarbeiten. Feste Veranstaltungen wie der „Weihnachstzauber“ tragen ebenfalls dem Ziel Rechnung. Dennoch reichten all diese Maßnahmen nicht aus, um eine Innenstadt wieder so herzustellen, dass Höhr wieder Flair hat und eine höhere und gesteigerte Aufenthaltsqualität zu bekommen, so Becker weiter.

Im Folgenden referierte Rainer Schmidt-Illguth, Leiter der Niederlassung Köln der BBE Handelsberatung GmbH, als externer und unabhängiger objektiver Fachmann zum Thema „Handel im Wandel“ und wie sich dies auf die Höhrer Innenstadt bisher auswirkte und weiter auswirken kann. Außerdem zeigte er mögliche Entwicklungsperspektiven auf.


Informations- und Warenüberfluss


Welche Auswirkungen der Online-Handel auf den stationären Einzelhandel hat, untermauerte er beispielsweise mit Zahlen, die deutlich machen, dass wir heutzutage einem Informations- und Warenüberfluss ausgesetzt sind und wie diese unser Kaufverhalten prägen. Beispielsweise erhalte jeder Konsument täglich im Durchschnitt 3.000 Werbebotschaften. Im Schnitt erhalte jeder User pro Tag 29 E-Mails und 285 Social-Media-Inhalte. Die Mediennutzung belaufe sich auf im Mittel auf 10 Stunden täglich. Allein in Deutschland gebe es über 100.000 Online-Shops. Ein unglaubliches Beispiel Schmidt-Illguths machte den Besuchern der Veranstaltung bewusst, wie schwierig es für den Einzelhandel ist, zu bestehen. Suche man bei Zalando nach schwarzen Damenstiefeln, erhalte man sage und schreibe 889 Treffer. Ein Auswahl, die kein Schuhgeschäft bieten könne.


Positiver Eindruck des Experten von Höhr-Grenzhausen


Gibt es ein Rezept, das dem Attraktivitätsverlust des Einzelhandels und dessen Aussterben in kleineren Städten entgegenwirkt? Im Zeitalter von Smartphone und Co. sind zunehmend soziale Kontakte gefragt. Gastronomiebetriebe boomen und der öffentliche Raum gewinnt als Erlebnis- und Begegnungsstätte zunehmend an Bedeutung. Schmidt-Illguth rät lokal ansässigen Unternehmen zum regionalen Zusammenschluss und dessen Darstellung mit Fokus auf Angebote und Aktionen. Wichtig seien eine smartphonetaugliche Darstellung und Kombination mit der lokalen Zeitung sowie Print-Anzeigenschaltung.

Der Experte lobte neben der guten Beschilderung und dem zentralen Parkplatz in der Fehrbachstraße die Sanierung und Verkehrsberuhigung in der Rathausstraße mit der zur Verfügung stehenden Außengastronomie sowie die sehr gut sanierte historische Bausubstanz des Schützenhofs und das Eiscafé. Dies alles sieht er als guten Ausgangspunkt für eine Weiterentwicklung.


Ist der „Third Place“ die Lösung?


Doch wie erklärt sich dann die hohe Leerstandsquote der Ladenlokale? Diese liege zunächst im Wettbewerb. Koblenz, Mülheim-Kärlich und Montabaur mit dem FOC sind nur einen Katzensprung entfernt. Die Ansiedlung der Supermärkte außerhalb der Innenstadt gingen zu Lasten des Handels in der Innenstadt. Aber diese beiden Faktoren seien nicht die alleinigen Ursachen. Der Einzelhandel hatte sich einer Entwicklung zu stellen, die sehr rasant gelaufen ist.

Wichtig sei es, dem Kunden einen Mehrwert zu bieten und dies auch zu vermitteln, so Schmidt-Illguth. „Die großen attraktiven Städte profitieren immens von dem Strukturwandel. Hier ergeben sich neue Optionen. Die Stadtsoziologie hat schon länger den Begriff des ‚Third Place‘ definiert, des dritten Platzes neben dem Wohnen und Arbeiten. Im Prinzip den Platz, an dem wir unsere Freizeit verbringen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Da wir unsere Versorgungseinkäufe zukünftig und heute sehr komfortabel im Internet erledigen können und weil wir in Wohnungsnähe moderne Lebensmittelmärkte zur Verfügung haben, sind wir auf den stationären Einzelhandel dafür nicht mehr angewiesen. Einzelhandel wird immer mehr zum Freizeiterlebnis. Man trifft sich nicht, weil man etwas braucht, sondern um in seiner Freizeit ein wenig shoppen zu gehen, aber dies gekoppelt mit dem Bedürfnis, Erlebnisangebote im öffentlichen Raum zu finden.“


Netzwerke und Erlebniskultur als Wiederbelebungskonzept


Die Frage, die sich grundsätzlich dabei stellt, ist: Was machen denn die Kleinstädte wie Höhr-Grenzhausen? Die Stärke der kleinen Innenstadt, nämlich der inhabergeführte Einzelhandel, hat sich im Endeffekt von der Stärke zu einem Problempunkt entwickelt. Schmidt-Illguth rät: „Wichtig ist, dass Sie Netzwerke bilden. Sie brauchen die Gemeinschaftsaktivität und ich denke, dass aus dem Stadtumbau und den Folgeprojekten abgeleitete Quartiersmanagement ist hier schon ein ganz wichtiger Faktor. Auch der Gewerbeverein und die gemeinschaftliche Wirtschaftsförderung mit der Verbandsgemeinde, den Ortsgemeinden und Unternehmen sind bedeutsam.“

„Optimistisch bin ich nicht in der Hinsicht, dass es gelingen kann, die Leerstände zu beseitigen und attraktive Geschäfte hineinzubringen.“, so Schmidt-Illguth, „Wir müssen neu denken und ich glaube, zu dem neuen Denken und zu den neuen Projekten gehört auch das Wohnen in der Innenstadt. Jedoch fehlt in der Innenstadt, dass die Menschen, die dort wohnen, Erlebnisangebote haben. Hier ist die Dialogkultur, die Sie in ihrer Stadt haben und die insbesondere über das Quartiermanagement gepflegt wird, sehr wichtig. Sie brauchen eine Erlebniskultur und die Bereitschaft zu akzeptieren, dass es auch mal laut sein kann in der Innenstadt. Ansonsten wird es Ihnen nicht gelingen breite öffentliche Angebote unterzubringen.“, schloss der Kölner Fachmann seinen Vortrag.

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